ÜBER
DEM
ALLTAG
KOBER' SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASEL
UM DEN FORDERUNGEN DES URHEBERRECHTES
ZU ENTSPRECHEN, SEI HIER VERMERKT, DASS
ICH IM ZEITBEDINGTEN LEBEN DEN NAMEN
JOSEPH ANTON SCHNEIDERFRANKEN FÜHRE,
WIE ICH IN MEINEM EWIGEN GEISTIGEN SEIN
URBEDINGT BIN IN DEN DREI SILBEN:
BÔ YIN RÂ
BASLE 1931
COPYRIGHT BY KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
Über dem Alltag
Wollen wir wandeln!
Doch soll es hier sich um Dinge handeln,
Die auch dem Alltäglichen zugehören.
Wir wollen nicht Sinn und Herz betören,
Zu glauben, der Alltag sei uns fern,
Lebten wir auf einem fernen Stern.
Wir wollen hier nur so manches betrachten,
Was alle Alltäglichen allzeit verlachten.
Wir wollen den Alltag lieben und ehren
Und keinem seiner Rechte wehren.
Doch wollen wir Höhen und Firnen ersteigen
Die auch Alltagsfernes uns nahe zeigen.
Wir wollen den Alltag
Unter uns sehen
Und uns in ewigem Lichte ergehen.
Wir wollen uns aus dem Alltag erheben,
Um kraftvoll in ihm uns erneut zu erleben!
*
Das war am Meer ‒
Das war an nächtlichem Gestade ‒
Als ich zum erstenmale aus geweihtem Mund
Mich selbst in meinem Namen nennen hörte, ‒
Als Wahrheit wurde zugesagte Gnade,
Und kein Ersehnen mehr
Die Stunde störte.
Nun fühlte ich,
Bewußt in meinem Namen,
Zum erstenmal die Schwere meiner Bürde.
Daß Hochgeheiligte aus fernen Zonen kamen,
War Folgeleistung ihrer eigenen Würde.
Das war am Meer ‒
An griechischem Gestade ‒
Als keine Bindung mehr
Der Weihe wehrte, ‒
Und unerfaßlich lichterfüllte Gnade
Ewiger Urkunft mich erinnern lehrte...
*
Da ich zum erstenmal die geistgeeinten
Und mir im Geiste brüderlich vereinten
Menschen,
Die ich, bis auf einen,
Niemals im Irdischen vordem gesehen hatte,
Meinen Namen
In der Weise ihrer Zungen
Sprechen hörte,
Fühlte ich im Innersten mich so erschüttert,
daß ich kaum die Sprechenden: ‒
Die geistgeeinten Meister, ‒
Um mich her noch klar gewahren konnte
Durch den Schleier den das Auge sich er‐
zeugte...
Es war für mich erschreckend und verwirrend,
Daß sie mich
in meinem Namen kannten: ‒
In dem ewigkeitsgezeugten
Namen,
Der ich ‒
bin,
So, wie die Quelle
Wasser ist,
Und eines Wortes Inbegriff:
Sein
Sinn!
Wohl
war ich, was sie lauthaft sprachen,
Wie es sich in Menschenlauten wiedergeben
läßt,
Seit Ewigkeiten, ‒
Doch niemand hatte vordem je
In erdenhaften Zeiten
Den Namen mir
genannt,
In dem ich selbst mich kannte,
So, wie der ewigliche Vater mich im „Wort”
Bei Namen nannte.
Nun „gaben” mir die hohen Meister
Und von da an meine Brüder,
Diesen gleichen Namen
Hier in Lauten dieser Erde, ‒
Auf daß Urewiges allhier aufs neue,
Neu geformt, in ihm verkündet werde.
*
Eh' ich Ihn kennen konnte,
War er lange schon mir geistig nah.
Doch viele Jahre mußten so vergehen,
Ehe ich Ihn leibhaft vor mir sah.
Er, der in sich mich kannte
Und stets um mich war,
Erschien mir vordem gar als ungebannte
Drohende Gefahr.
Erst mußte alle Furcht ich in mir über‐
winden;
Nicht eher durfte ich Ihn leibhaft vor mir
finden.
Als ich Ihn dann erkannte,
Kannte ich mich langhin selbst nicht mehr,
Und was ich irdisch vordem lebte, ‒
Schwand mir,
Ward mir schal,
Vergessenswürdig,
Wertelos
Und leer.
‒ ‒ ‒
Nun sind wir lang schon
Ineinander Eines
Und doch Zwei, ‒
Und solcherart vereint
Zu geistigem Bewußtsein ‒ :
In Zweieinheit ‒ Drei.
Nie wirkt der Eine, nie der Andere allein,
Denn jeder tritt zugleich für Beide
Und sich selber ein.
*
Unzähligemale
Bin ich gefallen!
Gefallen auf meinem Wege zum Licht, ‒
Gefallen, wo ich weiterschreiten sollte, ‒
Gefallen, wo ich unbewegsam stehen wollte!
Sünde häufte ich auf Sünde,
Torheit auf Torheit,
Schuld auf Schuld, ‒ ‒
Unvermeidbar! ‒
Denn die mich formten,
Mußten mich in meinem eignen Staube
schleifen,
Wie man den härtesten der Edelsteine
Nur in seinem Staube schleifen kann.
Niemals ward mir Sünde Genuß!
Niemals Torheit Freude!
Niemals Schuld Befriedigung!
*
Lichtgezeugt in ungezeugtem Lichte,
Nicht beschwert von niederziehendem Gewichte,
Würde jeder Leuchtende zunichte,
Wagte er sich in der Erde Dichte,
Wehrend, sich dem Dichten zu vereinen.
Denn im schwerefreien Lichten, Reinen,
Ist, was ist, gelöst von Schein und Meinen,
Urverschmolzen nur dem ewig Einen.
Um dem Vielen fördernd sich zu geben,
Braucht es dieser Vielheit Schein und Streben,
Braucht es zeitbedingtes Tun und Leben,
Braucht es Schweres, um es zu erheben.
Darum drängt der Leuchtende zur Erde,
Spähend wie der Adler über einer Herde,
Daß der Erdmensch ihm zu eigen werde,
Der im Willen ihm verbunden war,
Unberechenbare Zeiten eher,
Vordem den Verbundenen ein Weib der Erde
Sich zum Menschensohn gebar!
*
Wer weiß die Wege, die der Lenker weist, ‒
Einer der großen Vier im ungezeugten Geist, ‒
Wenn er den Leuchtenden zur Erde leitet,
Allda das Irdische zu finden,
Das er selbst dem Geist bereitet,
Auf daß in ihm das Licht der Ewigkeit
Zur Stätte komme, ‒
Erdenfarben, ‒
Zur gesetzten Zeit?
Hier kann nicht Menschenurteil sich erfüllen,
Denn weise weiß der Lenker zu verhüllen,
Wie er das Widersprechende bezwungen: ‒
Wie er den Erdenleib dem Leuchtenden er‐
rungen,
Dem selbst im Geist nicht kund ward,
Wie der Weg verlief,
Weil, frei von Durst nach Wissen und Er‐
kennen,
Er nur des Lenkers Stimme folgen mußte,
Die zur Erde rief.
*
Zum Tode bereit stets ‒
Dem Leben geweiht ‒
In heiliger Inbrunst
Entbrannt ‒
Benedeit ‒
Dämonen verhaßt ‒
Erzengeln Erwählter ‒
Vorwurf den Nächtigen: ‒
Urlichtvermählter! ‒
Urlichtdurchleuchtet
Im Hohen und Tiefen ‒
Lichtbringer Allen,
Die nach ihm riefen. ‒
Allen gegeben: ‒
Sich selbst nur verwehrt,
Gleichwie das Wachs,
Das zu Licht
Sich verzehrt.
*
Wenn ich nicht wäre der ich bin: ‒
Ich wäre dennoch nicht der Tor,
Der ich wahrhaftig wäre,
Griffe der Toren Schätzung,
Die mich nur nach
ihrer Elle Aichung
Messen können,
Nicht so in's Leere!
Wenn ich nicht wäre, der ich bin,
Dann wäre ich noch immer nicht
Für
die zu fassen,
Die nur zu fassen wissen,
Was sie nicht mehr hassen,
Weil es ihnen
gleicht
Und nur das
ihnen noch Erreichbare
Erreicht!
*
Was sie bei mir gelesen haben,
Verrät sich durch geheime Zeichen,
Die ich dem Meinen eingegraben,
Das sie als Eigenes weiterreichen.
Nur wurde leider auch daneben
Der Worte Sinn nur halb verstanden,
Und freies, lichtgezeugtes Leben
Schlug Unverstand in enge Banden.
*
Nehmt es wie ihr wollt:
Ich bin lauteres Gold
Und Gold ist, was ich künde, ‒
Ja: Gold ‒ selbst meine Sünde.
Nehmt es, wie ihr es ertragt!
Nehmt es, wie es euch behagt!
Spottet, oder ehret!
Nichts sei euch verwehret!
Goldschmied hat sich sehr gemüht ‒
Mich gehämmert und geglüht ‒
Ausgeschieden fremde Erden, ‒
Streng mußt' ich geläutert werden!
Nehmt es wie ihr wollt:
Ich bin lauteres Gold!
Gold ist, was ich künde!
Gold: ‒ noch meine Sünde!
*
Es brauchte viele, viele Jahre
Bis ich alle Widerstände menschlichen Emp‐
pfindens
Die dem Erdenkörper erbhaft eigen,
Oder aber anerzogen worden waren,
So bezwungen hatte,
Daß ich mich selber, ‒
Mich, den ewigkeitsgezeugten Lichtgeeinten, ‒
Aus dem Menschlichen bekennen konnte,
Das mir Diener meiner Offenbarung ist.
Gar irrig aber wäre hier der Glaube:
Als ob mein Irdisches mich eher nicht emp‐
funden
Und mich ‒ im Allerinnersten verbunden ‒
Nicht bis ins Tiefste im Erleben aufgenom‐
men hätte!
Hier liegt keine „Entwicklung der Erkennt‐
nis” vor
Denn: ‒ offen stand dem Irdischen durch
mich das Tor
Zu meinem ewigkeitsgezeugten Sein
Von jener Stunde an,
In der die Meinen den Bereiteten
Bereit zur Weihe fanden
Und ihn an seine mir gelobten Pflichten
banden.
Besorgsam suchte nur die Seele
Mannigfaltig immer wieder zu verbergen,
Was Ereignis hier geworden war...
Und brachte sie auch mutvoll mir bedin‐
gungslos
Sich selber dar,
So hatte doch sie noch
sich selbst zu über‐
winden, ‒
Nicht eher konnte sie die Kraft,
Mich zu bekennen, wie ich mich in ihr
bekenne,
Endlich ‒ in der längsterlangten Einheit
Mit mir selber ‒ in sich finden!
*
„
Fürchtet euch nicht!”
Ihr in mir Geweihten!
Fürchtet euch nicht:
Ich will euch geleiten!
Ich bin kein Schatten, euch zu erschrecken, ‒
Aus Angst und Traum will ich euch wecken.
„
Fürchtet euch nicht!”
So wird der Gruß
Des Meisters berichtet,
Wenn er, von himmlischer Lohe umlichtet,
Nach seinem Heimgang
Den Seinen sich zeigte,
Irdischer Inbrunst sich niederneigte.
„
Fürchtet euch nicht!”
Ich will bei euch bleiben, ‒
Jedem der Meinen mich einverleiben, ‒
Jedem, der sich in mir erkennt,
Wie ihn der Vater
Bei Namen nennt!
Liebender Leiter im ewigen Licht ‒
Bleibe ich bei euch: ‒
„Fürchtet euch nicht!”
*
„Ich bin der Weg,
Die Wahrheit und das Leben!”
Zum Vater fanden, die ihn fanden,
Nur durch mich!
In mir nur
Kannst du dich zum Ewigen erheben!
In mir nur
Findest du dein wahres „Ich”! ‒ ‒
Ich bin das Wort
Das nur sich selber spricht!
Ich bin die Gnade,
Die Erlösung
Und das Licht!
*
Ihr kennt mich nur in
einer
Meiner irdischen Gestalten,
Und sie allein nur habt ihr zeitlich festge‐
halten...
Ihr wißt nur um den Lehrenden der dann am
Kreuze starb,
Und der als Größter aller Liebenden,
Verwirktes, das nur Liebe lösen konnte,
Aller Erdenmenschheit wieder neu erwarb...
Ihr wißt noch nicht,
Daß ich auch
anderen der Euren eingeboren
war,
Und immer wieder hier den Sohn der Erde
finde,
Den ein irdisch Weib dazu gebar,
Mir irdisches Gefäß zu sein aus körperhaftem
Leben,
Dem ich mich einverleibe um in ihm zum
Vater
Alle Erdenmenschheit zu erheben!
*
„
Ich” ist das Wort
Und ist die Stimme
Die es spricht!
„Ich” ist das Gold
Und ist der Hort: ‒
„Ich” ist der Leuchtende
Und ist das Licht!
„
Ich” bin sie Alle,
Die in mir ich bin!
„Ich” bin die Form,
Ihr Inhalt, ‒
Die Gestaltung
Und ihr Sinn!
„Ich” bin der Krug
Und bin der Töpfer: ‒
Der Mensch der Erde
Und sein Schöpfer!
*
Tierverbunden mußt du sein,
Um den
Menschen zu erleben. ‒
Geh' nur zu dir selber ein
Und bleib' nicht im Denken kleben
Auch nicht „Rückkehr zur Natur”
Bringt dir die ersehnte Klarheit!
Und du bist nicht auf der Spur,
Suchst du „forschend” nach der Wahrheit! ‒
Tiernatur und ihre Kräfte
Blut und alle Lebenssäfte
Dienen
ewigen Gewalten,
Um in dir sich zu gestalten.
In das tiergebannte Leben
Ruft den Geist
dein eigen Streben...
Nicht bedarf es hehrer
Handlung! ‒
Nur der
Wille wirkt die Wandlung!
*
Belächelt nicht das Kind, geliebte Freunde,
Wenn es euch erzählt von Dingen,
Die ihm wirklich sind, ‒
Obwohl
ihr dieser Dinge Wirklichkeit
Nicht mehr zu fassen wißt,
Wie ehemals, da ihr noch selbst
Das gleiche Wirkliche
Auf
eure Art erfahren durftet!
Belächelt nicht,
Was euch der kleine Mund ‒
Kaum mächtig aller Worte
Die er formen möchte ‒
Erzählt von Wundern,
Die sich Nacht und Tag hindurch
In eures Kindes Welt ereignet haben!
Ihr werdet diese Welt des Kindes
Wieder in euch finden müssen,
Wenn ihr
dorthin finden wollt,
Wohin das tiefste Sehnen eurer Seele
Finden will!
Das hohe Meisterwort:
„So ihr nicht werdet wie die Kinder...”
Ist nicht als billiger „Vergleich” gemeint!
Es kündet die Bedingung,
Die erfüllt sein muß
Von jedem Erdenmenschen,
Der erlöst, im ewigkeitsgezeugten Geist
Sich selber wiederfinden will! ‒
*
Den Geist der Ewigkeit
Kannst du nicht unvermittelt finden.
Um faßbar dir zu werden,
Muß er sich an Körperhaftes binden.
Die gröbsten, wie die allerfeinsten,
Der Organe deines Erdenleibes
Mußt du ganz dem Geiste geben,
Damit er sie erwecken und befruchten kann
Mit seinem Leben!
In jeglichem Organ des Körpers
Schafft der Geist dann, ‒
Bleibt dein Wille wach, ‒
Sich eine „Zunge”: ‒ einen „Mund”, ‒ ‒
Doch, erst, wenn ihm dein Körper
Resonanz zu bieten weiß, ‒
Wird dir des Geistes sanfte Sprache
Auch als menschliches Erfühlen
Und Gedanke kund!
„Vergeistigung des Körpers”
Könnte selbst ein Gott niemals erringen, ‒
Nur die Verkörperung des Geistes
Weiß dich in den Geist zu bringen!
*
Seid sicher,
Daß auch nicht die Enkelkinder eurer Enkel
Eine Zeit erleben werden,
Die auf Erden keinen Krieg mehr kennt!
Seid sicher,
Daß auch noch der fernste Nachfahr
Mordbedrohung um der Selbstsucht willen
Unter Menschen dieser Erde:
„Zwangesläufig” und „Naturbedingnis”
nennt!
Der Mensch mag alle Kräfte der Natur
Bezwingen: ‒
Das Raubtier in sich selbst zu zähmen,
Wird auf dieser Erde aber
Nur den Höchstgearteten, ‒
Den
Hörigen des Menschentieres
Nie gelingen!
*
Sei zuerst des Wortes Sprecher!
Seine Form sei dir der Becher,
Sinn und Sage einzutrinken,
Sollen sie zu Herzen sinken. ‒
Doch, vergiß dich nicht! Und später
Werde dann des Wortes Täter!
Wirke ihm in weiser Waltung
Wahrhaft würdige Gestaltung!
Dann erst hast du abgetragen
Deine Schuld, gehörter Lehre,
Strebt dein Tun darnach, zu sagen,
Was der Lehre Ehre mehre!
*
Will dir heute nichts gelingen,
Höre auf, es zu erzwingen!
Kannst du heute nicht begreifen,
Laß' dich ruhig weiter reifen!
Was dir heute noch verborgen,
Wird dir klar ‒ vielleicht schon morgen!
*
Da, unbeschränkt an Zahl,
Die mannigfachsten Kombinationen
Des beschränkten, hirnbedingten
Erdenmenschlichen Erkennens
Möglich sind,
So sind auch jenen Konstruktionen
Seiner Vorstellung,
Die sich der Mensch auf Erden
Als sein „Weltbild”:
Seine „Weltanschauung”, schmiedet,
Keine anderen Hindernisse je im Wege,
Als die Mängel irdischer Erkenntnisfähigkeit,
Und nur durch sie wird jede Unvereinbarkeit
Des in der Vorstellung Geschaffenen
Mit dem, was wirklich
ist, bestimmt.
Doch selbst bei aller Ähnlichkeit
Bleibt jede „Weltanschauung”
Nur ein Schattenbild von dem,
Wonach die menschliche Erkenntnisinbrunst
Tief im tiefsten Innern trachtet!
Das Wirkliche
Läßt sich in kein gedankliches Gebilde
pressen!
Da es das Sein in allem Seienden: ‒
Das Leben allen Lebens ist,
Kannst du es nur im eigenen Sein erleben
Sobald du, suchend in dir selbst,
Des Seins bewußt, das dich belebt,
Dir selbst lebendig wirst!
*
Stets wird später hochgeehrt,
Was der Tag dem Tag verwehrt!
Was die Früheren verlachten,
Wissen Spätere zu achten! ‒
Nichts bleibt wie es ist auf Erden, ‒
„Heute” muß stets „Gestern” werden!
*
Die Väter fuhren auf dem Meer
Und kannten Fährnis, Flut und Riffe,
Als euch, noch säugend, trug einher
Die Mutter, spähend nach dem Schiffe.
Wollt ihr nun selbst das Meer befahren,
So seid nicht töricht und vermessen: ‒
Fragt, wie ihr
meidet die Gefahren,
Denn niemals solltet ihr vergessen,
Daß lang vor euren Erdentagen,
Die Segel schon in Stürmen lagen.
*
Wenn ihr „nicht werdet wie die Kinder”,
Wird eurer keiner je zum Finder!
Doch: ‒ birgt er ihn nicht bei den Alten,
Wird keiner seinen Fund behalten!
Jugend schafft Wertes nur im Warten!
Jugend ist keimbereiter Garten!
Nur bei den Alten reifen die Früchte!
Der Jugend verderben sie lüsterne Süchte!
Jugend kann niemals sich selbst gestalten,
Findet sie Former nicht bei den Alten!
Jegliches Volk wird sich selbst zum Vernichter,
Bleiben die Alten nicht seine Richter!
*
Jede Jugend ist nach Lob begehrlich,
Kann sich nie genug gewürdigt sehen.
Ob der Lober Schalk ist, oder ehrlich, ‒
Das zu scheiden, wird sie nie verstehen!
*
Die Ältesten des Volkes
Müssen erneut zu Ehren kommen!
Törichte Schwätzer haben
Den Alten den Ruf genommen,
Haben zerschwätzt, was alle Zeiten wußten:
Daß alle Reiche untergehen mußten,
Die an den Rat der Alten
Sich nicht mehr kehrten,
Vorlauter Jugend Torheit
Nicht mehr wehrten.
Denn jeder neuen Jugend muß die Zeit
verwahren,
Was sie ihr einst zu geben haben wird
In hohen Jahren!
*
Die ihr eigen Nest beschmutzen,
Bringen sich mitnichten Nutzen.
Die jedoch den Stamm verderben,
Müssen mit dem Baume sterben.
Er, der einst ihr Nest getragen,
Wird sie selbst im Fall erschlagen. ‒
*
So vieles glaubt man heute schon errungen,
Was auch Jahrtausende noch nicht errungen
sehen werden.
So vieles glaubt man heute längst gelungen,
Was nie und nimmer uns gelingt auf Erden.
Nur voll Enttäuschung wird man einst er‐
fahren,
Wie ferne man dem schon gewiß Vermeinten
war, ‒
Und unerfreut wird man zuletzt gewahren:
Daß jede Zeit sich ihre Illusion gebar!
*
Bei Kampf und Minne und Reigentanz
Gehört sich die Jugend in Kraft und Glanz.
Hier haben die Alten sich wegzuheben, ‒
Was sie einst lebten: hier will es jetzt leben. ‒
Hier will sich Leibes Anmut zeigen
Bei Trommel, Klarinett' und Geigen, ‒
Hier will sich Mut und Heldenkraft
Erweisen in hoher Leidenschaft. ‒
Was aber kämpfend zu erringen,
Zeigt meist der Alten Deuten und Singen,
Denn nur in Jahren und wieder Jahren
Sichert sich wissendes Erfahren. ‒
Die klar nun im Buche der Zukunft lesen,
Waren vor Zeiten auch Junge gewesen!
Soll sich das Volk den Enkeln erhalten,
Braucht es die Jungen wie die Alten!
*
Nur bei den Alten sucht mir die Weiser,
Die, als ein Rat der heimlichen Kaiser,
Hoch über Herde und Weide thronen,
Keiner allmenschlichen Gier mehr fronen.
Doch nicht die Jahre nur, die der Denker
Müssend durchlitten, bestimmen den Lenker,
Weiß er nicht alles erfahrene Leben
Ewiger Seele zu eigen zu geben: ‒
Nur der sich selbst an die Seele verloren,
Ist als der Zukunft Former erkoren!
*
Glaubt nicht, das Strahlende sei heute über‐
flüssig!
Der Sonne Wärme ist von ihrem Lichte nicht
zu trennen. ‒
Seid ihr auch heute eigenen Strahlens über‐
drüssig,
So sollt ihr doch im Glanz die Kraft erkennen!
Wißt ihr auch euren Kindern nicht zu geben,
Was eurer Väter Väter einst den ihren gaben,
So ehret doch das Wenige im Leben,
Was wir an altem Glanz noch übrig haben!
*
Wir gehen einer neuen Welt entgegen, ‒
Wenige ahnen, wo wir alle schreiten!
Wahn weiß noch Träume zu erregen,
In denen Tausende sich selbst entgleiten...
Die ungezeugten Lenker aber geben nicht
verloren
Was je ihr Fühlen schon als reif erfühlte, ‒
Auch wenn sich, was aus Geist zum Licht
geboren,
In zähen, toten Erdenschlamm verwühlte.
Wer ihrer Hilfe sich nicht toll entzieht,
Erreicht das Ziel, ‒ auch wenn er es noch
flieht!
*
ENDE
AUFERSTEHUNG
Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG, Zürich
Der bürgerliche Name von Bô Yin Râ war
Joseph Anton Schneiderfranken
2. Auflage
Die erste Auflage erschien
im Richard Hummel Verlag, Leipzig 1926
©
Copyright 1959 by
Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG, Zürich 48
Alle Rechte vorbehalten
Printed in Switzerland by
Schellenberg-Druck, Pfäffikon ZH
ES wird kaum besonderer Rechtfertigung be‐
dürfen, wenn ich das Titelwort des ersten
der hier folgenden zwölf Kapitel zum gleichsam
symbolischen Titel des ganzen Buches erhebe.
Was hier gegeben wird, soll die Seele aus Grabes‐
dunkel und Moderluft zur wahren Auferste‐
hung führen.
Es sind aber viele seelisch begraben, die nicht
einmal ahnen, dass sie Verwesung umgibt, dass
Gruftgemäuer sie umschliesst. ‒
Andere wieder geraten unversehens tiefer und
tiefer in die Nacht des Todes, da sie in törichter
Lüsternheit sich anziehen lassen, das phospho‐
reszierende Schimmern der Fäulnis und Zerset‐
zung aus möglichster Nähe zu betrachten, bis
bald kein Ausweg mehr zu finden ist, der sie zu‐
rück zur Helle des Tages führen könnte.
So wird es nötig, dass heller Fackelschein den
Gefährdeten deutlich zu Bewusstsein bringe, wo
sie sich befinden.
Nicht minder vonnöten ist es, Arglosen zu zei‐
gen, dass sie Grabkammern betreten wollten,
in der Meinung, verborgene Tempel entdeckt
zu haben.
Doch damit genug der bildhaften Worte!
Ich glaube, der Sinn dieses Buches wird sich
jedem unbefangenen Leser ohnehin offenbaren
und man wird verstehen, weshalb ich die ein‐
zelnen, in sich selber abgeschlossenen Teile in
der gewählten Folge aneinanderreihte.
Wer das Buch in sich aufnimmt, wie es aufge‐
nommen werden will, der wird sicherlich nicht
beklagen, es gelesen zu haben, ‒ ja, ich glaube:
er wird es alsdann noch
oftmals lesen, bis er zu
jener «
Auferstehung» erwacht, die weder un‐
begreifliches Wunder, noch willkürliche Gnade
ist, sondern
eines jeden Erdenmenschen
geistgesetzte Berufung!
ES gibt wahrlich Wahrheiten, die aller Zeit
entrückt, wie ewige Sterne in das dunkle
Dasein des Menschen der Erde strahlen, um ihm,
dem Gottentfernten, von jenem Lichte zu kün‐
den, dem er selbst, nach seiner Geistigkeit, ent‐
stammt.
Wohl denen, die da, gebunden an Mühsal und
Erdenfron, noch ihren Blick zu erheben wissen
zu jenen überweltlichen Höhen, aus denen sol‐
ches wundersame Licht sie erreichen kann, um
ihre Herzen mit seinem ewigen Glanze zu er‐
füllen!
Alle Düsternis der Erde wird vor dem, der von
solchem Lichte erfüllt sie durchwandelt, wei‐
chen, und wo vordem graue Gespenster schreck‐
ten, werden die Engel des Himmels ihm lichten
Weg bereiten! ‒ ‒
Gar vielen aber hat die harte Not den
Mut be‐
nommen, von der Erde
aufzublicken, und sie
fürchten allzusehr, den
sicheren Boden unter
den Füssen zu verlieren, wenn je die Sehnsucht
sich in ihnen regt, das Haupt emporzurichten.
Es tönen Stimmen zu ihren Ohren, die da rufen:
«
Erdgebannte seid ihr und gefesselt in der
Erde Hörigkeit!
Entsaget dem Wahn, dass euch aus lichter
Höhe Hilfe werden könne.
Glaubt eitlen Sagen nicht, die euch von
einem
Reich des Geistes künden wollen, das
nur Erdichtung törichter Schwächlinge ist, die
so wie ihr durch dornichte Wüste schreiten
mussten und ihrer blutenden Füsse schwärende
Wunden dadurch zu vergessen suchten, dass sie
sich selber solche Mär ersannen!»
Wie mancher liess sich schon durch dieser Stim‐
men überlautes Gekrächze beirren, und wagte es
fortan nicht mehr, auf hohe Hilfe zu hoffen, so
dass ihm seines Erdenlebens Tage nur lichtes‐
leere Qual und sinnloses Opfer wurden...
Und dennoch hätte auch ihm des Geistes Licht
Erlösung bringen können; dennoch hätte auch
er die Finsternis, die ihn umgab, alsbald
erhellt
gefunden, wenn er nur selbst den Strahlen
sich
eröffnet haben würde, die aus des
Geistes
Reich ihn zu erreichen suchten. ‒ ‒
*
Da war einst einer, der «Auftrag» von seinem
«
Vater» hatte, von dem er sagte, dass er
«
grösser» sei als er, und der da sprach:
«
Ich bin die Auferstehung und das Le‐
ben:
wer an mich glaubt,
wird leben,
wenn er auch gestorben ist:
und jeder,
der da an mich glaubt,
wird nicht ster‐
ben in der Ewigkeit!»
Er hatte wahrlich nicht von einem starren
Be‐
kenntnis gesprochen, sondern von
sich selbst
und von dem, was
er selber war, und deutlich
genug war sein Wort: dass er «die Seinen»
kenne, wie die Seinen ihn!
Noch aber wissen die meisten nicht,
wer dieser
war, der also sprechen durfte, ‒ wer da die
«
Seinen» sind, zu denen er sich zählte, und
wer der «
Vater», der ihm Auftrag gab...
Noch hat die Welt nicht erkannt, wie tief die
Gründe seiner Rede gingen, wenn er sprach:
«Wer
mich nicht
liebt, der
tut nicht nach
meinem Wort: und das Wort, das ihr hörtet,
ist
nicht mein, sondern des
Vaters, der mich
sandte!» ‒ ‒
Sein
Dasein aber war seine «Lehre», und sein
Leben war Lösung aller Rätsel, die des Men‐
schen Erdendasein birgt! ‒ ‒
Doch nur, wer zu
lieben weiss, was hier in irdi‐
sche Erscheinung trat, wird diese Lösung in sich
selbst erfahren können! ‒ ‒ ‒
Er, der als der
Grösste aller Liebenden
über die Erde schritt und in seiner Geistgestalt
auch
heute noch in der Erde geistigem Schutz‐
kreise lebt; ‒ er, den die
Liebe hier hält «bis
ans Ende der Welt», ‒
kann keinem je sich
selber offenbaren, der nicht durch
Liebe ihm
sein Herz zu öffnen weiss. ‒ ‒
Der aber, dem er also sich im Herzen offenbart,
wird wahrlich nicht mehr zweifeln, dass auch
ihm die
Auferstehung wird, ‒ die
gleiche
Auferstehung, die dem hohen Meister wurde,
als sein Erdenwerk der
Liebe einst vollendet
war! ‒ ‒ ‒
Lasst alle überklugen Zweifel fahren, die euch
der alten heiligen Kunde strahlend lichte
Wahr‐
heit dunkeln wollen!
Wohl kam diese Kunde erst auf uns, nachdem
gar manche, die sie nachgeschrieben hatten,
ihrer Meinung Wahn in ihr bestätigt sehen
wollten und so die Worte also stellten, wie sie
glaubten, dass sie stehen müssten, weil ihr enges
Denken nicht erfassen konnte, was einst
wahr‐
haft Wissende in solchen Worten kundzutun
sich mühten. ‒
Verzeiht den Törichten, was sie getan, und su‐
chet
selbst den roten Faden aufzufinden, der
euch zurück zur uranfänglich hier bezeugten
Wahrheit leitet!
So mag euch manches Wort wohl als der Späte‐
ren Ersinnung sich bekennen, allein die sternen‐
helle
Wahrheit, die sich
dennoch in der alten
Kunde birgt, wird dann
erst recht zu euren
Herzen dringen.
Ihr werdet sicherlich erkennen, dass dem
Auf‐
erstandenen sein
Leib nichts nützen konnte,
doch wird euch seine
wahre Auferstehung also
nur
gewisser werden, bis
ihr selbst das Zeug‐
nis dessen, der da aus der Erdenbindung sich
erhob, in
euch erfahren werdet! ‒ ‒ ‒
Ich
selbst darf
ihn bezeugen und seine wahr‐
hafte
Auferstehung, so wie ich vom Dasein
der Erdensonne Zeugnis zu geben vermöchte;
und wahrlich weiss, wer mich kennt, dass ich
nicht zu denen zu zählen bin, die irrer Träume
Sklaven und ihres phantastischen Wahns Ge‐
fesselte sind! ‒ ‒ ‒
Jedoch, ich will nicht, dass man solchem Worte
glaube,
bevor man
selbst die Wahrheit mei‐
ner Worte
in sich selbst erlebte!
Ich will nur allen, die in diesen dunklen Tagen
sehnsuchtsvoll nach
Licht verlangen, die
Wege
zeigen, die ihnen jenes hohe Licht der Wahrheit
wieder
selbst erreichbar werden lassen, das
einst den Alten, die in frommer Einfalt suchten
und nicht des Glaubens
Hemmungen erfuhren,
die den Menschen dieser Zeit beirren, ihres Er‐
dendaseins Pfade hellte! ‒
Tausenden durfte ich hier Helfer sein; aber noch
liegen Tausende in tiefem Schlafe und harren in
angstvollen Träumen der Erweckung!
Noch wissen viele nicht, dass sie
sich selbst
Gewissheit schaffen können und dann auf Erden
schon ein Wunder in
sich selbst erleben, das
alles übersteigt, was jemals Wundersehnsucht
Menschen glauben liess. ‒ ‒
Sie zu
erwecken sollen meine Worte dienen,
auf dass allen einst die Wahrheit sich selbst be‐
kunde, ‒
die Wahrheit von des «
Men‐
schensohnes»
Auferstehung! ‒ ‒ ‒
Wer sie nicht
in sich selbst erlebt, dem wird
sie zeitlebens nur fromme Mär, oder «Glaubens‐
artikel» sein.
Er wird kaum fassen können, dass die Wunder‐
sucht der Alten höchstes
Geistgeschehen um‐
zudeuten wagte in eine
irdisch-greifbare Be‐
gebenheit...
Erst wenn er
in sich selber «auferstanden»
ist, wird er die
Wahrheit schauen, die erster
Anlass solcher Bildgestaltung wurde.
* *
*
GAR wenig nur weiss zumeist der Weise
von dem, was man auf Erden «Wissen»
nennt.
Ihm ist eine andere Weise des Wissens kund,
die wohl recht vielen, die auf dieser Erde hier
zu «wissen» meinen, unbekannt und uner‐
klärbar bleibt.
Nach solcher Weise aber weiss er mit Gewiss‐
heit, dass da so manches, was der irdische Ver‐
stand ein «Wissen» nennen mag, an einem gar
dünnen Spinnwebfaden hängt und nicht mehr
«wahr» und «richtig» ist, sobald dieser Faden
reisst. ‒
Und dieser Faden wird einst reissen für jeden
einzelnen!
Jene aber, die dann um dieses einzelnen Leich‐
nam stehen, werden nicht verstehen können,
dass für den, der noch vor kurzem ganz nach
ihrer Weise lebte, der Faden gerissen ist,
an dem all ihr erdenhaftes Wissen nach wie vor
noch so scheinbar sicher hängt...
Sie ahnen nicht, dass für ihn, dessen starre
Erdenhülle hier zurückblieb, nun alles, was an
ihrem Spinnwebfaden für sie noch hängen
blieb, hinunterstürzte in einen finsteren Ab‐
grund, allwo es der Strom des Vergessens hin‐
wegspült, wie alles Verbrauchte, das zu Moder
und Fäule wird, nachdem es seine Dienste ge‐
leistet hat. ‒ ‒
...Der da die Erde hinter sich liess, will zwar
nach wie vor
wissen, aber da ihm nun das vor‐
her Gewusste für immerdar versank, so sucht er
alsbald nach einem
anderen Wissen, das
nicht
an einem dünnen Faden hängt und nur Geltung
hat, solange der Faden nicht reisst. ‒
Es wird ihm aber wenig helfen, also wissen zu
wollen, solange er noch geblendet ist vom Schein
des nun
verlorenen Wissens, dessen er einst‐
mals so sicher war...
Es wird ihm gar wenig helfen, dass er nach dem
neuen Wissen
auf alte Weise sucht...
Er wird so nur ein Wissen erlangen, das
wieder
nur an einem dünnen Faden hängt, wie einst
sein
erdenhaftes Wissen, und ‒ mag auch die‐
ses Wissen, das er so erreicht, für ihn
weit
länger nun gesichert scheinen: ‒ es wird auch
dieser Faden einstmals reissen. ‒
Darum ist es dem Menschen gut, dass er auf
Erden schon erkenne, wie alles Wissen, das
er‐
grübelt und
erdacht wird, nur wie ein Trop‐
fen Tau an jenem Spinnwebfaden hängt, den
die Spinne Vorstellung zwischen «
Nicht‐
mehr» und «
Nochnicht» zu spinnen weiss.
Hat er solches erkannt, dann wird er nicht all‐
zusehr mehr
dieser Art Wissen sich vertrauen,
auch wenn er klug die Macht und Herrschaft
nützen mag, die ihm
dieses Wissen
hier auf
Erden über
Irdisches gibt. ‒
Es wird die Ahnung eines
anderen Wissens
ihm erkeimen: ‒ eines Wissens, das nicht mehr
ab-
hängt von dem Spinnengewebe zwischen
Nicht-
mehr und
Noch-
nicht. ‒
So wird er, ‒ reisst für ihn dereinst der Faden
ab, an dem sein Erdenwissen hing, ‒ bereit ge‐
funden werden, jenes
andere Wissen zu er‐
langen, dessen Fundamente tief im Urgrund
allen Seins verankert sind...
Wahrlich,
solcher Art ist das Wissen
des Weisen schon während seines Er‐
denlebens,
und keiner dünke sich wei‐
se,
der es nicht kennt! ‒
Solche Weise zu wissen, ist
die Weise der
Ewigkeit, wie sie dereinst
allen vertraut wer‐
den wird, auch wenn sie erst nach Äonen fähig
werden sollten, sich über die Weise
vergäng‐
lichen Wissens zu erheben! ‒ ‒ ‒
Alles Wissen der Erde bleibt
ausserhalb seines
Gegenstandes, ‒
im
Wissen der Ewigkeit
aber ist der
Wissende, der
Gegenstand
seines Wissens, und das
Gewusste, in
völliger
Durchdringung.
So nur wird wahrhaft «erkannt»! ‒
* *
*
IST es ein «
Zufall», mein Freund, dass diese
Worte heute vor dein Auge treten, oder
glaubst du, dass sich «
Gesetz» erfüllt haben
müsse, damit dies nun möglich geworden sei? ‒
Ich fürchte, dass deine Antwort gar sehr bedingt
sein wird durch den Verlauf der Wege, die du
deinem
Denken bahntest, auf dass es durch die
Dschungel irdischen Erlebens finde...
So wirst du mir etwa sagen können, für dich sei
«
Zufall» nur
verhüllte Gesetzmässig‐
keit, aber vielleicht mag auch deine Antwort
lauten,
dass es dir ferneliege, hier ein
Ge‐
setz zu vermuten.
Diese wie
jene Antwort lässt sich begründen,
und doch wirst du weit entfernt von letzter
Ge‐
wissheit sein. ‒
Gewissheit aber ist hier wahrlich
erstrebens‐
wert, wenn jemals du dahingelangen willst,
dein irdisches Erleben sicher zu
deuten. ‒
Möge aus meinen Worten dir nun Gewissheit
werden!
Es sind recht bekannte Dinge, die hier erst be‐
rührt werden müssen, denn zuvörderst braucht
es Klarheit darüber, was wir unter den Worten
«Gesetz» und «Zufall» verstanden wissen wol‐
len.
...«
Gesetz» glaubst du
verborgen, oder
meinst du offenbarlich zu
erkennen in jedem
Ablauf irdischen Geschehens, der dir mit Sicher‐
heit erlaubt, aus einer
Wirkung ihre
Ursache
zu erschliessen, oder von einer
Ursache her
bestimmte
Wirkung zu erwarten.
Wo du jedoch vor einer
Wirkung stehst, die
du dir ebenso auch
anders möglich denken
kannst, weil ihre Ursache
verborgen bleibt,
dann redest du von einem «
Zufall».
Nun kannst du gar wohl zwar eine Ursache
dafür entdecken, dass diese Worte heute dich
erreichen, ja:
eine ganze Kette ursächlicher
Verknüpfung zeigt sich dir, deren letztes, dir
nächstes Glied eben die Wirkung schafft,
dass
diese Worte von dir jetzt gelesen werden.
Doch all dieses Zurückverfolgen einer Ursachen‐
reihe zeigt dir nur, dass alles, was hier auf Erden
geschieht, nicht aus dem Zusammenhang von
Ursache und Wirkung zu lösen ist.
Vergeblich suchst du eine Lücke, in der du dem
«
Zufall» auf die Spur geraten könntest.
Auf Ursache folgt Wirkung, die selbst wieder
neuer Wirkung Ursache bildet, aber an keiner
Stelle entdeckst du den Hebel, der dieses Ge‐
triebe ‒ wie die Erfahrung hinreichend zeigt ‒
gar oft so scheinbar willkürlich
ablenkt, dass
du dir dann selbst mit dem Worte «
Zufall» zu
verbergen suchst, wie unzureichend hier deine
Erkenntnismöglichkeiten sind. ‒
*
Du suchst umsonst, denn
was du suchst ist dei‐
ner
Art zu suchen
verborgen!
Du suchst umsonst, denn was du finden möch‐
test,
lässt sich
dort nicht finden, wo du es ent‐
deckbar glaubst!
Alles was du «
Zufall» nennst, ist
wirklich
ein
Dazugekommenes, ein dem kausalen Ab‐
lauf des Geschehens
Zugefallenes, aus dem
dir unzugänglichen Bereich der
unsichtbaren
Welt, es sei denn, du gebrauchtest das Wort
«
Zufall» nur aus
Aberglaube, oder um stets
eine billige,
scheinbare Erklärung des dir Un‐
erklärlichen zur Hand zu haben. ‒
Wohl ist das «
Gesetz» nicht
aufgehoben,
wo der «
Zufall» in Erscheinung tritt, allein
eine
zweite und
andersartige Reihe von Ur‐
sache und Wirkung ist zu dem dir erforschbaren
Ablauf des äusseren Geschehens
hinzugekom‐
men und übt ihren Einfluss aus, durch den die
einzelnen Ablaufsreihen äusseren Geschehens
sich oft
in sehr wesentlich anderer Weise
kreuzen als dies
ohne solchen Einfluss je er‐
forderlich gewesen wäre...
Was du «
Zufall» nennst, ist nichts anderes als
die Auswirkung dir unbekannter Impulse aus
der unsichtbaren Welt.
Von sehr
verschiedenen Ausgangspunkten
können diese Impulse herrühren.
Sie können geschaffen sein durch dir
unwahr‐
nehmbare Intelligenzen der
unsichtba‐
ren physischen Welt, durch
Menschen, die
gleich dir auf dieser Erde leben, und durch den
Willen hoher
Geisteswesenheiten.
Immer aber ist hinter jedem echten «
Zufall»
ein solcher
Impuls als «Ursache» aus einem
Wirkungsbereich zu suchen, der deinem äusse‐
ren erdenmenschlichen Erkennen verschlossen
bleibt! ‒
Auch im «Zufall» tritt
gesetzmässiges Wir‐
ken zutage, aber es handelt sich hier nicht mehr
nur um die Gesetze, die menschlichem Ver‐
standeserkennen
erforschbar sind.
«
Zufall» ist das Resultat des
Ineinander‐
greifens der Gesetze des
äusseren und des
sinnlich unfassbaren Bereiches der physi‐
schen Welt, wobei jedoch stets ein
Willens‐
impuls die verborgene Auslösung schafft! ‒
Ob solcher Impuls in einer
dir günstigen oder
dir Schaden bringenden Weise wirkt, wird
von seinen
Urhebern abhängen, die vor dir
verborgen bleiben...
Hinter jedem echten «
Zufall» aber wirst du
einen
Willen entdecken können, der bei
ande‐
rem Geschehen
fehlt, und kein Geschehnis soll
dir als «
Zufall» gelten, bei dem sich nicht mit
aller Deutlichkeit ein
Wille hinter dem Ge‐
schehen erweisen lässt!
*
Vielleicht, mein Freund, wirst du nun die Frage,
die ich zu Anfang stellte, doch anders beantwor‐
ten können, sei es, dass du nur den automati‐
schen Ablauf äusseren Geschehens am Werke
siehst, oder sei es, dass du mit Recht von einem
«Zufall» reden kannst!? ‒
Du wirst zum mindesten nicht mehr
im Zwei‐
fel sein können, was du antworten sollst!
Doch war die Frage von mir nur um des
Bei‐
spiels willen aufgeworfen worden und es
kommt deiner Antwort, wie du selbst leicht er‐
sehen wirst, hier keine weitere Bedeutung zu.
Nicht unwichtig aber wird es für dich sein,
wenn du hinfort in besonderer Weise auf die
«
Zufälle» deines Lebens
achten lernst.
Es sind die einzigen Anzeichen für dich, aus
denen du auf die Art der Einflüsse aus dem Un‐
sichtbaren schliessen darfst, die dir in diesem
Erdenleben zuströmen mögen.
Strebst du, deiner eigenen Willensrichtung nach,
bedenklichen Dingen zu, dann wird dir der
«
Zufall», gelenkt durch die niederen Intelli‐
genzen der
unsichtbaren physischen Welt,
alsbald die Wege ebnen, die dich zu
Schuld
und
Frevel führen, und jeder Tag wird dir
neue, ungesuchte
Versuchung bringen. ‒
Bist du jedoch bereits auf dem
Wege zum
Geiste angelangt, so wirst du auch da auf
Schritt und Tritt dem «
Zufall» begegnen, doch
hier gelenkt von den hohen, liebenden Führern
aus der
Geisteswelt, die dir auf solche Weise
gar manches nahezubringen wissen, dessen du
auf deinem Wege, hier in der Aussenwelt, für
dein
geistiges Entfaltetwerden,
bedarfst. ‒
Ein jeder «
Zufall» stellt dich unerwartet auf
die
Probe und es wird sich zeigen,
wohin du
dich selber stellst, je nachdem du
ablehnst
oder
aufgreifst, was er dir nahebringt. ‒
Auch dort, wo dir der «Zufall» als
Schützer
naht, und wo du erst
später erkennst, was du
ihm zu verdanken hast, wirst du deinen Wert
erweisen können, indem du nicht achtlos an sol‐
chem Begebnis dir genügen lässt, sondern aus
ihm dich zu
belehren weisst. ‒ ‒
Je mehr du den «
Zufall» in deinem Leben
be‐
achtest, desto
bedeutsamer wird er für dich
werden! ‒
Je mehr du zu
nützen weisst, was er dir bringt,
desto mehr wirst du vom «
Zufall» zu
erwar‐
ten haben! ‒ ‒
Was niemals der automatische Ablauf des «
Ge‐
setzes» für dich vorbestimmt zeigen würde,
kann durch einen «
Zufall» in dein Leben
treten...
Möge dir reichlich «zufallen», was dir
Segen
bringt!
* *
*
ES
gibt in diesen Tagen schier unzählige
Menschen, denen zu Bewusstsein kam, dass
aller Inhalt, den sie ihrem Leben zu geben such‐
ten, nur
zeitweilige Erfüllung war.
So suchen sie nun nach einem anderen,
blei‐
benden Inhalt, und ahnend erfühlen sie, dass
solcher
unverlierbarer Inhalt auch irgendwie
zu erlangen sein müsse, ja, dass andere ihn zu
allen Zeiten und selbst in jeder, noch so schwie‐
rigen Lebenslage zu erlangen
wussten.
Es ist nur allzu verzeihlich, wenn man nun
glaubt, der ersehnte
bleibende Lebensinhalt
könne doch wohl nur auf gleiche Weise wie alles
andere erlangt werden, das man allhier auf Er‐
den zu erlangen wusste.
Man wähnt, es handle sich nur darum, ein ver‐
borgenes
Wissen wieder auszuschürfen und ist
des irren Glaubens, dass man alsbald den er‐
sehnten Inhalt des Lebens besitze, sofern man
nur um die verborgenen Dinge
wisse, die an‐
scheinend jenen nicht unbekannt waren, deren
Leben eben diesen Inhalt umschloss.
Ursache und
Wirkung werden törichterweise
hier
verwechselt! Wohl würde der gesuchte
Lebensinhalt auch zu einem neuen
Wissen
führen, aber niemals kann er durch Gewusstes
vermittelt werden. ‒
Daher ist es wahrlich
vergebliche Mühe,
wenn sich der Suchende anschickt, alle Bücher‐
kammern durchzustöbern, verstaubte Nieder‐
schläge früherer Zeiten zu erforschen, und sich
von jedem Mystagogen dieser neueren Tage, ‒
durch krause Wahngebilde irdisch-allzuirdischen
Denkens berückt, ‒ willig am Narrenseil führen
lässt, in der Meinung, jenes «Wissen», das nur
Willenswandlung geben kann, sei zu erlan‐
gen, wie das Wissen um die Dinge dieser Erde! ‒
*
Unzählige
Konventikel sind entstanden aus
der Sehnsucht der Suchenden, den erahnten In‐
halt ihres Lebens zu finden.
Gutgläubige Schwärmer, wilde Phantasten, aber
auch sehr bewusste Menschenfänger sind in sol‐
chen Kreisen zu der Stellung gelangt, die sie
anderswo in der Welt vergeblich zu erlangen
suchten.
Immer wieder führt die vage Hoffnung, am Ende
doch das Gesuchte zu erreichen, diesen Zirkeln
neue Anhänger zu, und die Versprechungen der
sogenannten «Führer» sorgen dafür, dass so
mancher Suchende
auch dann noch ausharrt,
wenn ihm schon längst sein Inneres sagt, dass
er wahrhaftig Besseres mit seiner Kraft, seiner
Zeit und seinem Gelde beginnen könnte. ‒
Vergebliche Mühe, jemals den gesuchten
bleibenden Lebensinhalt in solcherlei Konven‐
tikeln finden zu wollen!
Zeitweilig wird freilich so mancher Suchende
betört, und es fehlt auch nicht an solchen,
denen in dem Schwall der grossen Worte alle
Selbstkritik abhanden kommt, so dass sie
nicht mehr fähig sind, zu merken,
wie sie
sich betrügen.
Die Geste unnahbarer Überheblichkeit der
«Führer» ward ihnen sicherste Gewähr der
Wahrheit. ‒
Aber vergeblich wird man unter «Führern» und
Verführten auch nur
einen suchen, der
wirk‐
lich jene eine
letzte Gewissheit in sich er‐
langte, die alles Sehnen nach dem erahnten,
bleibenden Lebensinhalt stillt! ‒
Ich darf wohl sagen, dass es
keinen dieser hier
gemeinten Konventikel gibt, wie immer sie sich
auch benennen mögen, aus dem nicht schwer
und bitterlich
Enttäuschte einstmals zu mir
kamen, mir ihr Leid zu klagen.
Viele Bände würden nicht genügen, alles aufzu‐
zählen, was diese arg Geschädigten mir zu be‐
richten hatten.
Oftmals sträubte ich mich, das Erzählte zu
glauben, bis ich
Dokumente erhielt, die selbst
das Berichtete
noch weit überboten...
Wie konnten, so fragte ich mich,
gebildete
Menschen, oft solche mit
wissenschaftli‐
chen Graden, derartiger Narrheit, derartig
verantwortungsloser Seelenfängerei zum Opfer
fallen?!
Und mit Beschämung wurde mir bekannt, dass
man schon jahrelang den Irrtum oder den Trug
durchschaute, aber nicht die Kraft gefunden
hatte, denen, die ihn längst von
aussenher er‐
kannten, nun zu
gestehen, dass man all die
Jahre her sich durch den Irrtum seiner Wegge‐
nossen, oder gar die Unverfrorenheit angeblich
«wissender Führer» habe betören lassen. ‒ ‒
Entsetzliche Bilder des Zusammenbruches ha‐
ben sich so vor meinen Augen entrollt, und
schaudernd musste ich sehen, wie furchtbar die
Folgen sind, die eine unfassbare
Leichtgläu‐
bigkeit auf der
einen, und eine nur durch
Selbstbetrug noch erklärbare
Unverant‐
wortlichkeit auf der
anderen Seite verur‐
sachen können...
*
Aber nicht nur aus
Konventikeln kommen
die Enttäuschten, die nach jahrelangem Suchen
endlich resigniert erkennen, dass sie sich betro‐
gen hatten.
Es gibt noch mancherlei
andere Weise, sich
vergebliche Mühe zu bereiten und sich vom
Ziele seiner Sehnsucht täglich mehr zu
entfer‐
nen, während man ihm gar mit Riesenschritten
zu
nahen glaubt.
Von alledem habe ich an anderem Orte genug‐
sam gesprochen; vor alledem wurde genugsam
gewarnt! ‒
Allzu unscheinbar,
allzuwenig vom
Hauche des Mysteriösen umweht, ist für
viele der schlichte Pfad, der
allein das Ge‐
suchte
finden lässt...
Hier aber sei jetzt noch die Rede von einer be‐
sonders törichten Art, in der nur allzu viele
Suchende Kraft, Zeit und Geld verschwenden,
von einer enttäuschten Hoffnung in die andere
gejagt, bis endlich denn doch die grosse Ernüch‐
terung kommt.
Ich meine das wilde und meist auch wahllose
Verschlingen aller erdenklichen Bücher und
Schriften, die irgendwie das okkulte Gebiet be‐
rühren, oder auch nur durch den Titel Auf‐
schluss über okkulte Dinge versprechen.
Doch will ich keineswegs das Missverständnis
aufkommen lassen, als hielte ich
jegliche Lek‐
türe dieser Art für bedenklich.
Keiner aber, der die Verhältnisse einigermassen
kennt, wird mir Unrecht geben, wenn ich sage,
dass es wohl auf wenigen Gebieten der Literatur
so viel und
so ausgeprägten Schund gibt,
als unter den Büchern und Schriften, die sich
mit der Darstellung okkulter Dinge befassen.
Die in Rede stehende Materie selbst bringt das
mit sich.
Es handelt sich um Dinge, über die noch zu jeder
Zeit
nur einige wenige auf Erden
sicheren
Aufschluss geben konnten, über die aber auch
zu jeder Zeit
unzählige, aus eigener krauser
Phantasie, weitschweifig zu
fabeln wussten.
Gefährlich wird die Sache dadurch, dass nur
der Kundige feststellen kann, wo von Dingen
gehandelt wird, die eine, wenn auch oft schwer
noch kenntliche, reale Grundlage haben, und wo
die abstruseste Fabelei beginnt.
Eine weitere Gefahr besteht in der Tatsache,
dass es unzählige Bücher auf diesem Gebiete
gibt, die nichts anderes darstellen, als Lese‐
früchte aus vier oder fünf anderen, so dass eine
scheinbare Bestätigung entsteht, der sehr oft
Neulinge zum Opfer fallen.
Die dritte Gefahr sehe ich darin, dass mancher
an sich sehr beachtliche Autor zwar mit gutem
Recht nur das Resultat seiner eigenen, spekula‐
tiv erworbenen Erkenntnis darbietet, aber,
durchdrungen von der vermeintlichen «Richtig‐
keit» seiner Darlegung, in eine Tonart verfällt,
die den Leser leicht zu dem Glauben kommen
lässt, als sei von unumstösslich gesicherten, nur
überaus wenigen jederzeit zugänglichen Ein‐
blicken in das Innerste des Seins die Rede.
Jeder, der die Literatur des Okkulten kennt,
wird zu allem, was ich hier als gefahrvoll be‐
zeichne, Beispiele in Menge finden.
Aber der Suchende kauft und kauft, und trägt
womöglich in jeder Rocktasche ein Traktätchen
bei sich, das ihm als unantastbares «Evange‐
lium» gilt.
Unbeschreibliche «Bibliotheken» werden auf
diese Weise gesammelt, und jede aufkommende
Unbefriedigung wird schleunigst durch den Er‐
werb eines
neuen Schmökers erstickt.
Nehmen wir aber nun auch ruhig einmal an,
ein jedes dieser oft so entsetzlich nach «Ge‐
schäft» im
übelsten Sinne riechenden Bücher
enthielte die lauterste Wahrheit.
Dann wäre der Inhalt möglicherweise mehr oder
weniger wertvolles Studienmaterial und könnte
dazu dienen, das Wissen des Lesers zu erweitern.
Vielleicht auch könnte er einen Wink empfan‐
gen, wie er sein Suchen nach dem ersehnten
bleibenden Lebensinhalt einzurichten ha‐
be, um einmal zu
erlangen, wonach er be‐
gehrt. Was immer aber der Leser auch erfahren
möge von okkulten Tatsachen und Zusammen‐
hängen, gesetzt es
wäre die letzte Wahrheit, das
kann ihm zwar
Wissensbereicherung, aber
niemals den
ersehnten Lebensinhalt sel‐
ber bringen.
Diesen Lebensinhalt bringt nur die Lehre der
wenigen, die zu allen Zeiten um ihn und die
Weise seiner Erlangung
wussten, und darum
lehren
können, wie er zu erlangen
ist. ‒ ‒ ‒
Es ist dieser Lebensinhalt aber erlangbar für
einen
jeden, einerlei, ob er auf allen Gebieten
des Okkulten Bescheid zu wissen glaubt oder
ehrfürchtig vor dem noch Ungewussten wartet,
bis es die Natur selbst enthüllen will. ‒
Zum mindesten sollte man wissen, dass alles
Eindringen in geheimnisumschleierte Vorgänge
nur dann erspriesslich ist, wenn es zu vermehr‐
ter
Ehrfurcht vor dem auch
weiterhin noch
Verborgenen führt. ‒
Wesentlich wichtig ist aber für den Men‐
schen
nur, dass er von
jenen Zusammenhän‐
gen erfahre, die ihn bewegen können,
sein ei‐
genes Leben umzugestalten, so dass er für
die Hilfe aus dem Reiche des Geistes endlich
erreichbar wird, die ihn hier auf Erden schon
zu seinem
ewigen Bewusstsein erhebt. ‒ ‒
Dieses
ewige Bewusstsein ist nicht nur ein
neuer Bewusstseins-
Inhalt, sondern zugleich
eine neue
Art, bewusst zu
sein...
Hier kann nichts mehr
von aussen her kom‐
men und jede Bestätigung findet der Mensch,
nachdem er solches
Bewusst-
Sein erlangte,
fortan
in sich selbst. ‒ ‒
Auch die
Lehre wird gegenstandslos, sobald
man das Ziel
erreichte, denn nun ist alles, was
sie erst in
Worten nahebringen musste,
ewige
Gegenwart und
jederzeit bewusst. Der
erahnte und so sehr ersehnte Lebens-
Inhalt ist
für immer
gefunden! ‒
Vergebliche Mühe war es, ihn
erdenken
zu wollen!
Vergebliche Mühe war es, ihn zu suchen in
alten Folianten!
Vergebliche Mühe war es, sich «
blinden
Blindenleitern» zu vertrauen!
Vergebliche Mühe endlich war es, den blei‐
benden Inhalt des Lebens, der ein neues
Sein
ist, erlangen zu wollen durch vermehrtes
Wis‐
sen von den geheimnisvollen Dingen, die Natur
uns dicht verschleiert hält, und die für uns
zu‐
nichte werden mit
gleichem Tage, an dem
die Sinne unseres Erdenkörpers einstens
ihren Dienst versagen müssen! ‒ ‒
* *
*
DIE seltsame Lust, sich hinter einer Maske
zu verbergen und in vermummter Gestalt
allerhand Unfug zu verüben, darf sich bekannt‐
lich zu einer gewissen Zeit des Jahres unge‐
hemmt austoben, und wo dies mit Witz und
gutem Humor geschieht, dort lässt man solches
tolle Spiel gerne an sich vorüberziehen, auch
wenn man selbst nicht die mindeste Neigung
verspürt, etwa daran teilzunehmen.
Es ist ja nur eine kurze Spanne Zeit, in der die‐
sem Treiben Freiheit gewährt bleibt, und ernste
Tage gibt es immer noch genug.
Bedenklich wird der Trieb zu Maske und Mum‐
menschanz erst dann, wenn er sich auch in Le‐
bensbereichen austobt, in denen er wahrlich
nichts zu suchen hat.
Ein solcher Lebensbereich, in dem der Karneval
offenbar
Permanenzrecht geniesst, scheint
der heutige
Okkultismus zu sein,
trotz aller
ernsthaft und ehrlich Suchenden die hier laute‐
ren Sinnes den Rätseln des Daseins eine befrie‐
digende Lösung zu finden bemüht sind.
Man braucht nur die neuere und neueste okkul‐
tistische Literatur einmal durchzusehen ‒ so‐
weit das bei der Überfülle unberufener Produk‐
tionen auf diesem Gebiete zur Zeit noch möglich
ist ‒ um das tollste Fastnachtstreiben zu ge‐
wahren.
Aber dieser wilde Mummenschanz tritt mit der
Ambition auf,
ernst genommen zu werden, und
deshalb wird er für viele zur Gefahr.
Mit ganz unglaublicher Dreistigkeit wird lächer‐
lichstes Gaukelspiel betrieben und denen, die
nicht alle werden, dargeboten als die wahre
«Magie», ‒ mit einer Unverfrorenheit sonder‐
gleichen drapieren sich die Akteure dieses Kar‐
nevalstreibens und verlangen, dass man ihren
Flitterputz als Goldbrokat und echtes Edel‐
steingeschmeide werte.
Wie abgeschmackt und durchsichtig auch der
Trug sich gebärden mag: ‒ stets findet jede neue
Geste wieder ihre Gläubigen.
Wären es nur die
geistig Unmündigen, die
hinter jedem Harlekin herlaufen, der mit seiner
Narrenpritsche auf den Zaubersack klopft und
behauptet, da drinnen trage er den «Stein der
Weisen», dann liesse sich das noch allenfalls be‐
greifen, aber fast unbegreiflich bleibt es, dass
sich nur allzuoft auch Leute einfangen lassen,
die sich sonst bei jeder Gelegenheit mit ihrer
kritischen Skepsis brüsten. ‒
Wo ist die
Ehrfurcht vor dem
Weistum der
grössten Menschengeister, die je über
diese Erde schritten, wenn man sich betören
lassen kann, zu glauben, dass irgendein obsku‐
rer Abenteurer um die
Geheimnisse wisse, die
zu ergründen jene Grossen sich mühten ihr gan‐
zes Leben lang, und die sie nur denen offen‐
barten, die sie
verstehen konnten!?
Glaubt man denn
wirklich, die Weisheit sei in
diesen Tagen so
billig geworden, dass man sie
nun im Ausverkaufsstil der Warenhäuser «ver‐
ramschen» müsse, um sie noch an den Mann zu
bringen?! ‒
Gibt es wirklich heute Gehirne, die den Gedan‐
ken ertragen, dass der
Seele Einigung in
Gott erlangbar sei durch
okkultistische
«
Übungen» irgendwelcher Art, und denkt man
wirklich so gar gering von denen, die einst
solche Einigung
erlangten, dass man ver‐
meint, ihr heimlichstes Tun sei nun enthüllt,
weil irgendein geldbedürftiger Traktätchen‐
schreiber behauptet, er habe es als Auserwähl‐
ter, unter mehr oder weniger mysteriösen Um‐
ständen ganz genau erfahren?!?
Fast möchte man glauben, dass jede Spur ge‐
sunder Urteilsfähigkeit den meisten Menschen
abhanden kommt, sobald sie sich auf das «ok‐
kulte» Gebiet begeben...
Hier wird alles für
bare Münze genommen,
was auf den ersten Blick als
wertlose Spiel‐
marke kenntlich würde, vertraute man nicht
allzusehr den bramarbasierenden, wichtigtuen‐
den Redensarten dessen, der einem solchen nich‐
tigen Tand als vollwertig echtes
Gold aufzu‐
schwatzen sucht.
Es scheint keine Grenze der Glaubenswilligkeit
zu geben, besonders dann nicht, wenn der an‐
geblich «Eingeweihte» es gar noch versteht,
durch etwelche schöne, von anderen erborgte
Worte, jede Frage nach seiner eigenen ethischen
Qualität zurückzudrängen.
Wird auch noch ein möglichst breites
Wissen
vorgetäuscht, das Ahnungslose glauben machen
soll, es rede einer zu ihnen, der alle Wissen‐
schaft beherrscht, dann kann sich verantwor‐
tungslose Charlatanerie schon so ziemlich
alles
erlauben, ohne in ihrer Maske
erkannt zu
werden.
Ein guter Zettelkasten und eine umfangreiche
Bücherkiste mit okkultistischen Schmökern aus
alter und neuer Zeit bilden meist das ganze Um‐
und-Auf des vermeintlichen Wissens eines sol‐
chen Schaumschlägers, und nur die Unbelesen‐
heit seiner Anhänger, soweit es sich um der‐
art fragwürdige Literaturerzeugnisse handelt,
schützt ihn vor der Entlarvung. ‒ ‒
Es ist nicht nötig, hier auf besondere okkulti‐
stische Maskenscherze ausdrücklich hinzuwei‐
sen.
Jeder, der dieses Karnevalstreiben offenen Au‐
ges betrachtet, ohne sich durch verwegene Ka‐
priolen imponieren zu lassen, wird recht bald
um Beispiele nicht mehr verlegen sein, und
wenn es ihn gelüstet, kann er auch
ganze Ka‐
tegorien stets
wiederkehrender Verlarvun‐
gen unterscheiden lernen...
Recht seltsamen Gestalten kann er so im Mum‐
menschanz begegnen, und fehlt es ihm nicht an
Humor, dann wird ihm oft genug ein befreien‐
des
Lachen aus seiner begreiflichen Entrüstung
helfen.
Mitleid und Scham um des Menschen
willen wird den also Betrachtenden aber dann
erfassen, wenn er in dem grotesken Treiben
jenen begegnet, die
selbst an ihre Verlarvung
glauben und nicht mehr wissen, dass sie nur
in einer
Maskenhülle stecken. ‒ ‒
Je mehr man dann diesen ganzen Flitterputz
durchschauen lernt, den manche seiner Träger
gravitätisch ernsthaft tragen, andere in tollen
Gauklersprüngen glitzern lassen, desto mehr
wird man davor bewahrt, nach solcherlei Ge‐
sellschaft Sehnsucht zu verspüren...
Hier ist so recht der Tummelplatz aller Ent‐
gleisten, und mancher, der nun hier in einem
possenhaft zurechtgeputzten Magiermantel seine
klägliche abgeschmackte Rolle spielt, kam nur
zu solchem Tun, weil er im
Alltagsleben ver‐
sagte und kurz vor dem Zusammenbruch noch
Rettung im Bereiche des Okkultismus zu er‐
spähen glaubte.
Not kennt für solche Leute dann tatsächlich
«
kein Gebot», und seien sie anfangs auch
noch so weit entfernt davon, an das, was ihrer
Maske Darstellung von ihnen fordert,
selbst
zu glauben, so bringt doch der Zwang ihrer
Lage es allmählich mit sich, dass sie geradezu
virtuosenhaft den
Eindruck zu erwecken ver‐
stehen, als
seien sie von tiefster Gläubigkeit
durchdrungen.
Auch
das gehört ja zum rechten
Karneval,
allwo bekanntlich die Maske nur dann Erfolg
hat, wenn ihr Träger es versteht, sich selbst
hinter ihr recht sorglich verborgen zu halten.
Würden nicht immer wieder
ehrlich Suchen‐
de durch dieses Treiben irregeführt, dann könn‐
te man ohne Beachtung daran vorübergehen.
Es sind hier aber
Seelen in Gefahr, und wenn
auch wohl für die meisten derer, die oft jahre‐
lang nicht merkten, dass sie in einem steten Fa‐
sching lebten, schliesslich der «Aschermitt‐
woch» mit seiner Ernüchterung kommt, so
bleibt ihnen doch das bittere Wissen, kostbare
Zeit ihres Lebens vertan zu haben, eine stete
Hemmung, auch wenn sie später den einzigen
Weg beschreiten, der sie zur Erfüllung ihres ur‐
anfänglichen Sehnens bringen kann.
Immer wieder sind sie dann genötigt, sich selbst
zu gestehen, dass sie nur durch
eigene Schuld
sich betören liessen, denn hier ist
keiner ohne
Schuld, der sein Urteilsvermögen derart unter‐
drücken liess, dass er den Mummenschanz mit
dem
Weg zur Wahrheit verwechseln konn‐
te. ‒
Wer im Alltagsleben jeglicher Anpreisung Glau‐
ben schenkt, ohne erst zu
prüfen, ob sie auch
Glauben
verdiene, der darf sich nicht bekla‐
gen, wenn er nicht nur den
Schaden, sondern
auch den
Spott ertragen muss.
Um wieviel mehr jedoch ist es Gebot der
Pflicht, erst zu
prüfen, bevor man Folge
leistet, wenn von solcher Folge das Wohl oder
Wehe der Licht und Klarheit verlangenden
Seele abhängig ist! ‒
Es dürfte doch wahrlich nicht allzuviel Scharf‐
sinn nötig sein, um dessen innezuwerden, dass
der
Geist Gottes, der sich dem Menschen‐
geiste
einen soll, nicht durch erlernbare «Me‐
thoden» okkultistischer Geheimniskrämer zu
überlisten ist!?
Auf solche Überlistung durch irgendwelche,
meist
körperliche «Übungen» läuft aber
alles hinaus, was die Karnevals-Kophtas, die
den seligen Cagliostro schäbig genug kopieren,
ihren Nachläufern anzupreisen haben.
Es ist somit nur der Trieb, auf
unrechtmäs‐
sige Weise etwas zu erreichen, das man
auf
geradem Wege zu schwer erreichbar glaubt,
der immer wieder neue Opfer in die Garne eitler
Charlatane lockt.
Und ebenso ist es die Sucht,
Absonderliches
zu erleben, wobei man völlig vergisst, dass
auch der geheimnisvollste Vorgang, der sich mit
Hilfe der
Erdensinne erleben lässt, jeden
Wert
verliert, sobald diese
irdischen Sinne
einst ihren Dienst
versagen...
Wer nicht alles von sich wirft, was ihn ‒ so wie
er ewig im
Geiste Gottes, im steten
Sein
verharren kann ‒ ‒ vor seinem Erdenbewusst‐
sein
verbirgt, der
kann nicht seinem
leben‐
digen Gott sich einen!
Wie dürfte daher ein Mensch jemals erhoffen,
diese
Einigung für alle Ewigkeit herbei‐
zuführen, wenn er sich gar noch mit allerlei
Maskenplunder umhängt!?!
Auf solche Weise kann er nur Kräfte erwecken,
die ihm den
Weg zu Gott derart
verlegen,
dass er für ihn
ungangbar wird, denn nur
der
wirklich Gottgeeinte weiss durch
Geistes‐
kraft die dunklen Mächte
zu bezwingen, die
der Tor aus ihrem Schlafe weckt, weil er ver‐
meint, mit ihrer Hilfe sich zu göttlich hoher
Einsicht zu erheben. ‒ ‒
Nur ahnungslose Unwissenheit mag das Dasein
dieser dunklen Mächte leichthin leugnen wollen.
Wer aber klaren Auges in die Welt blickt, wird
ihren unheilvollen Spuren nur zu oft begegnen.
Selbst kundig jeder Verlarvung, sind sie auch
die wahren unsichtbaren Fadenzieher der Ma‐
rionetten des okkultistischen Karnevalstrei‐
bens! ‒ ‒ ‒
* *
*
SCHON die ältesten Berichte der Mensch‐
heitsgeschichte auf diesem Planeten wissen
von einzelnen Menschen zu erzählen, die zu ge‐
wissen Stunden, bei gewissen Anlässen und an
gewissen Orten «Stimmen» sprechen hörten,
die nur ihnen allein vernehmbar wurden, und
je nach der Tiefe innerer Erkenntnis der Hö‐
renden, je nach der Vorstellungsweise ihres reli‐
giösen Glaubens, wurde solche Einsprache ge‐
deutet.
Für den Hörenden besteht kein Zweifel an der
Tatsache, dass die zu ihm sprechende Stimme
einer anderen und von seiner eigenen sehr deut‐
lich unterscheidbaren Wesenheit angehört.
Mit sicherster Gewissheit würde er die Vermu‐
tung zurückweisen, als ob er etwa nur Zwie‐
sprache mit sich selber führe und so sein eigenes
Denken gleichsam «dramatisiere», obwohl es
auch wahrlich Menschen gibt, die auf solche
Art sich selber inneren Zuspruch schaffen
und dabei des festen Glaubens sind, von irgend‐
einer geistigen Wesenheit belehrt zu werden.
Sicherheit der Unterscheidung wird hier nur
durch eigenes Erleben erlangt, ähnlich so,
wie ja auch wahre Kennerschaft in den Berei‐
chen der
Kunst niemals durch Belehrung allein,
sondern vor allem durch reiche
Erfahrung er‐
worben wird.
Wer des öfteren
wirkliche innere Stimmen in
sich vernahm, der kann sich gewiss nicht mehr
durch
selbsterzeugte innere Einrede täu‐
schen lassen.
Weit schwieriger aber ist es, hinlängliche Sicher‐
heit zu erlangen in bezug auf die
Urheber der
gehörten Stimmen.
Hier ist Leichtgläubigkeit nur allzugerne bereit,
an höchste geistige Urheberschaft zu glauben,
besonders wenn und solange noch die Erkennt‐
nis fehlt, dass es die
verschiedenwertigsten
unsichtbaren Wesenheiten gibt, die sich durch
innere Einsprache bemerkbar machen können.
Menschen, so völlig frei von Eitelkeit und Über‐
heblichkeit, dass sie vielmehr von unbegründe‐
ten Minderwertigkeitsgefühlen fast zu Boden
gedrückt werden, schlagen dann plötzlich ins
Gegenteil um: ‒ fühlen sich als «Werkzeuge
Gottes» und heischen nun gebieterisch von aller
Welt höchste Ehrfurcht auf Grund ihrer ver‐
meintlichen Begnadung, nicht ahnend, dass sie
gerade durch ihr Verhalten auf das deutlichste
den Beweis erbringen, wie trügerisch die inneren
Stimmen sind, denen sie Gehör schenken.
Es ist immer wieder zu beobachten, dass auch
sehr skeptisch angelegte Naturen alle Vorsicht
verlieren, sobald sich jene inneren Erfahrungen,
deren Möglichkeit sie vorher so tapfer in Abrede
zu stellen wussten, bei ihnen selbst ein‐
stellen.
Was auch die im Inneren vernommene Stimme
nun sagen mag, wird blindlings geglaubt, und
am liebsten glaubt man ihr, wenn sie von sich
selbst zu sagen weiss, dass sie einer möglichst
erhabenen geistigen Wesenheit angehöre, ja wo‐
möglich die Stimme der Gottheit selber sei.
Erfolgt dann noch gar die Mitteilung, der Hö‐
rende habe eine hohe «Mission» zu erfüllen und
müsse sich als Auserlesener fühlen, um durch
ein besonders aufgetragenes Werk die Mensch‐
heit zu beglücken, dann ist jede Neigung end‐
gültig behoben, fortan an der inneren Stimme
noch Kritik zu üben, obwohl doch vorerst noch
keine andere Gewissheit erlangt wurde, als dass
tatsächlich eine Stimme sprach, und keinerlei
Gewähr dafür besteht, dass sie auch die Stimme
dessen ist, von dem sie auszugehen behauptet. ‒
Der die innere Stimme Hörende ist aber fast in
der gleichen Lage wie ein Mensch, der einen An‐
ruf durch den ‒
Fernsprecher erhält.
Der Anrufer kann ein ausgemachter Gauner sein
und sich dennoch die höchsten Titel und Wür‐
den beilegen, da er recht wohl weiss, dass er nur
dann Aussicht hat, sein verbrecherisches Ziel zu
erreichen, wenn er sich als eine Persönlichkeit
vorstellt, die das Vertrauen des Angerufenen
besitzt.
Wer aber, ausser einem ganz Betörten, würde
wohl einen folgenschweren Auftrag
nur auf
telephonischen Anruf hin zur Ausführung
bringen?!
Würde nicht jeder halbwegs Vorsichtige sich
erst
Sicherheit zu verschaffen suchen, bevor
er dem Ansinnen sich bequemen könnte, das nur
durch telephonische Anrede eines Unbekannten
an ihn ergangen ist!?!
Auch der in seinem eigenen
Innern Angerufene
sieht den Anrufer nicht und hat keinerlei Mög‐
lichkeit, das ihm solcherart Mitgeteilte auf sei‐
nen Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen, es sei
denn, dass er bereits
unterrichtet worden
wäre über gewisse
Kennzeichen, durch die
jeder Täuschungsversuch sich sofort verrät.
Von den wichtigsten dieser Kennzeichen sei hier
nun in kurzem die Rede!
Erstens:
Wer in seinem Innern eine «Stimme» zu hören
glaubt, die er als Äusserung einer ihm unsicht‐
baren und von ihm selbst deutlich unterschie‐
denen Wesenheit empfindet, der werde sich dar‐
über klar, dass es
unzählbare unsichtbare
Wesenheiten der
verschiedensten Gattungen
gibt, die sich in ihm, bei gegebenen bestimmten
Voraussetzungen, durch ein inneres Sprechen
vernehmbar machen können, und dass die aller‐
meisten
jener Unsichtbaren, die sich am
leich‐
testen zu äussern vermögen, höchst bedenkli‐
cher Natur sind, so dass er alles aufbieten muss,
um nicht unter ihren Einfluss zu geraten. ‒ ‒
Überaus selten wird es sich ereignen, dass eine
wirklich
geistige Wesenheit, die ihrer Art nach
über der erdenmenschlichen Geistigkeit steht,
im Innern des Menschen «spricht», ‒ und
wo
es tatsächlich
geschieht, dort muss die bereits
erreichte
sehr hohe geistige Stufe des Hö‐
renden dazu die
Möglichkeit bieten. ‒
Weiss man sich selbst noch
nicht auf solcher
geistigen Höhe, so lehne man
jede innere
Stimme mit aller Entschiedenheit ab, mag sie
sich auch in der verführerischsten Weise Kredit
zu verschaffen suchen!
Zweitens:
Eine jede «Stimme», die als von einer unsicht‐
baren Wesenheit ausgehend empfunden wird,
ist
sofort zu ignorieren, sobald die mitge‐
teilten Worte nicht nur dem inneren
geistigen,
sondern auch dem äusseren
physischen Gehör
lautbar werden!
Im besten Falle handelt es sich hier nur um
Nervenstörungen nicht ganz leichter Art,
und es ist angebracht, alsbald
ärztliche Hilfe
aufzusuchen. ‒
Ein weit üblerer Zustand aber liegt vor, wenn
es den unsichtbaren Wesenheiten der physischen
Welt bereits gelungen ist, derart ihr armes
menschliches Opfer in Besitz zu nehmen, dass
auch ohne klinisch nachweisbare Nervenstö‐
rungen solche Stimmen als äussere Schall‐
wirkungen vernommen werden. ‒
Hier hilft jedoch kein Kampf, sondern nur
konsequentes und lange Zeit durchgeführtes
völliges Ignorieren!
Jeder Ort und jede Gelegenheit ist zu meiden,
die vordem das Hören solcher Stimmen zu be‐
günstigen schienen!
Die endgültige Befreiung ist gewiss möglich,
aber sie setzt voraus, dass der «Besessene» fort‐
an unter keinen Umständen mehr diesen
Stimmen irgendwelche Beachtung schenkt,
sondern sie ganz wie ein anderes nebensächli‐
ches Geräusch betrachtet.
Besonders hat er sich vor jeglicher Furcht‐
empfindung zu hüten, aber ebenso muss er es
vermeiden, etwa eine feindliche Kämpfer‐
position den Stimmen gegenüber einzunehmen.
Was immer sie ihm sagen oder gar «befehlen»
wollen, muss er unbeachtet lassen, ja: er darf
niemals auch nur über den Sinn ihrer Mittei‐
lungen nachdenken!
Intensive irdische Arbeit, eine
vernünf‐
tige Betätigung in freier Luft,
gute
Geselligkeit, wie überhaupt
möglichstes
Vermeiden des Alleinseins sind recht we‐
sentliche Förderungsmittel zur Befreiung von
der unerwünschten unsichtbaren Parasitenherr‐
schaft.
Jeder, der davon befallen wurde, darf sich glück‐
lich preisen, wenn es ihm durch
ausdauerndes
Ignorieren der Manifestationen endlich ge‐
lingt, wieder
frei und
Herr seiner selbst zu
werden.
Drittens:
Schärfstes Misstrauen ist augenblicklich
geboten, wenn eine innere Stimme etwa einen
Befehl erteilt, oder dem sie innerlich Hörenden
von einer «
Aufgabe», einer «
Mission» spricht,
die er in seinem Leben zu erfüllen habe! ‒
Menschen, die
wirklich eine Aufgabe, eine
Mission oder dergleichen auf Erden erfüllen sol‐
len, erhalten ihren geistigen Auftrag auf eine
sehr wesentlich andere,
recht nüchtern ir‐
dische Art und würden
niemals bereit gefun‐
den werden, auf Geheiss einer «inneren Stimme»
das zu tun, was von ihnen verlangt wird von
denen, die
allein hier des Geistes Bevollmäch‐
tigte auf dieser Erde sind...
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass
jede
innere Stimme
abgelehnt werden muss, die
anderes auszusagen hat, als was zur höheren
geistigen Entfaltung, zur
Klärung der
inneren Einsicht und zum
Besserwerden
des
Hörenden dient!
Niemals wird eine Stimme aus dem ewigen
Reiche des reinen Geistes einen Menschen dahin
beeinflussen wollen, auf seine Mitmenschen in
irgendeinem Sinne einzuwirken!
Nur die geistige
Liebe zu den Mitmenschen
wird sie zur Entfaltung bringen, aber in jedem
Einzelfalle wird sie es
dem innerlich Be‐
lehrten überlassen, nach
seinem Willen
und nach Maßgabe
seiner Kraft aus dieser
Liebe heraus zu
handeln!
Wahrlich kann aber auch
geistige hohe Füh‐
rung sich zur
inneren Stimme verdichten,
die alsdann, in der Sprache des also Geleiteten,
in klarer Rede vernehmbar wird!
Doch stets wird solche Rede nur im
Inner‐
sten: ‒ im
geistigen Organismus des Men‐
schen, ‒ vernommen werden, so, als ob das Un‐
bekannte, das in ihm spricht, nur
sein eigen‐
stes Allerinnerstes wäre, denn nur
durch
dieses eigene Allerinnerste des Menschen ver‐
mögen wirkliche
geistige Wesenheiten sich ihm
auf geistige Weise vernehmbar zu machen! ‒
Durch die grotesken okkultistischen Wahnvor‐
stellungen, die in dieser Zeit allenthalben am
Werke sind, die Gemüter zu verwirren, wird
eine wahre
Sucht genährt, «innere Stimmen»
in sich vernehmen zu wollen, und das Phäno‐
men ist so begehrt, dass man es erleben möchte
um jeden Preis.
Es ist nicht zum wenigsten diese «
Sucht» der
Menschen, die es den Lemurenwesen der un‐
sichtbaren physischen Welt ermöglicht, sich
Geltung zu verschaffen und Veranlasser des so
heiss Gewünschten zu werden.
Nicht anders wie die Parasiten der
sichtbaren
physischen Welt, nisten sich auch jene aus den
unsichtbaren Bereichen am liebsten
dort
ein, wo sie Schmutz und Unrat, oder doch dunk‐
le Moderecken finden. ‒
Wer also
frei bleiben will von dieser unsicht‐
baren Brut, der sorge in sich selbst für
äusser‐
ste Sauberkeit seines
Denkens, seines
Trieb- und
Vorstellungslebens!
Ist er darauf bedacht, dann wird er schwerlich
jener Sucht nach inneren Sensationen verfallen,
die so viele schon zu völliger Zerrüttung führte.
Jene Menschen, die wahrhaft bereitet waren,
wirklich
geistige innere Stimmen in sich zu
vernehmen und somit unter hoher Führung leb‐
ten, hatten
niemals das Hören innerer Stim‐
men in sich
angestrebt, ‒ wohl aber waren sie
in jahrelanger Arbeit an sich selbst bemüht ge‐
wesen,
den Irrtum in sich auszujäten und
ihre Mängel abzutun.
So hatten sie endlich die Stufe erreicht, die es
hoher geistiger Liebe möglich machte, in ihrem
Innersten sich ihnen kundzutun.
Nur diese geistigen Stimmen der
Liebe aber
sind für den Erdenmenschen wahrhaft beglük‐
kend!
Nur
diese inneren Stimmen
können ihn leiten
zu seinem
höchsten Ziel!
Sie kommen
ungerufen und
unverlangt,
sobald der geistig Strebende für sie
erreichbar
ist.
Den Stimmen der
unsichtbaren Lemuren‐
wesen dieser physischen Welt hingegen
ist
jeder Mensch erreichbar, mag er auch auf
niederster geistiger Stufe stehen...
Nur
Abkehr und
völliges Ignorieren kann
vor ihnen
schützen, und hier muss wahrlich
jeder sorgen, dass er diesen Schutz sich
schaffe! ‒
Jeder muss wissen, dass er nur
selber sich
schützen kann, und dass auch die höchste gei‐
stige Gewalt eines
anderen nichts für ihn zu
tun vermag, solange er noch lüstern
spielt mit
der Gefahr. ‒ ‒
Nur
Mut und
Entschlossenheit zur völ‐
ligen Abkehr rufen hier geistige Hilfe herbei,
so sie nötig ist!
* *
*
ZAHLREICHER als alle Religionsgemein‐
schaften auf dieser Erde ist die über die
ganze Welt verbreitete Gemeinde unbewusster
Magier der Furcht.
Sie wissen zwar nicht, dass sie Magie betreiben,
und viele ahnen nicht einmal, dass sie die
Furcht zu ihrer Göttin machten, allein ihr
ganzes Denken, Reden, Handeln macht
es völlig überflüssig, dass sie darum wissen,
was sie tun, dass sie erahnen, wie ihr Glaube
durch die Furcht gebunden ist...
Man hört zwar allerorten grosse Worte hohen
Mutes, und wollte man der stolzen Geste
glauben, die nur allzu viele sicher zu bemeistern
lernten, dann könnte man gar leicht vermuten,
alle Furcht sei aus der Welt verschwunden.
Hier aber wollen hohle Worte, leere Gesten
wahrlich nichts besagen, und wer nur den Mut
der Verzweiflung findet, beweist damit kei‐
neswegs, dass er die Furcht nicht anerkennt!
Wohl mögen auch viele in mancher Hinsicht
wirklich furchtlos sein, und doch sind sie
Sklaven der Furcht, sobald sie das Gebiet
verlassen, auf dem sie sich dazu erzogen haben,
der Furcht zu trotzen. ‒
Selten nur findet man Menschen, die keinen einzi‐
gen Bereich ihres Lebens der Furcht überlassen.
Irgendwo hat fast jeder
irgend etwas zu
befürchten!
In
irgendeiner Weise hätschelt selbst der
Mutigste die Furcht!
Das ist Menschenart von Urzeiten her und erbt
sich weiter von Geschlecht zu Geschlecht!
Keiner braucht sich dessen zu schämen, dass ihn
die Furcht zuweilen überfällt; ‒ dass sie ihn
zwingen will, ihr Höriger zu werden!
Lernen aber kann und
soll der Mensch, sich
solchen Überfalles zu
erwehren!
Erkennen lernen soll der Überfallene, dass ihm
die Furcht nur
Schaden bringt durch
seine
eigene Macht, indem sie ihn zu zwingen weiss,
die magische Gewalt, die unbewusst
ihm eigen
ist, in
solcher Weise zu gebrauchen, dass er
das Unheil
selbst heranzieht, das er fürch‐
tet! ‒
Nie ist die Furcht so leichter Beute sicher, als
in den Zeiten schwerer Prüfung, da keiner weiss,
was ihm der nächste Tag an neuem Übel brin‐
gen mag.
Gewisse Folgen früheren Geschehens las‐
sen sich durch keine Macht der Erde und
des Himmels bannen, und wo einst irriges
Verhalten Unheil vorbereitet hat, dort muss
es ausgekostet werden, ob man sich auch
noch so sehr dagegen wehren möge: ‒ ob man
die tieferen Zusammenhänge zu begreifen
fähig sein mag, oder nicht. ‒
Verführt durch falsche Schlüsse seines Den‐
kens, setzt der Mensch nun selbst die Furcht
in alle Rechte ein und ahnt nicht, dass er so
durch eigene Kraft dem Übel, das er nicht
vermeiden kann, noch hundertfältig Zu‐
wachs schafft...
Willig gibt jeder seine magische Gewalt in den
Dienst der Furcht, und wird er der Wirkung
dann gewahr, so meint er Bestätigung zu er‐
halten für den düsteren Glauben, den die Furcht
in ihm zu wecken wusste.
So ist dann kein Ende des Übels abzusehen,
denn immerfort wird neues Übel magisch
herbeibeschworen! ‒
Urkräftiger Wille, der alles längst zum
Besseren wenden könnte, wird
missbraucht
um die Herrschaftszeit des Übels zu verlän‐
gern. ‒ ‒
Im Banne der Furcht geblendet, glaubt keiner
der vielen, die in solcher Art dem Übel unnötig
Vermehrung schaffen, an
seine eigene ma‐
gische Macht, durch die er in gleicher Weise
dem Übel
Einhalt gebieten könnte, wäre er
nur bereit, die
Furcht zuerst zu verjagen. ‒ ‒
Hier ist nur zu helfen, wenn jeder einzelne nach
aller Möglichkeit in sich zur Einsicht kommt,
dass er der
Furcht nicht länger
Einfluss auf
seine Glaubenskraft gewähren darf.
So aber, wie die Kraft der vielen einzelnen, die
in der
Furcht befangen sind,
Ursache un‐
erhörter Wirkung wird, so wird auch die
Kraft der vielen
übermächtig wirksam,
wenn jeder die Furcht aus sich
verjagt!
Dann wird das Übel eingeengt in seine, durch
früheres Irren bestimmten Grenzen, und neuer
Zuwachs bleibt ihm versagt.
Die Glaubenskraft der vielen, die sich aller
Furcht
entwunden haben, zieht nunmehr in
gleicher Weise nur das
Gute an, wie ehedem
die selbe Kraft ‒ in
Furcht gebannt ‒ nur
Übel angezogen hatte. ‒ ‒
Gar vieles liegt verborgen
im Bereich der
Möglichkeit, das dennoch nie
ins Dasein
tritt, wenn es die
Glaubenskraft des Men‐
schen nicht ins Dasein zieht!
Übel und
Heil lassen so sich erlangen!
Wahrhaftig! Es ist kein leeres Spiel mit Wor‐
ten, wenn ich hier warne vor der
Magie der
Furcht!
Obwohl das Wort «Magie» in dieser Zeit zu
einem blossen Modewort entwertet wurde, lässt
es sich kaum entbehren, wenn man von solchen
Dingen reden will, von denen hier die Rede ist.
Die Alten, die noch die magische Kraft des Glau‐
bens im Menschen
aus Erfahrung kannten,
sprachen von «
weisser» und «
schwarzer»
Magie, je nach der
segensreichen oder
üblen
Wirkung, die durch den Gebrauch der gleichen
Kraft ins Dasein trat.
Heute glaubt man sich gar sehr berechtigt, jener
Alten «Aberglaube» ‒ wie man jetzt ihre Er‐
kenntnis nennt ‒ zu belächeln, und doch trägt
auch heute die Erde
keinen Menschen, der
nicht
mit all seinem Denken,
Reden
oder Tun, tagtäglich und Stunde für Stunde
magische Wirkungen in seinem eigenen Leben
und dem seiner Umwelt zur Auslösung bringen
würde! ‒
Nur
weiss man heute nichts mehr von seiner
Macht und hält für «wirkungslos», was allezeit
und allerorten folgenschwerste Wirkung schafft.
‒ ‒ ‒
Man sucht die
Ursache des Übels in der
Aussenwelt und lässt allein
mechanisches
Geschehen gelten, indessen man das Übel selbst
mit eigener Kraft ins Dasein zerrt durch
die
Magie der Furcht, die mit der gleichen
Sicherheit gerade
das Gefürchtete herbei‐
zieht, wie frohe
Zuversicht ‒ trotz aller Not ‒
Ersehntes wirklich werden lässt. ‒ ‒
Die allerwenigsten nur wissen heute noch aus
eigener Erfahrung, dass dem so ist, und die es
wissen, werden nicht an meinen Worten zwei‐
feln.
Sie kennen die
Magie der Zuversicht und
haben sie längst an Stelle der Magie der Furcht
geübt, nachdem oft bittere Erfahrung sie zur
Einsicht brachte.
Diese
Magie der Zuversicht ist heute be‐
deutsamer denn je, und sie allein kann die Ma‐
gie der Furcht
besiegen!
Es ist nicht zu leugnen, dass der Ablauf dieses
Erdenlebens vieles bringen kann, was recht
un‐
erwünscht ist und was man am liebsten
gänzlich von sich fernehalten möchte.
Ebensowenig wird zu leugnen sein, dass
Furcht
auch zuweilen
vor irrigem Tun bewahrt,
indem sie Vorstellung der üblen
Wirkung sol‐
chen Tuns erzeugt.
Furcht kann das Übel
vermeiden lehren und
wirkt so als
lebensfördernde Behüterin.
Erst dann, wenn sie die
Phantasie erregt und
allerlei Geschehen ausmalt, das vielleicht
nie‐
mals den Weg ins Dasein findet, oder
aber
unvermeidbar ist, wird sie mit Hilfe
menschlicher Glaubenskraft zu einer
Unheil
heranziehenden Macht.
Niemals kann Furcht
vermeiden lehren, was
unvermeidbar ist und nur durch
Ertragen
aufgelöst werden will!
Niemals wird unvermeidliches Übel
geringer,
dadurch, dass man seine
Drohung schon be‐
fürchtet!
Hier kann Furcht nur
die Kraft unter‐
graben, die nötig ist, um das Unvermeidbare
so zu ertragen, dass es nicht völlig
erdrückt. ‒
Was aber sich vermeiden
lässt, und dennoch
gefürchtet wird,
verwandelt sich durch die
Magie der Furcht nur allzuleicht in
wirklich
Unvermeidliches!
Nun wird gewiss auch alle
Magie der Zu‐
versicht kein
unvermeidbares Übel ver‐
hüten können.
Ihr Wert liegt darin, dass sie
vermeidbares
Übel nicht den Weg aus dem Bereich
der
Möglichkeit ins Dasein finden lässt: ‒
dass sie gar vieles
ablenkt, was schon zu dro‐
hen schien, ‒ dafür jedoch magnetisch
anzieht,
was sie
erhofft. ‒ ‒
Nie ist sie
mehr vonnöten als in Zeiten grosser
Sorge und
Bekümmernis!
Gerade in
solchen Zeiten bringt sie auch am
ehesten
die Bestätigung ihrer Wirksam‐
keit!
Nur darf man nicht glauben, dass es in des Men‐
schen Macht gegeben sei, ihr
die Wege ihres
Wirkens
vorzuschreiben!
Stets wirkt sie
ohne Kraftvergeudung, und
immer setzt sie
dort den Hebel an, wo die Last
am
leichtesten beweglich ist. ‒
Auch wenn der Mensch
nicht weiss und nicht
wissen
kann, wie ihm noch zu helfen ist, wird
Magie der Zuversicht für ihn
die Hilfe
schaffen! ‒ ‒
Tausende haben das schon
erfahren, aber
noch sind
Hunderttausende, die
nichts von
solcher Kraft im Menschen wissen...
Jeder jedoch, der hier
selbst erprobt, was sich
erproben lässt, schafft Hoffnung, dass
andere
die Probe wagen, und hilft den
unsichtbaren
Helfenden, seine Brüder aus der
Magie der
Furcht zu erlösen. ‒ ‒
So wie Furcht einst die kosmische Freiheit des
Geistesmenschen zerstörte: ‒ so wie Furcht
ihn «
fallen» liess aus
göttlichem Leuchten,
so ist auch des
Erdenmenschen Dasein
schwer durch die Furcht bedroht. ‒
Wer auch nur ein weniges mithilft, die stete
Furcht aus den Menschenherzen zu vertreiben,
der wirkt mit am grossen Erlösungswerke.
Aber
Furchtbefreitheit ist keineswegs
Blindheit gegenüber der
Gefahr!
Nur wer die ihm drohende Gefahr in ihrem gan‐
zen Umfang
kennt, kann ihr
furchtlos ent‐
gegentreten, denn
er nur
weiss, wie ihr zu
begegnen ist! ‒ ‒ ‒
* *
*
ZU den unumstrittensten Glaubensartikeln
aller Gottgläubigen, ‒ möge sich auch ihre
Gläubigkeit sehr weit von traditioneller religiö‐
ser Bindung entfernen, ‒ gehört der Satz, dass
Gott, in bezug auf alles von Ihm gewollte Tun,
«allmächtig» sei.
Ein «Gott» ohne solche, sehr irdisch gedachte
«Allmacht» erscheint der Vorstellung als des
wesentlichsten Attributes der Göttlichkeit ver‐
lustig, und weit eher noch gesteht der Mensch
seinem geglaubten Gotte alle Grausamkeits‐
instinkte eigener tiermenschlicher Ar‐
tung zu, als dass er die durch nichts behinderte
Allmächtigkeit dieses Gottes in Zweifel zöge.
Nach anthropomorpher Denkweise hat man
sich seinen «Gott» erdacht, sieht in ihm, statt
des überwesenhaften Seins, in mehr oder
minder gesteigerter Form nur «das höchste
Wesen» und empfindet nun als logische Forde‐
rung, dass dieses «höchste» Wesen notwendiger‐
weise auch unbegrenzte Macht besitzen müsse,
ansonsten man es nicht als «höchstes» Wesen
anerkennen könne.
Mit den windigsten Sophismen sucht man sich
darüber hinwegzutäuschen, dass ein «allmäch‐
tiger» Gott, ‒ in des Wortes wörtlichstem Sinne:
zu
allem mächtig, ‒ ein wahres Scheusal sein
müsste, würde er alle Not und Bedrängnis, alle
Greuel und Schandtat auf dieser Erde
ruhig
dulden, so er doch
Macht besässe, dies alles
zu beseitigen, dies alles zu
verhüten...
Erst dann, wenn furchtbares Schicksal ihn be‐
troffen hat und er sich schuldlos bedrängt fühlt,
wird der Mensch zuweilen des Widerspruchs
inne, den seine Gottesvorstellung enthält.
Aber weit entfernt von der Erkenntnis, dass
er
selbst nur solchen Widerspruch setzte, dem
nichts Wirkliches entspricht, murrt er nun
gegen seinen teuflisch grausamen, von ihm selbst
erdachten Götzen, wenn er nicht gar die radi‐
kale Lösung vorzieht, fortan allen Glauben an
einen
Gott, allen Glauben an
über dem
Menschlichen waltende
Geistigkeit, als Tor‐
heit und Selbsttäuschung zu verwerfen.
Kein Tag vergeht auf dieser Erde, der nicht an
unzähligen Orten Menschen sieht, die mit ihrem
vermeintlichen Gotte hadern, weil er, wie sie
glauben, Arges und schwer Erträgliches über sie
verhängte.
Nur widerwillig, oder mit bitterer, angstum‐
düsterter Gläubigkeit nimmt der Mensch den
so schalen Trost in sich auf, den ihm gewisse
Glaubenslehren immer noch zu bieten wagen
indem sie sein hartes Geschick als «
nach un‐
erforschlichem Ratschluss Gottes» ver‐
hängt, in eine Äusserung der
Liebe Gottes um‐
zudeuten suchen: ‒
«Wen
Gott lieb hat, den
züchtigt er!»
Nur Wenigen wird die
grobe Lästerung be‐
wusst, die solches Trostwort enthält...
Ein
entsetzlicher «Gott» fürwahr, der seiner
Liebe keinen
anderen Ausdruck zu geben
weiss; aber auch nur
ein «
Gott»
von des
menschlichen Erdenkens Gnade, der
we‐
der im Weltenraume noch im
Reiche des
Geistes zu finden ist, ausser
in menschli‐
chen Gehirnen!
Man kann es nur zu gut verstehen, wenn so
mancher hart bedrängte Mensch lieber
alle
Kunde von übererdenhaftem Göttlichen als
Wahn und Trug und eitlen Traum erklärt, als
dass er sich dazu verstehen könnte, weiterhin
an einen «Gott» zu glauben, der ihn «aus
Liebe»
quält...
Wie anders aber als solche anthropomorphe
Gottes-
Vorstellung sieht hier
die ewige
Wirklichkeit aus!
Dem Vorstellungs-
Inhalt entspricht in der
Wirklichkeit nur das Eine: dass Gott «
die
Liebe» ist, und dass jeder, der «in der Liebe»
bleibt,
in Gott bleibt, wie Gott
in ihm. ‒
Wirkliches Gotteslicht löst jenes Trugbild,
das der Gottheit grob materielle «
Allmacht»
zufügt, in sich auf, wie das Licht der Erden‐
sonne die Nebelschwaden über einem Sumpfe
zum Vergehen bringt!
Das ewige reine
Sein, dem allein in
Wirk‐
lichkeit der Name «
Gott» gebührt, ist
in
sich selber eins und
unteilbar, auch
wenn
es sich selber darstellt in Unendlich‐
fältigkeit.
Wie könnte es jemals
sich selbst in
irgend‐
einer seiner Darstellungsformen
negieren!? ‒
Nichts ist im Kosmos, das nicht
letzten En‐
des eine der
Darstellungsformen wäre des
ewigen
Seins, das in sich selber liebend ver‐
harrt, indessen die Darstellungskräfte es, ewig
bewegt, gleichsam umkreisen.
Sich selbst ist dieses ewige
Sein «Gesetz»
und «Norm», und alle die wahrlich
unendlich‐
fältigen Kräfte, die seiner Darstellung
die‐
nen, sind
trotz aller Ausstossung als
Gegen‐
Gesetztes dennoch ewig nur in
seinem Sein
gegeben, könnten niemals ein
Dagegen-Sein:
das «
Dasein» wirken,
ohne dieses ewige
Sein...
So ist denn
jegliche Kraft nur
gesetzt im
innewohnenden «Gesetz» des ewigen
Seins und
trägt die
Möglichkeiten ihres Wirkens
un‐
veränderbar in sich, auch wenn in mensch‐
lich unermessbar langen Zeiten jene
Kombi‐
nationen dieser Kräftewirkungen, die wir er‐
kannt zu haben glauben als «
Naturgesetze»
manchem
Wechsel unterworfen sind, den nur
der Mensch
nicht wahrnimmt, da die
menschliche Beobachtung auf dieser Erde sol‐
che Zeiträume nicht umfasst.
Solange aber eine Kombination von Kräfte‐
wirkungen, ‒ von uns «Naturgesetz» genannt,
‒ nicht
wieder aufgelöst ist, kann das ewige
Sein sie niemals
negieren, da ja auch sie
in
ihm allein gesetzt ist, und es
sich selber nicht
negieren kann. ‒
Hier sind die
Grenzen der
vermeinten
göttlichen «
Allmacht»: ‒ ewig
unüber‐
schreitbar auch dem ewigen
Sein!
Das heisst: ‒ in der Weise schlichtesten Gottes‐
glaubens gesprochen ‒ Gott würde
gegen sich
selber wüten, wollte oder könnte göttlicher
Wille sich der Wirkungsart irdischer Kräfte
entgegenstemmen, da Norm und Gesetz
dieser Kräfte ja aus dem
gleichen göttlichen
Willen ihre Bestimmung haben. ‒
Vollkommenheit ist an
dieser Stelle
nicht
durch göttlichen Willen
gewollt: ‒
kann
nicht gewollt werden, denn Vollkommenheit ist
nur
möglich im reinen, absoluten
Sein, nicht
aber in dem
Dagegen-Gesetzten, das wir «
Da‐
sein» nennen.
Die
Einzigartigkeit des absoluten
Seins
schliesst notwendig aus, dass Vollkommenheit
im
Dasein gestaltbar wäre.
Alles «Dasein» ist ja nur «
Reflex» eines be‐
stimmten Aspektes im reinen, absoluten
Sein,
und so wie die Erdensonne gleichsam «voll‐
kommen» genannt werden könnte gegenüber
ihrem Spiegelbilde auf ruhiger Wasserfläche, so
ist nur das ewige
Urbild jeglicher Darstellungs‐
kraft, die am «Dasein» wirkt, im ewigen
Sein
vollkommen, ‒
nicht aber der dargestellte
Ge‐
gensatz, der in der
Erscheinung fassbar
wird. ‒
Vom Göttlichen, Geistigen her kann die Er‐
scheinungswelt
nur insofern beeinflusst wer‐
den, als göttlich-geistiger Wille auf sie einwir‐
ken kann,
ohne sich selbst zum
Widerspruch
zu werden.
Es wäre
nicht die leiseste göttliche Ein‐
wirkung
möglich auf diese Erscheinungswelt,
wären die Ketten kausalen Geschehens wirklich
so straff gespannt, wie menschliches Den‐
ken es wahrhaben möchte...
Gleichwie aber die Wirkung jener Kräfte-Kom‐
binationen, die der Mensch als «Naturgesetz»
fasst,
keineswegs etwas Unveränderbares
darstellt, so ist auch die
Richtung, in der sich
die einzelnen Kettenglieder des kausalen Ge‐
schehens aneinanderreihen, immer noch durch
den
geistigen Willen
relativ bestimmbar,
aber
alle Macht des geistig-göttlichen Wil‐
lens ist auch
nur in dieser durchaus
rela‐
tiven Bestimmbarkeit kausalen Geschehens be‐
schlossen und
kann die Grenzen nicht über‐
schreiten, die der gleiche Wille
in sich sel‐
ber findet: ‒
durch sich selbst gesetzt von
Ewigkeit zu Ewigkeit...
In aller gläubigen Einfalt gesprochen, könnte
man sagen: ‒ Gott vermag es zwar,
bis zu
einem gewissen Grade auf die irdischen
Begebnisse einzuwirken, doch bleibt sein Wille
hier stets
durch innewohnendes,
eigenes
Gesetz bestimmt, so dass
alle Einwirkung
nur durch die
Benützung der aus gleichem
Willen bestimmten
Wirkungsart irdischer
Erscheinungs-
Funktionen erfolgen kann. ‒
Der Mensch darf jederzeit
sicher sein, dass
Gott jedes Unheil auf dieser Erde verhüten
wird, das Er hier verhüten
kann, so dass
also alles Hadern mit Gott, weil Unheil
nicht
durch Ihn verhütet wurde, nur aus der törichten
Annahme
materieller göttlicher «All-Macht»
‒ im Sinne
steter Abänderungsmöglich‐
keit des Geschehensverlaufes ‒ seine schein‐
bare «Berechtigung» herzuleiten vermag und
darum
Lästerung aus «
Nichtwissen» dar‐
stellt. ‒
Was aber weiter zu wissen nottut, ist die
un‐
umstössliche Tatsache, dass alle
Möglich‐
keit der
Richtungsablenkung irdischen kau‐
salen Geschehens
von Gott aus durch den
Menschengeist allein gegeben ist: ‒ dass
also
jegliche Einwirkung
Gottes auf irdisches
Dasein des
Menschen bedarf, und des Men‐
schen
Bereitschaft, solcher Möglichkeit die
Bahn frei zu machen, geschehe das nun in
bewusster menschlicher
Willenseinstellung
oder durch passive Hingabe im
Gebet. ‒ ‒
Alle Kreatur wartet auf die Erlösung
durch die Kinder Gottes!
Aber auch solches
wissend, soll der Mensch
nicht
Unmögliches erwarten und stets dessen
eingedenk bleiben, dass die
wirkliche «All‐
macht» Gottes von Ewigkeit her durch den
Willen zur Selbstdarstellung
bestimmt ist,
nicht aber
gegen diese Selbstbestimmtheit wir‐
ken
kann, da dies, wenn es
möglich wäre,
Selbstvernichtung bedeuten würde. ‒ ‒
So ist denn
wahrlich «Allmacht» im göttlichen
ewigen
Sein, insofern, als
alles «Dasein»
die
Macht dieses absoluten
Seins bezeugt,
aber
nicht in jenem abstrusen Sinne, als könnte
das Göttliche jemals das
durch eigenes Sein
bestimmte «
Dasein» des aus ihm
heraus und
sich
entgegen-Gesetzten
anders bestimmen,
als es von Ewigkeit her aus ihm bestimmt ist,
infolge innewohnender
Notwendigkeit. ‒ ‒
Bis in graueste Vorzeit erstreckt sich mensch‐
liches Mühen, die Gemüter in irrtumsbeladener
Vorstellung einer
unmöglichen «Göttlichen
Allmacht» hypnotisch gebannt zu erhalten...
Wahrlich: es ist an der Zeit, dass dieser Bann
gebrochen werde, damit der Mensch nicht
allen Glauben an Gott verliere! ‒
Die Grenzen der Allmacht erkennen, heisst erst
wirklich das All
verstehen, als Offenbarung
aller ewigen Macht! ‒ ‒ ‒
* *
*
GROSS ist in diesen Tagen die Schar der
Suchenden, die nach dem
Lichte
streben.
Weit zahlreicher aber bleibt stets das Heer
der
Erdversklavten, die
nichts von jenem
Drang zum Lichte in sich fühlen, der die
Suchenden bewegt. ‒
Seiner eigenen Enge kaum bewusst, glaubt so
der Hörige seines erdgefesselten Erlebens, dass
alle Lebensmöglichkeit des Menschen sich in
dem erschöpfe, was er und seinesgleichen zu
erleben
fähig ist.
Wenn andere den Weg zum
Geiste suchen
so gelten sie dem Tiergebundenen als arge
Toren.
Sein
Denken ist ihm: sein «Geist», und er
versteht nicht mehr die Sprache seiner Brüder,
die eine
Wirklichkeit erahnen, von der sein
Denken nichts weiss.
Wohl hatte er Himmel und Hölle sich der‐
maleinst
erdacht; doch wusste er auch das Er‐
dachte durch sein Denken wieder
aufzulösen,
so dass er nun sich wohlberechtigt glaubt, aus
seiner eigenen Erfahrung zu erschliessen, dass
jenes hohe Ziel der Suchenden nur als
er‐
dachte «Wirklichkeit» sein schattenhaftes Da‐
sein habe und ebenso
zerstörbar sei durch
Denken, wie die erdachten Reiche seiner eige‐
nen Gedankenwelt. ‒
So bleiben Höhe und Erlebnisweite mensch‐
licher Erfahrungsmöglichkeit nur allzuvielen un‐
bekannt, weil sie im engen Umkreis ihres Den‐
kens schon den «Geist»
gefunden glauben, in
ihrem Denken sich
gesichert wähnen, und
keinen Antrieb in sich fühlen, nach dem wesen‐
haften Geiste
dort zu suchen, wo er allein sich
finden
lässt: ‒ im unerdenkbaren
Erleben! ‒ ‒
Dass dieses «Erleben» aber nur im eigenen
Innern ihm erfahrbar werden kann, wird auch
von manchem
Suchenden vergessen, der längst
erkannte, dass der wesenhafte
Geist im Den‐
ken
nicht zu erreichen ist.
Gar viele der Suchenden drängen solcherart
nur nach unerhörtem Erleben in der
Aussen‐
welt, und werden sich nicht darüber klar, dass
auch das wundersamste äussere Erlebnis nie‐
mals jene innere
Erleuchtung geben kann,
die alles Dunkel des Erkennens lichtet, weil
der Erkennende dem Licht des Geistes selbst
vereinigt wird. ‒
Selbst
inneres Erleben hat ja nur insoweit
bleibenden Wert, als es Vorzeichen solcher
Geistvereinigung ist. ‒
Höchstes Ziel aber ist ein inneres Erleben,
das keinem Einzelerlebnis mehr gilt!
Was hier erlebt wird, ist: ‒
EIN NEUES
SEIN!
Erst aus diesem neuen
Sein heraus wird dann
alles Erleben
gewandelt, ‒ sei es im
In‐
nern gegeben oder in der
Aussenwelt.
Ein
neues Leben ist sodann dem Suchenden
geworden!
Ein Leben, so voller
Inhalt, dass alle Sucht
nach dem
Wunder, die vordem vielleicht den
Wunsch berückt haben mag, für immer schwin‐
det. ‒
Was sollte auch für
den, der selbst
in sich
das unerfasslich höchste Wunder fortan nun
erlebt, das «Wunder» in der
Aussenwelt,
wie es die blinde Menge aller Zeiten suchte,
noch bedeuten?! ‒
Er weiss, dass alles, was die wildeste Phan‐
tastik sich an «Wundern» im Geschehen dieser
Aussenwelt ersinnen könnte, ‒ würde es je‐
mals Ereignis werden können, ‒ doch nur im
physischen Geschehen dieser Welt beschlossen
bliebe: ‒ wertlos und ohne Wirkung, sobald
dieser Erde Tierleib verlassen wird...
Wohl wird
Magie ihm kund, die auch im
Erdenleben Dinge zu bewirken weiss durch
Nutzung hoher Kräfte, wie sie durch keine
Künste dieser Erde jemals sich bewirken lassen,
‒ doch wird er auch durch solches, irdischer
Erkenntnis nur
verhülltes Wirken nicht be‐
tört, da er im Geisteslicht erkennt, dass alles,
was sich solcherart ereignen mag, nur
irdi‐
sches Geschehen weitet, aber keineswegs
den wesenhaften
Geist bezeugt, der, alldem
hoch entrückt, sich nur im
Menschengeiste
für den Geist des Menschen selbst bekundet,
als seiner ewig eingeborenen Zeugung. ‒ ‒
So wird er, ein Helfer derer, die der Geist
im Menschengeiste sich bereitet hat als seine
Darstellung in menschlicher Erscheinung, allen
Licht zu spenden suchen, die allhier nach Licht
verlangen.
Fern aller Wundersucht, wird er die
wahren
Wunder alles täglichen Geschehens hellen Auges
zu erkennen wissen, und aus dem Lichte, das
ihn selbst erleuchtet, wird er alles Dunkel um
sich her erhellen. ‒
Er kennt
das neue Leben, das die Erdver‐
sklavten um ihn her wohl
schmähen, aber
nicht erreichen können, solange sie in Erden‐
tieresnacht verhaftet bleiben...
*
Wem die nur durch matte Leuchten schwach
erhellte Grabesnacht
genügt, in der er sich,
gefangen in der Tierheit dieser Erde, findet,
den können auch die «Leuchtenden des Ur‐
lichts» nicht erlösen. ‒
Nur: wer
sich selbst erlösen will, kann hier
Erlösung finden! ‒
Er sei sich aber dessen wohlbewusst: dass keine
«Wunder» hier im irdischen Geschehen nötig,
oder auch nur «nützlich» sind, will ernstlich er
zum
Lichte finden! ‒ ‒
Stets wird der Geist die
allereinfachste
Weise wählen, will er einem Menschengeiste
sich in Vereinung offenbaren.
Ich hege gewichtigste Bedenken, so einer mir
sagt, er fühle sich vom Geiste berufen, aber
gleichzeitig mir von gar «wunderbaren» Be‐
gebnissen zu berichten weiss, die solcher Be‐
rufung Anrecht erweisen sollen. ‒
Es ist immer ein gerüttelt Maß Eitelkeit und
geistigen Hochmuts auch in der vermessent‐
lichen Forderung enthalten, dass der Geist sich
durch besonderes Bekunden im Äusseren be‐
merkbar machen möge: ‒ durch Erlebnis‐
möglichkeiten, wie sie nicht jedem geboten
werden. ‒
Wer wirklich solche Erlebnisse haben
soll,
den überfallen sie
unvermutet und er sieht
sich solchem Erleben plötzlich gegenüber, ohne
es jemals gesucht oder gar erwartet zu haben.
Dann aber ist auch dieses Erleben
geistig
bedeutungsvoll und weiterweisend. ‒ ‒
Wer aber das «Wunder»
sucht, dem wird
sicher nur die «Hölle» ihre Künste zeigen,
und jeder, der da auszieht, um einen
Magier
zu finden, kann sicher sein, dass ihn ein Char‐
latan düpiert! ‒
Willst du in das
neue Leben gelangen, ‒
das Leben im
Geiste, das den
Tod nicht
kennt, ‒ dann bändige deine Lust am Wun‐
dersamen, und wisse, dass dir das
wahre
Gotteswunder nur im eigenen
Innern be‐
gegnen wird! ‒
Mit
solchem Erleben lässt sich freilich nicht
vor anderen prahlen; aber ich hoffe auch, dass
du dich nicht zu dem Frevel hergeben willst,
das, was der Geist dir gibt, nur danach zu
bewerten, inwieweit es dir dienen könne, dich
vor anderen als besonders «begnadet» zu er‐
weisen. ‒ ‒
Es ist fast unglaubhaft, aber ich spreche leider
hier aus Erfahrung, wenn ich bekunde, dass
mir so mancher begegnet ist, der allen Ernstes
vermeinte, sein Streben nach Einheit mit dem
urewigen Geist sei sicher geistigem Gesetz ent‐
sprechend, und der dennoch keine Gelegenheit
vorübergehen liess, die ihm die Möglichkeit
bot, sich vor Urteilslosen mit seinem «geheim‐
nisvollen» Erleben zu brüsten...
Ein solcher Mensch zeigt damit nur, wie un‐
sagbar weit er von dem Wege zum Geiste ab‐
geirrt ist.
Durchschaue seine maßlose Sucht, sich selbst,
als das arme kleine Erdentier, vor dir in ausser‐
gewöhnlicher Beleuchtung zu zeigen, und lasse
dich nicht von ihm in Angst und Sorge jagen,
weil dir, der du ernstlich nur nach
Einheit
mit dem ewigen Geiste verlangst, die glei‐
chen seltsamen Begebnisse nicht widerfahren
sind!
Bist du auf dem Wege, der zur Vereinigung
mit dem ewigen, wesenhaften Geiste führt, so
wirst du in wahrlich
anderer Weise deine
Bestätigung erhalten.
In deinem äusseren Leben muss sich nicht das
geringste ändern.
Sei fröhlich mit Fröhlichen, und traure, wo du
Trauer empfindest!
Geniesse den Tag auf solche Weise, dass du
vor keinem deiner Nebenmenschen die Ver‐
antwortung zu scheuen hast!
Stehe mit beiden Füssen fest auf dieser gelieb‐
ten Erde Boden, aber läute auch nicht erst alle
Glocken, wenn du dich anschickst, deine Hände
zu den Sternen zu erheben! ‒ ‒
Es ist nicht
nötig und nicht einmal
gut, dass
man allerorten von dir weiss, als einem, der
den Weg zum Geiste beschritten hat! ‒
Siehe: ‒ ich selbst habe diesen Weg bis zum
Ziele durchschreiten müssen,
bevor ich den
anderen,
neuen Weg betreten durfte, der
mich zu meinen Brüdern führte!
Seit Jahren bin ich dort angelangt, wo nur
gar selten einer in diesem Erdenleben landen
kann.
Seit Jahren künde ich den Menschen, die meine
Sprache verstehen, die Botschaft des Lichtes.
Und dennoch gibt es Unzählige, die mich im
äusseren Leben gut zu kennen glauben, aber
von mir nichts anderes wissen, als was man
auch sonst von einem ehrbaren Menschen weiss,
der da irgendeinem Beruf obliegt, und den
man gelten lässt, weil man ihn nach rechter
Art das Leben des Alltags beherrschen sieht. ‒
So gehe auch du in aller Stille deinen dir
vorgezeichneten Pfad in der Aussenwelt, und
wähne nicht, es sei vonnöten, dass du dich ab‐
sondern müsstest von aller Welt, um
in dir
in den
Geist zu gelangen! ‒
Was du im Innern in dir erlebst, ist nur für
dich selbst dir gegeben.
Was du den anderen aber geben kannst, das
trägt seinen Wert
in sich, auch wenn es mit
keiner Silbe durch die Bekundung eigenen Er‐
lebens bestätigt wird.
Rede
nur dort von diesem Erleben, wo du
gewiss sein kannst, dass es unbedingt
nötig
ist, davon zu sprechen!
Allen
anderen Menschen gegenüber aber wird
dein ganzes Tun und Lassen schon eine
wortlose Lehre sein, die oftmals
Besseres
bewirkt, als wenn du allerorten das, was
dich bewegt, in lauten Worten kundtun woll‐
test. ‒ ‒
Du hast viel zuviel noch mit dir selbst zu
tun, als dass du dich schon berufen fühlen
dürftest, andere, die es nicht von dir fordern,
zu belehren. ‒
Mit dir allein musst du den Weg zum
Geiste durchwandern, wenn du dein Ziel er‐
reichen willst!
Mit
dir allein nur kannst du dein
neues
Leben finden!
Mit
dir allein in deinem neuen Leben stehend,
wirst du dereinst auch allen denen Hilfe brin‐
gen können, die so wie du das
neue Leben
heiss
ersehnen! ‒ ‒ ‒
* *
*
NICHT von den rauschend gefeierten
äusser‐
ren Festen soll hier die Rede sein, und
nicht von der Freude derer, die keine anderen
Feste
kennen!
Ich will von einer Festesfreude reden, die nur
in der
Einsamkeit gedeiht und ausser dem
Erlebenden keine Zeugen duldet...
Allzusehr sehe ich dich nach den
äusseren
Festen Ausschau halten, und ich fürchte, du
hast bereits verlernt, mit dir selbst, deiner
Seele Feste zu bereiten?! ‒
Gleichwie jedoch die klugen Regenten zu aller
Zeit darum wussten, dass der Mensch sich am
besten leiten lässt, wenn man die saure Fron
des Alltags ihm durch frohe Feste an den Feier‐
tagen zu versüssen sucht, so sollst auch du von
dir selber wissen, dass du am ehesten
Herr
wirst alles dessen in dir, was dir untertan
sein soll, wenn du es verstehst, nicht nur das
Widerstrebende zu
zwingen, sondern auch
dem
Willigen, sooft es sich ermüdet zeigt,
ein hehres
Fest zu feiern. ‒
Solche Festesfreude der
Seele ist wahrlich
mehr vonnöten, als mancher der Besten erahnt!
«Nicht vom Brote allein lebt der Mensch, son‐
dern von jedem Worte, das aus dem Munde
Gottes kommt!»
Das nährende Gotteswort aber geht nur in dich
ein, wenn du deine Seele festlich zu seinem
Empfang bereitet hast! ‒
Solange du eine Werkstatt des Alltags bist,
‒ und das
sollst du im Alltag
sein, ‒ wirst
du auch mit der Seelenspeise, die dir der
All‐
tag bringt, vorlieb nehmen müssen, und für
die Zeit deiner Arbeit in der äusseren Welt
wird dir solche Nahrung auch genügen.
Zuweilen aber wird sich deine Seele
ermü‐
det zeigen, was du daran bemerkst, dass sie
die Speise, die ihr der Alltag bietet,
nicht
mehr aufzunehmen fähig ist.
Sie hungert alsdann nach einer
anderen Er‐
nährung, die ihr der Alltag ‒ und sei er an
seelischer Speise noch so reich ‒ nie und nimmer
gewähren kann.
In solchen Stunden musst du wissen, dass es nun
an der Zeit ist, der Seele ein
Fest zu bereiten!
Du wirst aber keine Feste feiern können, so‐
lange du «Werkstatt des Alltags» bleibst, aus
der sich niemals aller Staub und Schmutz der
Alltagsarbeit völlig entfernen lässt.
Wisse daher um deine magische Kraft,
dich selbst zu wandeln!
Wohl ist es dir
Pflicht, dem Alltag als Werk‐
statt zu dienen, doch sind dir auch
Feier‐
stunden gesetzt, in denen du
frei bist,
die
Form zu wählen, die deiner Seele tiefstes
Sehnen verlangt.
In solchen Feierstunden kannst du
dich selbst
zum
hohen Dome wölben und in
dir sel‐
ber kannst du die
Mysterien begehen...
Du selbst kannst dich mit Glockenklang und
Orgelton erfüllen!
Du selbst wirst hier der Sänger heilig-hehrer
Psalmen sein!
Wenn du zu deuten weisst, was bildhaft hier
zur Sprache werden will, dann weisst du längst
schon um die
Art der «Festesfreude», die deine
Seele braucht, soll sie im Alltagsdasein nicht
verkümmern.
Du kennst die Stunden nur zu gut, in denen
deine Seele müde wird und alles, was ihr sonst
als Nahrung diente, von sich weist.
Ich rate dir:
quäle dich nicht in solchen Stun‐
den, sondern suche alsbald deiner Seele ein
Fest zu bereiten!
Schliesse dich ein in dein Zimmer oder gehe hin‐
aus in die Natur, um dort eine Stätte zu suchen,
in der dich niemand stören kann.
Dort oder hier, wo immer du
mit dir allein
sein kannst, ist der rechte Ort, und sei es selbst
mitten unter anderen Menschen, so du nur sicher
sein darfst, dass sie dich nicht nötigen zur Rede.
Bist du mit dir alsdann allein, so ignoriere
alles in dir, was dich an den Alltag und an des
Alltags Kämpfe und Plagen noch erinnern will.
Du wirst später wieder Zeit genug finden, alles
zu schlichten und winkelrecht zu richten, was
dich jetzt etwa beirren möchte.
Mache dich
leer von allem, was dir nicht
fest‐
lich, nicht
festesfreudig erscheint!
Dann aber forme in deinem Denken das reinste,
grösste und schönste Bild eines Menschen, das
noch in der Gewalt deiner Vorstellungskraft
beschlossen liegt.
Lasse dieses Bild in dir lebendig werden, und
wenn es greifbar vor deiner Seele steht, dann
‒ identifiziere dich mit ihm und schlage
dir jeden Gedanken aus dem Sinn, der dir zu
zeigen suchen will, wie sehr du dich, ‒ und
nicht zu deinen Gunsten, ‒ von diesem idealen
Bilde unterscheidest! ‒
Gewiss bist du in deinem Alltagsdasein diesem
von dir selbst geformten und darum in dir als
Möglichkeit bezeugten Bilde noch nicht gleich,
und niemand weiss, ob du dir selber treu ge‐
nug zu sein vermagst, dich ihm einst völlig
anzugleichen.
Allein: ‒ für diese deine Feierstunde sollst
du zu vergessen trachten, was an dir noch
Mangel ist!
Für diese deine Feierstunde sollst du dich nur
in dem von dir geformten hohen Menschen‐
bilde sehen, und alles, was ihm nicht ent‐
spricht, sollst du von dir weisen.
In solcher Haltung erzeuge nun in dir eine
heilige Weihestimmung voll innerer Festes‐
freude und Dankbarkeit, ohne jegliche Rück‐
sicht auf deine Gewohnheit, dir durch dein
Denken erst die
Berechtigung zu deinem
Tun zu
beweisen.
Sei ohne Sorge und glaube mir, dass nach dei‐
ner Rückkehr in das Alltagsdasein sich gar
manche Stunde anbieten wird, in der du alles
nachholen kannst, was du in deiner Feierstunde
etwa an Selbstkritik zu versäumen meinst! ‒
Es ist so unendlich wichtig für deine Seele,
dass sie alle deine menschlichen Schwächen und
Fehler
kennt, aber es ist noch wichtiger, dass
du ihr dann auch des öfteren die Möglichkeit
schaffst, dich
so zu sehen, wie du
werden
kannst, nachdem du einst
Herr geworden bist
in dir selbst! ‒ ‒
In Stunden der Selbstkritik kannst du nicht
scharf genug sehen und nicht schonungslos ge‐
nug mit dir verfahren.
Aber
sei kein Tor und wähne nicht, du könn‐
test jemals «besser» werden durch stetes Ver‐
senken in das
Bild des Mangels, das deine
Selbstkritik dir zeigte!
«Besser» wird nur der
Schaffende, der, nach
der
Erkenntnis seiner Fehler, aus sich selbst
sein
Idealbild schafft und
diesem dann stets
mehr und mehr sich
anzugleichen strebt. ‒
Die Feierstunden deiner Seele aber sollen dein
Fühlen und Denken
lockern, so dass sich alles
in dir bereitet, dem von dir geformten idealen
Bilde zu
entsprechen.
Darum leite ich dich an, dir solche Festesfreude
zu schaffen, sooft deine Seele sich im Alltag
ermüdet fühlt.
Aus jeder solchen Feierstunde wirst du hervor‐
gehen mit einem Zuwachs an seelischer Kraft,
der dich erstaunen lassen mag...
Mehr und mehr wirst du den Alltag zwingen
lernen und deine Festesfreude wird dir noch
die dunkelsten Stunden hellen!
Zuletzt aber wirst du
so einst schon auf Er‐
den
jene Festesfreude erleben, die
nicht mehr
unterbrochen werden kann, da sie ein Zeugnis
ist: der
Ewigkeit! ‒ ‒
Du wirst diese
bleibende Festesfreude um
so
eher erlangen, je
öfter du deiner Seele
die Feststunden schaffst, von denen ich hier
rede. ‒
Jeder Tag soll dir als
unvollkommen gel‐
ten, an dem es dir nicht gelang, eine solche
festliche Feierstunde einzufügen!
Glaube nicht, die Last deiner Alltagsarbeit lasse
das nicht zu!
Auch wenn du mit Arbeit beladen bist wie ein
Galeerensklave, kannst du dir täglich deine
Feststunde noch erringen, wenn du wahrhaft
willst; und es braucht keine «Stunde»
nach
der Uhr zu sein...
Mit unerahnter
Kraft erfüllt kannst du als‐
dann
erneut an deine
Arbeit in den
Alltag
gehen! ‒ ‒ ‒
* *
*
WENN du noch niemals dich aus dumpfen
und verquälten Stunden durch dein
La‐
chen zu befreien wusstest, dann weisst du wahr‐
lich noch nicht, was das Lachen wert sein kann.
Du bist vielleicht gar ein Verächter aller derer,
die sich über jeden Graben schwingen mit ihrem
herzbeflügelnden
Lachenkönnen.
Du kannst nicht verstehen, dass es Menschen
gibt, die selbst den zehrendsten
Schmerz noch
durch ihr Lachen zu bändigen wissen.
Oberflächlich und gefühlsarm erscheinen dir alle,
die noch zu lachen wissen, wenn graue Trübsal
sie umgibt.
Gib acht, mein Freund, dass du dir selber nicht
das Urteil sprichst, indem du dich über das
Lachenkönnen der anderen ereiferst!
Wohl sagt das Sprichwort, dass man an sei‐
nem Lachen den
Narren erkenne, aber nicht
minder wird auch das Lachen dir den
Wei‐
sen zeigen.
Nicht nur dich selbst vermagst du durch dein
Lachen aus enger Beklemmung zu lösen: ‒ auch
alle, die um dich sind, kannst du befreien.
Wie oftmals schon hat ein zwingendes, herz‐
liches Lachen grosses Unheil verhütet! ‒ ‒
Zorn und Erregung werden sich alsbald zum
Spott, wenn solches Lachen zu rechter Zeit
die Herrschaft an sich reisst.
Und doch gibt es Menschen, die sich vor dem
Lachen fast zu
fürchten scheinen, ‒ die es sich
Mühe kosten lassen, sauertöpfisch und wunder‐
lich ernst zu bleiben, wenn sie andere lachen
sehen.
Die
einen glauben, ihrer
Würde etwas zu
vergeben, sähe man sie lachen mit den Fröh‐
lichen, ‒ die
anderen aber halten sich in harter
Zucht, weil sie der Erde Torheit überwinden
wollen und alle
Heiterkeit für
Torheit ach‐
ten.
So werden
sie selbst zu Toren, wo sie sich
weise dünken. ‒ ‒
Siehe,
o Suchender, der du nach
Harmonie
in deiner Seele strebst und dich dem
Geiste
in dir selbst vereinen willst: ‒ ich werde dich
nicht eher «
ernst nehmen» können, bevor
ich weiss, dass du
lachen kannst!
Gewiss sollst du nicht durch dein Gelächter
zum Narren werden, aber du sollst auch dem
Anlass zum Lachen nicht aus dem Wege gehen.
Ja mehr noch!
Dein Streben zum Geiste ist mir verdächtig,
solange du noch glaubst, du müsstest nach Mög‐
lichkeit dich des Lachens entwöhnen. ‒ ‒
Ich will dich sehen, als einen, dem sein Lachen‐
können niemals verloren gehen darf.
Du sollst noch lachen können, wo andere längst
allen Mut von sich fliehen sehen würden.
Aus deinem Lachen will ich deine
Sicherheit
erhören, dass du das Ziel, dem du zustrebst,
auch mit Gewissheit
erreichen wirst.
Dein Lachen soll mir bekunden, dass du dich
geborgen fühlst und alle Furcht überwunden
hast. ‒
Unseliger Wahn lässt heute noch allzu viele in
dem Glauben, sie könnten Gott und Göttlichem
nicht nahen, wenn sie nicht in Weheklagen ihre
«Sündenschuld» beweinen würden.
Du aber sollst deine Sünde
verlachen lernen,
denn nur wenn du erkennst, dass deine Sünde
eine Ausgeburt der
Torheit war, wirst du sie
fürder
meiden! ‒
Zum Anlass der
Selbstverspottung sollst
du dir werden, gedenkst du der dunklen Tage,
da du noch sündigen
konntest, und in der
Sünde «Glück» zu finden glaubtest! ‒ ‒
Wahrlich,
keine Reue wird dich so aus der
Sünde reissen, wie dein freies Lachen über
dein törichtes Tun! ‒
Und wärest du in Sünde versunken gewesen
bis über den Scheitel, so sollst du erst recht
deiner einstigen Narrheit spotten und über dich
selber lachen lernen! ‒ ‒
Du wirst mit allem Weheklagen nichts unge‐
schehen machen können, was dereinst gesche‐
hen ist.
Vielleicht wird deine Reue wie ein Stachelzaun
das Reich der Sünde dir umgrenzen, ‒ allein es
bleibt dir nur «verbotenes Land», und bist du
ehrlich vor dir selbst, so wirst du, tiefversteckt,
doch ein
Bedauern in dir finden, dass dieses
nun umzäunte Land dir fortan als die Grenze
deiner Freiheit gelten soll...
Nur wenn du lernst, dein Gieren nach der
Sünde zu
verlachen, wirst du in Wahrheit
ihm
entrinnen!
So nur wirst du von dem Hang zur Sünde wirk‐
lich
frei!
Was immer auch hinter dir liegen mag auf
deines Lebens Bahn; ‒ es darf keinen Grund
für dich bilden, der Fröhlichkeit nun aus dem
Wege zu gehen.
War Fröhlichsein früher dir gleichbedeutend
mit
Sünde, so lerne nun erkennen, dass un‐
getrübte Heiterkeit mit jener Torheit, die man
«Sünde» nennt, auf ewig
unvereinbar ist.
Du warst nur eitlem Schein erlegen, wenn du
für kurze Zeit dem Wahn dich überlassen konn‐
test, als sei in der Sünde bleibende Freude zu
finden. ‒
Dein
Lachen über deine eigene Verblendung
wird dich am ehesten bewahren, je wieder sol‐
chem Scheine zu vertrauen!
Je mehr du
lachen lernst, desto
freier wirst
du werden!
Je
freier du lachen kannst, desto ernster wirst
du jenen Dingen gegenübertreten, die sich nur
ernsthaftem Streben enthüllen. ‒
So wird dein Lachenkönnen dir eine grosse
Hilfe werden auf deinem Wege, der zu dir selber
führt!
So wirst du lachend aller Gefahr die Stirne
zeigen können!
So wird dein Lachen dich
befreien von aller
Erdenschwere, die dich niederziehen will! ‒ ‒
* *
*
DAS freie «Ausleben» seiner Persönlichkeit
ist ein Postulat des modernen Menschen
geworden.
Jeder glaubt sich zu solchem «Ausleben»
be‐
rechtigt, ‒ ja, ich lernte manchen Menschen
kennen, der sich dazu
verpflichtet fühlte.
In schroffem Gegensatz zu diesen Auffassungen
steht die Forderung, die schon zu allen Zeiten
von jenen erhoben wurde, die ihre Mitmen‐
schen lösen wollten aus irdischer Gebunden‐
heit, um sie zum Glück der eigenen Erfahrung
in der Geisteswelt zu führen.
Es wird da gefordert, dass der Strebende
vor
allem lernen müsse, sich selbst zu
überwinden,
und die paradox klingende Mahnung lautet: ‒
«
Nur der kann zu sich selber kommen,
der sich selbst überwunden hat.» ‒
Scheinbar gibt es keine Brücke, die über die
Kluft zwischen diesen Gegensätzen trägt, und
doch ist hier
Bedürfnis und
Erkennen nur
dann für immer
geschieden, wenn der Worte
Deutung beides scheidet...
Solange das Bedürfnis, sich «
auszuleben»,
eng begrenzt bleibt auf irdisch physisches
Erleben, ist es wahrlich nicht zu vereinen mit
der geistig geforderten Pflicht zur «Selbst‐
überwindung».
Ebenso aber bleibt auch «Selbstüberwindung»
unerfüllbare Forderung, solange die irrige
Deutung besteht, als handle es sich hier um
eine «Abtötung» seiner selbst: ‒ um eine
Verneinung seines Selbsterlebens.
Letzten Endes ist die Forderung der Selbst‐
Überwindung nichts anderes als eine Erkennt‐
nisfrucht, die noch von allen gepflückt wurde,
denen es nicht genügte, sich nur im irdisch‐
physischen Bereiche zu erleben: ‒ die sich
vielmehr auch dort «ausleben» wollten, wo
sie die innerste Seinsbegründung ihrer
selbst erahnten. ‒ ‒
Das Bedürfnis, sich «auszuleben», wird kei‐
neswegs negiert!
Es wird ihm vielmehr in erweitertem Maße
entsprochen und so die Erkenntnis erlangt,
dass vollkommenstes «Sichausleben» nur er‐
reichbar ist, nachdem überwunden wurde,
was solches höchste Ausleben hindert. ‒
Wer freilich alle Möglichkeit des Selbsterlebens
nur im
physischen Dasein gegeben wähnt, der
handelt aus seinem Irrtum heraus konsequent,
wenn er sich darauf beschränkt, sich allein im
Physischen «ausleben» zu wollen, denn er
weiss nicht, dass sein
Bedürfnis nach reichem
Selbsterleben weit
über die Bereiche irdischen
Erlebens
hinausweist. ‒ ‒
Um dieses Bedürfnis zu verstehen und in seine
höchste Bahn lenken zu können, muss man
sich darüber klar geworden sein, was die
ge‐
samte Wirklichkeit des Menschen ausmacht.
Man darf sich nicht damit bescheiden, nur das
physisch Wahrnehmbare zu betrachten.
Nur als Erzeugnis der
Erde angenommen,
ist wahrlich der Mensch nichts anderes als ein
absonderliches
Tier, mit allen Eigenschaften
eines Tieres.
Fast scheue ich mich, ihn auch nur ein «höheres»
Tier zu nennen...
Es handelt sich hier durchaus nicht nur um den
Leib, sondern auch um die
Psyche des Tieres.
Dieses Tier aber wurde, ‒ im Gegensatz zu
anderen Tieren, ‒ zum
Manifestationsob‐
jekt einer
geistigen Potenz, so dass im Laufe
der Jahrtausende auch die
Psyche dieses Tie‐
res durch Influenzwirkung
erweitert und
er‐
höht wurde.
Trotzdem aber blieb die
tierische Art er‐
halten und könnte, auch wenn sie in ihrer
Einzelform ewig währen würde, in aller Ewig‐
keit niemals «
vergeistigt», ‒ das heisst also:
in Geistiges umgewandelt werden.
Ebenso kann auch die
geistige Potenz, die
sich in dieser Tierform manifestieren will, in
Ewigkeit nicht zur
Vertierung gelangen.
Hingegen ist diese
geistige Potenz an einen
Organismus gebunden, ‒ einen Organismus
subtilster,
unsichtbarer Art, ‒ der, wenn
auch nicht «ausser»- oder «über»-
kosmisch,
so doch wahrhaftig «über-
irdisch» zu nennen
ist, da er aus einer Substanz besteht, die wohl
die Erde
durchdringt, keineswegs aber zu
den integrierenden Substanzen des Planeten
«Erde» gehört.
Es handelt sich hier um den
kosmisch-
gei‐
stigen «Menschen» in seiner
erdnächsten
Form,
durch dessen Einwirkung erst aus
dem Erdentier, in dem er sich manifestiert, der
Erden-
Mensch wird.
Nun ist zwar der kosmische Geistesmensch
erdnächster Form aufs engste mit seinem Mani‐
festationsobjekt: dem Erdenmenschtiere,
ver‐
bunden, solange dieses Tieres Erscheinung
auf Erden währt, ‒ allein, diese Verbindung
kann für den Geistmenschen ebenso Ursache
der
Freude wie furchtbarster
Höllenqual
sein, denn sein Drang, sich zu manifestieren,
kann ebenso durch das Erdentier
gefördert,
wie
behindert, ja
völlig eliminiert werden.
Der gegebenen Norm nach ist der Erdenmensch
nur im Bewusstsein der durch Influenz des
Geistmenschen mehr oder weniger gehobenen
Tierheit.
Das gilt für Gelehrte und Ungelehrte
für Junge und Alte,
für Mächtige wie
für Bettler!
Es ist jedoch möglich, die Norm zu
durch‐
brechen, so dass der Erdenmensch alsdann
nicht mehr nur im Bewusstsein der
Tierheit,
‒ sei diese auch noch so hoch differenziert,
‒ sondern
zugleich im lichtdurchfluteten Be‐
wusstsein des
Geistesmenschen steht.
Das aber lässt sich nur erreichen nach Erfül‐
lung jener Vorbedingung, die von den Er‐
leuchteten aller Zeiten «
Selbstüberwindung»
genannt wird!
Aber dieses Wort darf nicht
irrige Ausdeu‐
tung erfahren, und der aus dem Tierbewusst‐
sein verlangende Erdenmensch darf nicht etwa
glauben, es werde von ihm gefordert, dass er
aller Tierheit, ‒ die ja dem Geistesmenschen
nötig ist, will er sich auf Erden manifestieren,
fortan
entsagen solle. ‒ ‒
«
Abtötung»
des Tierischen ist ein
Verbre‐
chen, ‒ einerlei, ob solche «Abtötung» nur
bis zur
Lähmung der Tierheit erfolgt, oder
zur
Selbstvernichtung des Tieres führt! ‒
Der
Asket, der sein Tierisches
peinigt, weil
es ihm nicht zu willen ist, darf sich in keiner
Weise erhaben dünken über den
Selbst‐
mörder, der mit einem Schlage sein Tieri‐
sches
vernichtet, ‒ denn er handelt nur
weniger konsequent, aber
keineswegs
weniger verwerflich! ‒
Gefordert wird nur
Überwindung aller
Strebungen des Tieres,
die erfühlter‐
maßen der Manifestation des Geistes‐
menschen im Wege stehen.
Gefordert wird, dass
das Tierbewusstsein
sich selbst als solches erkennt und über
sich selbst hinausverlangt.
Das allein ist rechte «
Selbstüberwin‐
dung»! ‒ ‒ ‒
Was daraus resultieren kann, ist die
Ver‐
einigung des tierischen Bewusstseins
mit dem Bewusstsein des Geistesmen‐
schen zu einer homogenen Einheit für
Zeit und Ewigkeit. ‒ ‒
Dann hat wahrhaftig der Tod «seinen Stachel
verloren», denn
im Bewusstsein seiner
Identität geht der so geeinte neue Mensch aus
diesem Erdenleben in die Welt des
substan‐
tiellen reinen Geistes ein!
Sich selbst schuf der Tiermensch Erlösungs‐
möglichkeit, ‒ zugleich aber wurde der
Gei‐
stesmensch von ihm er-löst: ‒ befreit aus der
Pein der Behinderung durch das Tier, das ihm
nun auf Erden willig dient und durch sein Seeli‐
sches vereint bleibt in unlöslicher Vereinung. ‒
Wenn aber diese Vereinung hier auf Erden
nicht erfolgt, dann können Äonen vergehen,
bevor die «Seele», die das Menschtier über‐
lebt, einst fähig wird, in dem ihr ewiges Eigen‐
leben verleihenden Geistesmenschen zu Bewusst‐
seinseinung aufzugehen...
Zu allen Zeiten gab es Menschen dieser Erde,
die schon während ihres Erdenlebens das
«
Tier» dem «
Gotte»: ‒ das Menschtier‐
bewusstsein dem Bewusstsein des Geistesmen‐
schen, in sich vereinigt hatten, und alles gei‐
stige Wissen, das noch ‒ wie immer auch ver‐
mengt mit mancher Zutat Unberufener ‒ heute
auf Erden zu finden ist, ging einst von solchen
Menschen aus, denn
niemals sprach die
Gottheit anders zu der Erdenmensch‐
heit,
als durch den Menschen. ‒
Alles aber, was jene zu sagen hatten, die aus
dem
Geistesmenschentum lehren durften, da
sie
in ihm bewusst geworden waren, half
immer nur denen, die sich bewegen liessen,
ge‐
sammelten Willens danach zu streben,
«
Selbstüberwindung»
im hier bezeich‐
neten Sinne zu üben.
Kein Mensch kann den anderen
erlösen, ‒
aber wer den Weg zur Erlösung
weiss, der
kann ihn anderen
zeigen.
Sie zu
bestimmen, dass sie ihn auch
gehen
wollen, hat er weder Macht noch Recht!
Und wahrlich: ‒
schwer wird es dem Erden‐
menschen, sich einzugestehen, dass er vorerst
noch allein im
Tierbewusstsein lebt!
Schwer wird es vor allem den Selbstgerechten,
die längst ihr Heil in irgendeinem Religions‐
system gefunden glauben, ‒
schwer wird es
denen, die sich «reich» wähnen im Geiste, weil
ihr Scharfsinn alles zu
zerdenken weiss!
Ich könnte sehr wohl verstehen, wenn diese
Selbstbehinderten meine Worte schmähten, statt
die Probe auf ihre Wahrheit zu wagen...
Festgefroren, wie Radspuren auf schlechten
Wegen im Winter, sind die Denkgeleise in
vielen Gehirnen!
Aber nach ewigem Gesetz wird keiner sein
Schicksal mehr ändern können, sobald er die
Erde dereinst verlassen muss...
Jetzt, in dem Augenblick, in dem du diese
Worte liest, ist die Zeit der Selbstbesinnung
für dich gekommen!
Jetzt
kannst du dich noch entscheiden und
bist deiner Entschlüsse Herr!
Wertlos für dich aber bleibt dein Wägen meiner
Worte, solange du nicht mit aller Kraft danach
handeln magst!
Klug wirst du tun, dein
Vor-Urteil nicht zu
beachten, denn erst dann bist du urteils-
fähig,
wenn deine
Selbst-
Überwindung auch
dich
einst von der Herrschsucht deiner Tierheit be‐
freite und du eingegangen sein wirst in das
Bewusstsein deines
Geistesmenschen! ‒ ‒
Du sollst nicht mich und meine Worte, sondern
deinen Irrtum überwinden, der
in dir selbst
seine Ursache hat!
* *
*
Alle höchste Weisheit ruht im
Sein
und
nicht im «Denken». ‒ ‒
Tiefste
Wirklichkeit im wahren
Sein
kann dir erst leuchtend wahres
Denken
schenken!
Denken, das
nur «Denken» ist
führt irre Pfade ‒
Wahres Sein allein gebärt Gedanken
voll der Gnade!
Alle höchste Weisheit quillt
aus vollem
Leben ‒ ‒
Nie kann dir dein blosses
Denken
höchste
Weisheit geben!
*
Das geistige Lehrwerk von Bô Yin Râ, besteht aus folgenden
32 Büchern:
DAS BUCH DER KÖNIGLICHEN
KUNST
DAS BUCH
VOM LEBENDIGEN GOTT
DAS BUCH
VOM JENSEITS
DAS BUCH
VOM MENSCHEN
DAS BUCH
VOM GLÜCK
DER WEG ZU GOTT
DAS BUCH DER LIEBE
DAS BUCH DES TROSTES
DAS BUCH DER GESPRÄCHE
DAS GEHEIMNIS
DIE WEISHEIT DES JOHANNES
WEGWEISER
DAS GESPENST DER FREIHEIT
DER WEG MEINER SCHÜLER
DAS MYSTERIUM VON GOLGATHA
KULTMAGIE UND MYTHOS
DER SINN DES DASEINS
MEHR LICHT
DAS HOHE ZIEL
AUFERSTEHUNG
WELTEN
PSALMEN
DIE EHE
DAS GEBET /
S O SOLLT IHR BETEN
GEIST UND FORM
FUNKEN / MANTRA PRAXIS
WORTE DES LEBENS
ÜBER DEM ALLTAG
EWIGE WIRKLICHKEIT
LEBEN IM LICHT
BRIEFE AN EINEN UND VIELE
HORTUS CONCLUSUS
Nicht zu dem geistigen Lehrwerk gehörig, wenn auch
aufs engste daran anschliessend:
IN EIGENER SACHE
DAS REICH DER KUNST
OKKULTE RÄTSEL
AUS MEINER MALERWERKSTATT
KODIZILL ZU MEINEM GEISTIGEN LEHRWERK
MARGINALIEN
ÜBER DIE GOTTLOSIGKEIT
GEISTIGE RELATIONEN
MANCHERLEI
sowie die beiden Flugschriften:
ÜBER MEINE SCHRIFTEN
WARUM ICH MEINEN NAMEN FÜHRE
Postum herausgegeben:
NACHLESE
Gesammelte Prosa und Gedichte aus Zeitschriften
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG AG.
ZÜRICH 48
Französische Übersetzungen im Verlag
Ed. «La Balance», Paris
Holländische Übersetzungen im Verlag
Servire, Den Haag
Schwedische Übersetzungen im Verlag
Widiugs Förlags A. B., Stockholm
In der Kober'schen Verlagsbuchhandlung AG. Zürich
erschien 1954
BÔ YIN RÂ
LEBEN UND WERK
von Prof. Rudolf Schott
In Vorbereitung:
DER MALER BÔ YIN RÂ
von Prof. Rudolf Schott
Zweite, mit Text und Bildern erweiterte Auflage
DIE KOBER'SCHE
VERLAGSBUCHHANDLUNG AG.
ZÜRICH
ist Verlegerin und Besitzerin sämtlicher Schriften und
Verlagsrechte des Autors Bô Yin Râ. Seine Bücher sind durch
jede gute Buchhandlung zu beziehen. Wo die Bücher nicht auf
Lager sind, werden durch den Verlag bereitwilligst Buch‐
handlungen nachgewiesen, die in ihrem Sortiment diese Bücher
führen.
ENDE
BRIEFE
AN EINEN
UND VIELE
gegründet 1816
KOBER`SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG AG
BERN
2.Auflage
unveränderter Nachdruck
der 1935 erschienenen Ausgabe
©
1971 Kober`sche Verlagsbuchhandlung AG. Bern
alle Rechte vorbehalten, insbesondere die der Übersetzung
in fremde Sprachen und der Verbreitung in Rundfunk und
Fernsehen
Druck: Graphische Anstalt Schüler AG. Biel
UM DEN FORDERUNGEN DES URHEBERRECHTES
ZU ENTSPRECHEN, SEI HIER VERMERKT, DASS
ICH IM ZEITBEDINGTEN LEBEN DEN NAMEN
JOSEPH ANTON SCHNEIDERFRANKEN FÜHRE,
WIE ICH IN MEINEM EWIGEN GEISTIGEN SEIN
URBEDINGT BIN IN DEN DREI SILBEN:
BÔ YIN RÂ
Die Vorbemerkung und das Schlußwort gehören OO
organisch zu diesem Buche und wollen nicht als OO
Nebensache betrachtet werden!
Daß, und warum ich gegen Veröffentli‐
chungen der nur auf bestimmte Anlässe
gerichteten und daher als nur einmalig gül‐
tig gemeinten, nur nach genauester Kennt‐
nis ihrer Entstehungsumstände bewert‐
baren Briefe Verstorbener bin, habe ich in
einem Buche, das den Titel „Wegweiser”
führt, deutlich genug gesagt.
.Da mir aber jede Macht fehlt, nach mei‐
nem „Tode” eine Veröffentlichung von
Briefen zu verhüten, die auch ich nur im
Hinblick auf ehedem augenblickhaft ge‐
gebene datumsbeschränkte besondere Ver‐
anlassungen, und als nur in ihrem Geltungs‐
bereich einmalig gültig geschrieben ange‐
sehen wissen wollte, so wäre es recht tö‐
richt, wenn ich mich schon bei Lebzeiten
über solchen möglichen Mißbrauch des
Meinen grämen würde.
.Hingegen finde ich mich veranlaßt, das
immer nur Ephemere, Eintagsgültige zeit‐
und sachbestimmter Gelegenheitsbriefe
unmißverstehbar erkennen zu lehren, in‐
dem ich hier ‒ als Gegenbeispiel ‒ Briefe
darbiete, die jederzeit wieder aufs neue
Einzelnen Hilfe bringen können, weil sie
wirklich nur meine auf alle Zeiten bezo‐
gene Lehre erkennen lehren.
.Ich habe solche Briefe voreinst vielmals
an Viele geschrieben, wenn auch jeweils
in gewissen Abwandlungen, so daß es viele
Leser geben wird, die in der Gestalt des
Adressaten sich selber wiedererkennen wer‐
den. Ich hoffe aber, daß keiner der hier Ge‐
meinten das voreinst ihm privatim Dar‐
gebotene nun etwa als durch die mir ja nur
allein zustehende Veröffentlichung des
Meinen für ihn „profaniert” empfinden
wird, denn auch jetzt wird das Gesagte doch
nur Seelen dienen können, die dafür in
sich selber vorbereitet sind.
.Das, was ich ehedem vielen verschie‐
denen Menschen auf ihre Briefe und Fra‐
gen hin im Einzelfall zu antworten hatte,
ist nun hier zusammengefaßt, weil ich es
ja in jedem mit der ins Irdische gefesselten
Seele und ihren hier möglichen Erfahrun‐
gen, wie ihren immer gleichen „Fragen”
zu tun hatte. Jeder einzelne der hier dar‐
gebotenen Briefe bezieht sich jeweils ge‐
treulich auf bestimmte, vormals an mich
gelangte Anfragen, Mitteilungen und Be‐
richte. Der Anlaß, den meine hier im Buch
gegebene jeweilige Briefantwort erwähnt,
wurde also in keinem Falle etwa erst für
die Beantwortung von mir erfunden! Lange
schon sind jedoch die Zeiten vorbei, in
denen ich, außer aller nur mir bekannten
rigorosen Pflichterfüllung im ewigen Gei‐
stigen, vom Morgen bis zur Dunkelheit ‒
praktisch durch keine Pause unterbrochen
‒ produktiv arbeiten konnte, dann eine
eilig genossene kleine Mahlzeit zu mir
nahm, und nachher bis zum neuen Morgen‐
grauen am Schreibtisch saß, um Briefe zu
beantworten, worauf ich nach einem kur‐
zen tiefen Schlaf wieder vor einer Maltafel
war oder Manuskripten die Form schuf, in
der sie den auf Licht Harrenden zugänglich
werden sollten. Ich will heute nicht fragen,
ob meine Hingabe zu unbeschränkt war,
soweit sie der Beantwortung von Briefen
galt, aber mein erdenkörperlicher Organis‐
mus hat schließlich diese ihm viele Jahre
hindurch, ununterbrochen widerfahrene
Behandlung recht übel beantwortet, so daß
ich definitiv ihr zu entsagen gezwungen
wurde.
Mögen nun die hier gegebenen Briefe
dafür allen der Lehre Würdigen dargebo‐
ten sein, die allein sich durch sie ange‐
sprochen wissen sollen!
.Daß ich den Inhalt, verglichen mit den
ehedem so oft geschriebenen privaten Er‐
klärungs- und Beratungsbriefen, sehr we‐
sentlich zu bereichern vermochte, ergab
sich aus der Natur der mir von mir selbst
gestellten Aufgabe, hier ein Buch in Brie‐
fen zu geben: ‒ ein Buch, das, langher schon
vorbereitet, zuletzt nur in dieser Form zu
seiner Gestaltung kommen konnte.
.Die Briefe sind nicht etwa diktiert, son‐
dern trotz allen mein Schreiben zur Zeit stö‐
renden physischen Behinderungen mit der
Hand geschrieben, so, wie ich ehedem
ohne plagende Hemmung ihre Vorbilder zu
schreiben vermochte. Doch liegt hier keine
„Ausnahme” vor, denn ich habe bis auf den
heutigen Tag noch nichts veröffentlicht,
das anders als durch Handschrift mit der
Feder entstanden wäre. Das Manuskript für
den Setzer hat immer ein handgeschrie‐
benes erstes Manuskript zur Vorlage, das
freilich die physische Mühsal seines Zu‐
standekommens meistens nicht zu verber‐
gen vermag und so wenig meinen Ansprü‐
chen an meine Handschrift entspricht, daß
ich die seltenen, unumgänglichen Briefe,
die ich mitunter noch zu schreiben ver‐
suche, notgedrungen nur zu nachfolgender
Abschrift ins Stenogramm diktieren kann.
Die Handschrift hingegen muß heute, so‐
weit sie mir möglich wird, allein der sie
unumgänglich verlangenden Gestaltung
meiner Lehrtexte vorbehalten bleiben, die
sich nun hier in diesem Buche in Brief‐
form darbieten, wobei jeder von mir ge‐
meinte, wirklich angesprochene Leser je‐
den Brief als an sich selbst gerichtet be‐
trachten darf, auch wenn ich niemals eine
Zuschrift von ihm empfing und auch gewiß
keine privatim beantworten könnte.
Zurück! ‒
Zurück mit euch! ‒
Die ihr alles geflissentlich
Und beflissen umdrängt,
Was eurer leibesentstandenen
Unsauber riechenden
Tierseelen
Lüstern leckender Gierde
Nicht zugemeint ist!
Ich bin nicht gekommen
Um euch: ‒ den einzigen,
Die ich
nicht rufe ‒
Der „Eure” zu heißen!
Das, was ich bringe,
Ist nur den Lauteren,
Ewiger Seele Gewärtigen,
Sauberen, Herben, Verhaltenen,
Lange Zögernden dargeboten,
Die mit
gereinigten Händen
Zu fassen wissen,
Was ihr nur ‒
befleckt!
*
„
Sag' uns: ‒
Wer bist du?
Wir müssen dich
kennen! ‒
Wie sollen wir wahr
Deine Art benennen?!”
Ich bin ein Strahl
Und sein ewiges Licht!
Ich bin ein Wort
Das sich selber spricht!
Ich bin ein Schwert
Und ein schützender Schild!
Ich bin ein Former
Und auch sein Bild!
Ich bin ein Ring
Und bin sein Stein!
Ich bin der Winzer
Und bin der Wein!
Ich bin ein Stamm
Und des Stammes Reis!
Ich bin ein Mensch,
Der die Weise weiß:
Funken zu schlagen
Aus ewigem Eis!
*
Was ich bringen komme,
bringt man erst
dem
eigenen Blute,
Bevor man weitergibt
aus eigenem Gute
Auch
fremden Stämmen,
Was sie gültig fassen. ‒
Wollt ihr nicht haben,
was ich euch
als
Ersten bot,
Dann werdet ihr, ‒ glaubt mir:
ich
kenne das Gebot! ‒
Das, was
euch heute finden
sollte,
später,
fernher holen: ‒ ‒
Der
Nacht Genossen ‒
scheu, auf leisen Sohlen...
*
Sie sagen mir, daß Sie im „Buch vom le‐
bendigen Gott” vieles finden, das Ihnen
lange schon als eigenes Besitztum der
Seele gelte, obwohl Sie nicht dazu gelangt
seien, dem von Ihnen seelisch Empfunde‐
nen auch selbst „in Worten Ausdruck”
schaffen zu können.
.Da Sie sich nicht näher über die einzel‐
nen Stellen des Buches aussprechen, auf
die sich Ihr Gefühl des Wiedererkennens
eigener Empfindung bezieht, nehme ich
an, daß Sie in den einzelnen Kapiteln, die
Ihnen ja doch fraglos dem Gesamtinhalt wie
der Formung nach neu waren, dennoch zu‐
weilen an Sätze gelangten, die Sie wie wort‐
gemäße Darstellungen des bereits ohne
mein Buch in Ihnen Erfühlten anmuteten.
.Verstehe ich Sie damit recht, so liegt
dann wirklich ein „Wiedererkennen” des
auch Ihnen Eigenen vor, da Ihre Seele ja
aus dem gleichen Urgrund stammt wie die
meine, und ich in meinen Büchern nach
nichts anderem trachte, als nach Darstel‐
lung der ewigen, von allem zeitlichen
Meinen und Glauben ganz unberührten
Wirklichkeit, die aller Seele Urbesitz ist,
auch wenn in diesem, von physisch Kör‐
perlichem laut übertönten Erdenleben das
Bewußtsein um solchen Besitz bis zu nur
traumhafter Fernschau einer verblaßten
Erinnerung abgedrängt wird. So betrach‐
tet, überrascht mich Ihre Behauptung nicht
im mindesten. Sie zeigt mir nur, daß ein‐
zelne meiner Worte das normalerweise wäh‐
rend dieses Erdenlebens kaum noch faß‐
bare Erinnerungsbild der Seele soweit in
Ihnen zu verstärken imstande waren, daß
es Ihnen in den berührten Punkten wort‐
geformt faßbar wurde. Was Sie über das
Glück sagen, nun gewisse, Ihnen wohlbe‐
kannte seelische Empfindungen anhand
meiner Worte „nach Wunsch und Willen”
jederzeit aufs neue nacherleben zu können,
ist nur eine Bestätigung des hier Erklärten,
so daß Sie ganz unbesorgt sein dürfen hin‐
sichtlich des Ihnen „merkwürdigen, aber
eigentlich wohltätigen” Gefühls der erlang‐
ten Gewißheit über einen inneren Bezirk,
der Ihnen vordem als ganz unerkundbar
erschienen war.
.Sie sind aber auch durchaus in guter
Selbstberatung, wenn Sie mir gestehen,
selbst zu fühlen, wie sehr Sie noch meiner
Worte bedürfen, ja, wie Sie vorerst in
diesen Worten die einzigen brauchbaren
„Schlüssel” zu den Schatzkammern Ihres
seelischen Besitzes erkennen.
.Gern höre ich weiterhin von Ihnen, wie
Sie sich dieser Schlüssel zu bedienen wissen.
.Sie werden zwar gewiß keinen regel‐
mäßigen Briefaustausch mit mir erwarten
dürfen. Ich müßte mich selber vervielfachen
können, sollte ich auch nur den kleinsten
Teil der Wünsche erfüllen, die eine Be‐
antwortung an mich gerichteter Briefe er‐
hoffen. Nicht meine „kostbare Zeit”, die
ich leider bis zum Überdruß in vielen Zu‐
schriften erwähnt finde, versagt es mir, alle
die Antworten niederzuschreiben, die ich
von Herzen gerne geben möchte, sondern
die mir verfügbare irdische Kraft, die längst
über alles zulässige Maß hinaus überlastet ist.
.Sobald ich Sie jedoch in Ihren, hier aus‐
drücklich von mir erbetenen Berichten bei
einem störenden Irrtum gewahren sollte,
will ich dennoch tun, was mir möglich ist,
um Sie gut beraten zu wissen.
.Der Himmel segne Sie!
Unsere Fähigkeit, Seelisches zu erleben,
ist durch gewisse Aufnahmehemmungen be‐
hindert, die man in Analogie zu dem Ver‐
halten unserer physischen Fähigkeiten:
„Ermüdungserscheinung” nennen darf.
Was Sie mir nun zu berichten haben, ist
deutlich als Schilderung einer solchen Er‐
müdungserscheinung zu erkennen.
.In Ihrer ersten Freude darüber, manches
Ihnen bekannte seelische Empfinden zum
erstenmal in Worten dargestellt zu sehen,
hatten Sie alles andere, was in meinem
Buche gesagt ist, offenbar vorläufig außer
acht gelassen und sich mit dem Ihnen nicht
Bekannten auch weiter nicht beschäftigt.
Ihre Erregung durch jene meiner Worte,
die Sie als „genaue Beschreibung” des
Ihnen bekannten seelischen Erlebens emp‐
fanden, war, wie Sie ja selbst sagen, „über‐
aus stark und nachhaltig”. Kein Mensch
aber kann ein solches seelisches Erregtsein
dauernd in gleicher Stärke festhalten. Es
folgt naturnotwendig ‒ und zum Glück
für unseren physischen Organismus ‒ das
Abklingen auch der stärksten seelischen
Erregung. Sie aber wollten sich dem wider‐
setzen und glaubten, das immer erneute
Lesen der Sätze, die in Ihnen so lebendige
Wirkung hervorgebracht hatten, müsse zu
immer neuer Beglückung durch Bestäti‐
gung eigenen seelischen Erlebens führen.
Daß Sie sich aber dadurch nur immer mehr
übermüden mußten, kam Ihnen nicht in
den Sinn, und in diesem übermüdeten Zu‐
stande stiegen nun jene Worte plötzlich vor
Ihnen auf, die von Dingen handeln, die
Ihnen noch ganz unbekannt sind. Das ist
jedoch durchaus nicht „unheimlich” oder
„beängstigend”, wie Sie in Ihrem Briefe
an mich sagen!
.Sie wurden nur gewahr, was Ihnen beim
ersten Versenken in Schilderungen des
Ihnen Bekannten, an noch nicht Bekann‐
tem entgangen war, weil Sie unwillkürlich
darüber hinweg gelesen hatten.
.Es wird Ihnen jedoch bei jedem erneu‐
ten Lesen eines meiner Bücher ähnlich
gehen, auch wenn Sie glauben sollten, den
Inhalt des Buches, das Sie gerade wieder
zur Hand nehmen, beinahe auswendig zu
wissen. Sie werden mit Erstaunen wahr‐
nehmen, daß Sie zwar des Inhalts kundig
zu sein glaubten, aber im Wiederlesen
immer wieder neuem Inhalt begegnen!
.Diese Bücher lassen sich nicht „auslesen”,
weil ihr Inhalt allen überhaupt möglichen
Konstellationen seelischen Bewußtwerdens
Darstellung gibt, und weil jedes erneute
Lesen den Leser in einer anderen seelischen
Aufnahmefähigkeit findet.
.Es ist daher für Sie gar kein Grund ge‐
geben, an der Erweiterungs- und Vertie‐
fungsmöglichkeit Ihres seelischen Erleben‐
könnens zu zweifeln. Nur müssen Sie Ge‐
duld haben, wie man Geduld haben muß,
wenn man ein Musikinstrument spielen,
oder eine fremde Sprache frei gebrauchen
lernen will.
.Sie hatten vielleicht Ihre Vertrautheit
mit dem, was es für uns Menschen in der
Seele zu erleben gibt, überschätzt, und
müssen sich nun zu der Erkenntnis durch‐
arbeiten, daß es unvergleichlich mehr See‐
lisches zu erleben gibt, als Sie bis jetzt zu
erahnen vermochten.
.Wenn die gegenwärtigen Zweifel an Ihrer
Erlebensfähigkeit dem Seelischen gegen‐
über, Sie vor solchem, so verhängnisvollen
Überschätzen dessen, was Sie seelisch er‐
lebt zu haben glauben, in Zukunft bewah‐
ren werden, dann ist Ihre augenblickliche
Enttäuschung das beste Vorzeichen dafür,
daß Sie sich dereinst ‒ wenn es auch länger
hingehen mag, als Ihnen erwünscht wäre ‒
im Reiche der Seele erwacht finden wer‐
den. Fassen Sie neuen Mut und bedenken
Sie, daß Ihr Ziel zu seiner Erreichung große
Hingabe erfordert!
Weil du
dir selber
.dich zu weit
entrücktest
Und träumend dich
.an Traumgebild entzücktest,
Ist dir das Band, das dich
.mit
Gott verband, ‒
entglitten:
In Trug und Tand hast du
.dich,
selbst erlitten.
In dich
gezwängt,
.hast du dann Gott
gerufen, ‒
Von dir
bedrängt,
.liegst du nun vor den Stufen,
Die ‒ in dir selber ‒
.dich zu Gott erheben:
Aus Dunst und Dunkel,
.zu dir neuem Leben!
*
An allem dürfen Sie zweifeln ‒ auch an
mir ‒ nur nicht an der Möglichkeit, im
Lichte der Seele zum Erwachen kommen
zu können! Ihr letzter Brief enthält aber
keinen einzigen Satz, der nicht aus solchem,
alles Erleben der Seele hindernden Zwei‐
fel hervorgegangen wäre.
.Sie könnten ja recht haben, wenn Sie mir
nun schreiben, Sie sähen sich ‒ im Gegen‐
teil zu meiner letzten Äußerung ‒ von mir
„überschätzt”. Aber was ich Ihnen als ein
Ihnen Erreichbares in der Ferne zeige,
würde durch irgendwelche Überschätzung
Ihrer Person keineswegs für Sie weniger
sicher erreichbar!
.Wenn Sie einmal soweit sind, wie Sie
sein müssen, um das von mir aufgezeigte
Ziel erreicht zu haben, werde ich Sie ganz
gewiß nicht mehr „überschätzen”, gesetzt,
daß heute wirklich Überschätzung bestün‐
de. Aber Ihr nun so lebhaft sich bekun‐
dendes Bestreben, sich selbst zu verklei‐
nern, ist ja nur die Reaktion auf Ihre vor‐
herige Überbetonung im Seelischen, Ihrem
eigenen Bewußtsein gegenüber. Pendel‐
ausschlag nach der anderen Seite!
.Sie müssen vor allem jetzt erst einmal zur
Ruhe kommen und Ihre eigene Mitte finden!
.Vielleicht beseitigt es Ihre Befürchtun‐
gen, daß ich Ihnen Hoffnung auf Erreichung
des erstrebten Zieles nur deshalb machen
könne, weil ich Sie wohl doch „über‐
schätze”, wenn ich Ihnen darauf antworte,
daß ich Sie nur in der allen seelisch Suchen‐
den zu Anfang eigentümlichen Verfassung
sehe, sich selbst zu wichtig zu nehmen. ‒
Sich selbst und das Urteil Anderer!
.Aber das ist, gleichnisweise gesagt, eine
Art psychophysischer Kinderkrankheit, die
nur dann zu Besorgnis Anlaß bieten könnte,
wenn sie nicht in absehbarer Zeit zum Ver‐
schwinden gebracht würde.
.Sie stehen heute am allerersten Beginn
eines Weges, dessen Ziel Ihnen zwar ge‐
dankenmäßig vorstellbar, aber in seiner
Wirklichkeit nur ahnungsweise bekannt ist.
Ihr Weg ist in Ihnen selbst, und nur in
Ihnen selbst finden Sie dereinst sich auch
an dieses Weges seelischem Ziel. In Ihnen
selbst aber sind auch alle die Waldteiche,
Sümpfe und Pfützen, in denen Sie bisher
sich so gerne zu betrachten liebten.
.Sie werden wissen, was ich meine, auch
wenn ich die Art dieser Spiegelungsgelegen‐
heiten hier absichtlich nicht mit Fachaus‐
drücken der Psychologie benenne. Dieses
Selbstbetrachten und Sich-im-Bilde-sehen‐
Wollen werden Sie allmählich ganz auf‐
geben lernen müssen, wenn Sie auf Ihrem
Wege zu sich selbst das Ziel nicht aus den
Augen verlieren wollen.
.Sie sind ganz der Gleiche, einerlei, ob
Sie sich bei Ihren Selbstbespiegelungen im
Bilde gefallen oder nicht! Jedes von Ihnen
im Innern aufgenommene Spiegelbild Ihres
jeweiligen Bewußtseinszustandes bewirkt
aber ein Festhaften an der Stelle, die Sie
durch Weiterschreiten ja gerade verlassen
lernen sollen. ‒
.Als was Sie sich selbst und Anderen hier
im Erdenleben gelten: ‒ welche Stellung
Sie einnehmen, welche Bedeutung dieser
Stellung zukommt, ‒ ob Sie zu befehlen
oder zu gehorchen haben, und tausend an‐
dere irdische Wichtigkeiten, an die Sie sich
hier gefesselt fühlen oder von denen Sie
gar nicht befreit sein möchten, ‒ das alles
sind Dinge zwischen Geburt und Grab. ‒
Was aber in Ihrer Seele von Ihnen erst ge‐
sucht und gefunden werden will, ist Ewi‐
ges, das von alledem unberührt bleibt, was
Ihnen hier auf Erden irdisch so wichtig ist.
.Trachten Sie immerhin nach dem, was
Sie in Ihrem irdischen Dasein irdisch hoch
bewerten, aber versäumen Sie darüber Ihr
Ewiges nicht!
.Ihr Erdenkörper ist nur die Werkstatt,
in der Sie Ihrem Ewigen Gestaltung schaf‐
fen können. ‒ Er bietet Ihnen das Werk‐
zeug, das Sie zur Selbstformung brauchen,
aber Sie selbst nur schaffen sich damit ‒
die Form!
.Ohne sich selbst diese, Ihre geistige
„Form” aus Ihrem Ewigen gestaltet zu
haben, können Sie unmöglich in Bewußt‐
seinsidentität mit Ihrem persönlichen ir‐
dischen Bewußtsein, in Ihrem Ewigen be‐
wußt werden! ‒ Aus der Perspektive des
in seine tierorganbestimmten Sinne gefes‐
selten Erdenmenschen her gesehen, wäre
Ihr Ewiges auch ewig Ihr Fremdestes, denn
er weiß nichts von ihm und kann höch‐
stens, durch Überredung, in sehr fragwür‐
diger Weise, daran zu „glauben” bewogen
werden. Ihr Ewiges wird Ihnen jedoch be‐
wußt werden als unverlierbarer Bewußt‐
seinsbesitz, sobald Sie ihm die Ihnen ge‐
mäße geistige Form gestaltet haben, die nur
Sie allein ihm gestalten können, durch die
Ihnen entsprechende, kontinuierlich bei‐
behaltene Willenshaltung.
Es würde mir wie ein Unrecht erscheinen,
wollte ich Sie nach diesem, Ihrem letzten
Brief, der eine so mannhaft klare Entschei‐
dung bringt, länger als unvermeidlich nö‐
tig, ohne Antwort lassen. So stelle ich vie‐
les, was von mir getan werden will, einst‐
weilen zurück, damit Sie gleich von mir
hören.
.Ich verstehe aber auch Ihre Sorge und
will gerne Ihrer, wie Sie sagen: „trockenen
und durch den Beruf schon vorwiegend
verstandesmäßig eingestellten” Natur alle
Brücken bauen, die sie etwa braucht.
.Zeigen Sie mir unbesorgt Ihre Schwie‐
rigkeiten auf!
.Es würde mich selbst belehren, sollte ich
entdecken, daß ich das in meinen Büchern
bereits auf die mir gemäße Art Gegebene
auch in Ihnen geläufigere Form umgießen
könnte. Nicht minder lernbereit bin ich,
aus den Worten eines seriösen und nüch‐
tern urteilenden Mannes zu ersehen, wo
ich möglicherweise berechtigte Fragen
offengelassen oder aber dem Leser Auf‐
gaben dargeboten haben könnte, deren er
nicht mit der Zeit Herr zu werden ver‐
möchte.
.Was jedoch die von Ihnen erwähnte „un‐
gewohnte Schreibweise” betrifft, in der ich
jeweils in den Büchern das Darzustellende
behandelt habe, so darf ich in aller Sachlich‐
keit sagen, daß ich noch keine einzige Ab‐
handlung geschrieben habe, bei der es mei‐
ner Willkür freigestellt geblieben wäre, das
zu Sagende zur damals gegebenen Zeit auch
anders zu sagen, als es sich ausgedrückt
findet.
.Ich habe nie und nirgends nach einem
Rede- oder Schreibstil gesucht, sondern
immer alles so niedergeschrieben, wie es
sich mir nach geistig bestehenden Lautwert‐
gesetzen formen mußte.
.Mit einer Spur literarischen Ehrgeizes
hätte ich mich im Ganzen gewiß ohne
Schwierigkeit einer der Zeit geläufigen
Schreibweise bedienen können. Aber es lag
und liegt mir nicht nur alles literarische
Streben fern, sondern ich bin auch viel zu
sehr mit meiner ganzen Liebe bei jedem
Wort, das ich gebrauche, ‒ bei jedem
Buchstaben, den ich niederschreibe, ‒ als
daß ich daneben noch Sorge tragen könnte
darum, wie sich das, was ich sagen muß,
dem allgemeinen Schrifttum meiner Erden‐
zeit einfügen lasse. Wo ich Worte vorfinde,
wie ich sie brauche, dort trage ich kein
Verlangen nach anderen, und wo ich mit
denen, die ich vorfinde, nicht auskomme,
schaffe ich mir selbst jeweils die Wortform,
die nötig ist.
.Ich kann überdies nichts schreiben, was
ich nicht in betontester Weise als gespro‐
chen empfinde. Dieser Umstand erklärt
alles, was auf den ersten Blick vielleicht
an meiner Art, die Sätze zu sondern und
die Interpunktion anzuordnen, als gesuchte
Wunderlichkeit erscheinen könnte. Da Sie
ja jetzt im Besitz des im Laufe zweier Jahr‐
zehnte von mir Geschriebenen sind, wird
Ihnen auch in manchem der zuerst erschie‐
nenen Bücher eine freigebige Verwendung
der Gedankenstriche auffallen, die aus dem
Bedürfnis zu erklären ist, irgendwelche
Zeichen zu haben für die kürzeren oder
längeren Pausen zwischen den als gespro‐
chen empfundenen Wortfolgen. Das fatale
Mißverstehen der Absicht hat mich dann
später aber veranlaßt, den Gebrauch dieser
Zeichen aufs Allernötigste einzuschränken.
.Dessenungeachtet besteht für den Leser
die Notwendigkeit weiter, sich das Ge‐
schriebene lauthaft gesprochen vorzustel‐
len, wenn er sich nicht selbst um recht
Wesentliches bringen will, was ihm die ge‐
lesenen Sätze an Innerstem zu geben haben.
.Damit wären wohl die ersten erbetenen
Erklärungen erschöpft, die ich Ihnen schul‐
dig zu sein glaube, nachdem ich jetzt Ihre
Entschließung kenne, Tag für Tag eine
ruhige Stunde dem eindringlichen, wenn
auch vorläufig erst mehr verstandesmäßigen
Studium meiner Lehrtexte zu widmen.
.In bezug auf die Reihenfolge dieses Stu‐
diums möchte ich Ihnen lieber alle Frei‐
heit lassen, obwohl ich manches gerne zu‐
erst gelesen wünschen würde, bevor man
an anderes geht, das gewisse Vorstellungen
schon in leidlicher Klarheit voraussetzt.
Ich rate Ihnen aber, immer wenn Sie eines
der Bücher beendet haben und nach einem
anderen greifen, nur eines zu wählen, was
Sie beim ersten Blättern sogleich stark an‐
spricht. Haben Sie aber Mühe, weiterzu‐
kommen, dann legen Sie lieber ein solches
Buch für spätere Zeit zurück, und wählen
derweil ein anderes, mit dem Sie eher ver‐
traut zu werden glauben.
.Meine Segenswünsche sind mit Ihnen!
Daß Sie erst jetzt, nach vier Monaten,
wieder zum Schreiben an mich gelangen
konnten, erfordert wahrhaftig keine Ent‐
schuldigung.
.Abgesehen davon, daß ich ja um Ihre
stete intensive Berufstätigkeit weiß, durfte
ich doch wohl auch annehmen, daß Sie mir
nur dann Fragen vorzulegen haben wür‐
den, wenn alle Prüfung des Textes Ihnen
die Selbstbeantwortung unmöglich erschei‐
nen ließe, und zu solcher Prüfung gehört
Zeit! Wenn man ununterbrochen und
durch keine Maximalstundenzahl einge‐
schränkt, weit über seine verfügbaren
Kräftereserven hinausgreifen muß, um sei‐
ner Arbeitsverpflichtung auch nur im Drin‐
gendsten Herr zu bleiben ‒ wie das bei mir
der Fall ist, ‒ dann kann ein Zeitraum
von vier Monaten zuweilen so zusammen‐
schrumpfen, daß er kaum wie die Zeit‐
spanne von vier Tagen empfunden wird.
.Ich verstehe, daß Sie sich erst einen „Ge‐
samtüberblick” über die Bücher und ihre
Einzelkapitel verschafft haben mußten, be‐
vor Sie an die Durcharbeitung der gegebe‐
nen Texte gehen konnten, aber ich muß
meiner Verwunderung darüber Ausdruck
geben, daß Ihnen eine solche Gesamtüber‐
schau immerhin in der doch relativ kurzen
Zeit von vier Monaten, in denen Sie auch
genug anderes zu tun hatten, gelungen ist.
Ihre bisherigen Beobachtungen bestätigen
dieses Gelingen!
.Es war ein recht glücklicher Gedanke,
die Bücher und Bändchen in der Reihen‐
folge ihrer Erscheinungszeit durchzusehen,
und es war mir sehr erwünscht, hören zu
dürfen, daß Ihnen durch die späteren Er‐
öffnungen sich so vieles ungezwungen er‐
schlossen hat, was Ihnen bereits im „Buch
vom lebendigen Gott” nur auf solche Art
erschließbar erschienen war. Auch verrät
es mir ein sicheres und feines Empfinden,
daß Sie in diesem ersten und manchem
folgenden Buch, zwischen den Zeilen wie
im Text selbst, den Kampf gewahr gewor‐
den sind, den es mich immer wieder ge‐
kostet hat, mich vor aller Welt zu mir be‐
kennen zu müssen, und wie ich daher, nur
widerwillig, erst ganz allgemein gehaltene
Berichte gab, die immer noch mehr zu ver‐
bergen wußten als sie, gezwungen, enthüll‐
ten. Ich verberge aber auch heute noch
mehr, als mir ‒ solange es andere nicht
von sich aus eindeutig sicher gewahren ‒
zu bekennen möglich und erträglich wird.
.Sie werden übrigens, beraten durch Ihre
Feinfühligkeit, im Laufe der Zeit auch noch
auf manches eindeutige Bekenntnis zu mir
selbst innerhalb meiner Lehrtexte stoßen,
das ich zwar zu geben genötigt war, aber
vor allen, die doch nichts damit anzufangen
wüßten, mit dichter Hülle bedeckte. Ich
gestehe, daß es mir zuweilen eine diebische
Freude bereitet hat, wenn es mir gelungen
war, meiner Bekenntnisverpflichtung so zu
genügen, daß nur recht wenige, wirklich
Berechtigte zu entdecken vermochten, was
unter der Verhüllung sich vor Unberechtig‐
ten verborgen hielt und verbirgt, obwohl
die Form der Hülle keineswegs wertlos ist,
oder gar seelischem Irren Veranlassung
werden könnte. Es ist das alles andere
eher, nur nicht etwa Geheimniskrämerei!
Es ist vielmehr ein Schutz, den ich mir
schaffen mußte: ein Schutz vor törichten
Unterstellungen und groteskem Mißver‐
stehen.
.Meine Motive werden Ihnen gewichtig
genug erscheinen, wenn Sie sich vor Augen
halten, daß mir mein ewiges, allem irdischen
Einfluß entrücktes Sein zwar in distinkte‐
stem Erleben als über-zeitlich bekannt ist,
für mich aber gewiß nichts Über-natürliches
bedeutet, da ich ja seiner Geistesnatur aus
dem Ewigen her, als der meinen, immer
bewußt war. Ein zeitlich umgrenztes Pro‐
blem ergab sich erst ‒ nachdem mir ein
irdischer Menschenkörper geboren worden
war ‒ durch die in gewissem Sinne alles
menschliche Erlebenwollen überfordernde
Notwendigkeit, im irdischen Menschbe‐
wußtsein, meiner, als des Ewigen, innezu‐
werden. Daß diese Forderung lange Jahr‐
zehnte brauchte um sich im Irdischen end‐
lich ganz durchzusetzen, und daß sich immer
wieder der Widerstand menschlichen Er‐
lebenswillens dem unumschränkten Inne‐
werden können in den Weg stellte, ist ‒
nun im irdischen Sinne gemeint ‒ nur
natur-gemäß. Mit einer Art heftigen Trot‐
zes, der zuweilen in geradezu burleske Situa‐
tionen führen kann, wehrt sich menschlich‐
irdischer Erlebenswille immer wieder ge‐
gen die Okkupation des ihn nährenden
Menschen durch ein Über-irdisches, von
dem er ja vorher nicht weiß, ob es ihm
nicht endgültig alle Erfüllung verweigern
wird.
.Ich dachte nicht, daß diese Dinge zwi‐
schen uns schon so bald zur Sprache kom‐
men würden, aber es ist wohl von Ihrer
Art, sich selber möglichst ohne besondere
Fragen weiterzuhelfen, gefordert, gleich
von Anfang an auch Tatsachen ins Auge zu
sehen, an deren Erscheinung sich andere
Suchende im Gang ihres seelischen Voran‐
schreitens zuweilen erst heftig stoßen.
.Ich habe das Gefühl, daß Sie weniger
„Hilfe” auf Ihrem Wege brauchen werden,
als Bestätigung, und daß Sie auch dieser
fast entraten könnten.
.Die innere, rein geistige Hilfe ist Ihnen
sichtbarlich nahe.
Die noch des Eigendünkels
Träume binden,
Die sind es wahrlich nicht,
die das Gesuchte finden!
Nur, die sich selber
in sich selbst begraben,
Erlangen in sich selbst
die heiß ersehnten Gaben....
*
Wenn Sie sich nun selbst darüber wundern,
daß Sie vormals glaubten, so viele, den
Text an sich betreffende „Fragen” stellen
zu müssen, während Ihnen jetzt die Worte
meiner Schriften „von Tag zu Tag eingän‐
giger” werden, so kann ich solches Ein‐
leben nur begrüßen. Nicht aber etwa des‐
wegen, weil Sie mich dadurch mancher be‐
mühender Erörterung entheben, sondern
in erster Linie um Ihretwillen. ‒
.Nur, was Sie sich selbst zu beantworten
vermögen, ist wirklich für Sie beantwortet!
Empfangen Sie aber eine Antwort von
außen her, so kann damit ‒ bestenfalls ‒
die Richtung gewiesen sein, in der die von
Ihnen gewünschte Lösung einer Frage liegt,
aber auch dann wird es Ihnen allein ob‐
liegen, sich die Beantwortung selbst zu
eigen zu machen. Jede Antwort von außen
her, die Sie nicht bezwingen, schafft Be‐
drückung und preßt immer neue verwir‐
rende Nebenfragen hervor, die zu nichts
nütze sind.
.Sie werden immer deutlicher sehen, daß
in meinen Schriften wirklich alle, die ewige
Geistigkeit des Menschen angehenden Fra‐
gen soweit beantwortet sind, wie es das ge‐
hirnliche Begriffsvermögen zuläßt. Damit
aber ist auch nur die Richtung jeweils deut‐
lich gewiesen, nach der sich die Seele wen‐
den muß, wenn sie sich selber ihre jewei‐
ligen Fragen beantworten will. Wer ehrlich
vor sich selber ist, der wird sehr bald wis‐
sen, ob diese oder jene Stelle in meinen
Lehrtexten sich auf ihn und seine indivi‐
duelle Situation bezieht oder nicht, auch
wenn er gewiß nicht erwarten darf, jede
mögliche Schattierung des Erlebens, deren
Elemente ich erörtere, in meinen Worten
aufgezählt zu finden.
.Mit aller Absicht aber enthalte ich mich
der üblichen, aus philosophischen und theo‐
logischen Meinungen abgeleiteten Defini‐
tionen, da es sich in meinem Lehrwerk um
das Erleben der Wirklichkeit handelt, die
ebendort anfängt, wo die Philosophien und
Theologien, die sich der suchende Men‐
schengeist auf Erden als gedankliche Wege
zum ewigen Geiste geschaffen hat, am Ende
sind. Wenn philosophisch oder theologisch
gebundene Menschen aus meinem Lehr‐
werk Nutzen ziehen wollen, so kann das
erst dann geschehen, wenn sie über sich
selbst und damit über ihren Glauben hinaus‐
gewachsen sind, daß sie in ihren Banden
im Besitz der „Wahrheit” über die Wirk‐
lichkeit seien.
.Das ist nicht etwa nur eine bloße Behaup‐
tung, die dann freilich erst der Beweise be‐
dürfte, sondern ich gebe Ihnen hier not‐
wendigerweise im voraus Kenntnis von
einem gegebenen Tatbestand, auf den jeder
Suchende stoßen muß, der sich mit meinen
Schriften ernstlich beschäftigt.
Man muß
mit seinen philosophischen und theologi‐
schen Findungen
zu Ende gekommen sein,
bevor man den
Weg in das ewige Wirkliche
findet, auf dem einer desto eher zum Ziel
gelangt, je weniger er mit Erdachtem be‐
packt ist.
.Sie werden wohl schon bei der ersten
Durchsicht meiner Schriften gewahr ge‐
worden sein, mit welcher Toleranz ich
jeglicher religiösen oder gedanklich gefun‐
denen menschlichen Meinung begegne,
wenn sie sich auch nur in einem
übertra‐
genen Sinne als der ewigen Geisteswirk‐
lichkeit wahrhaft entsprechend erweist.
.Aber diese Toleranz soll wahrhaftig nicht
zu der falschen Annahme verleiten, daß ich
damit sagen wolle, auch philosophische und
theologische Gedankenarbeit könne jemals
in die ewige Wirklichkeit führen! Ich bringe
solchem menschlichen Tun vielmehr nur
um seiner an sich lauteren Motive willen
verstehende Achtung entgegen, und ehre
die wenigen, auf seine Art zu findenden
oder schon gefundenen
Teilwahrheiten
über das ewige Wirkliche.
.Der
einzige Weg aber, der in die
zu jeder
Zeit „ewige”
Wirklichkeit führt, ist ein
Weg des
Werdens, ‒ nicht bloß des Er‐
kennens, ‒ und um diesen Weg deutlichst
abzustecken, ist alles geschrieben worden,
was ich geschrieben habe.
.Seien Sie gesegnet auf Ihrer nun be‐
gonnenen Wanderung auf diesem Wege!
Ihre Frage: ob ich auch schon von ande‐
ren Lesern meiner Bücher Ähnliches ge‐
hört habe, wie das, was den Hauptinhalt
Ihres letzten, so bedeutsamen Briefes aus‐
macht, finden Sie bereits in dem gleichen
Kapitel beantwortet, das Sie zitieren. Aller‐
dings steht diese Antwort schon gleich auf
der zweiten Seite der von Ihnen erst in
ihrem weiteren Text herangezogenen Be‐
trachtung „Die Hütte Gottes bei den Men‐
schen”, im „Buch vom lebendigen Gott”.
.Wenn Sie jedoch Wert darauf legen, daß
Sie vom frühesten Jünglingsalter an „die
feste Gewißheit” vom Bestehen eines „der
Welt ganz unbekannten, tief verborgenen
Kreises segenverbreitender Männer” in
sich trugen, und sich mit ihnen „irgendwie
in Verbindung” fühlten, so muß ich frei‐
lich sagen, daß mir von solcher „Gewiß‐
heit”, in verschiedenen Abstufungen, erst
berichtet wurde, als das „Buch vom leben‐
digen Gott” bereits erschienen war. Dann
aber überaus häufig, und von Leuten, die
recht ungenügende Anlagen zu phantasti‐
schen Wachträumen zeigten. Sie sind mit
dem Erleben solcher „Gewißheit” in er‐
freulicher und sehr ansehnlicher Gesell‐
schaft.
.Was aber nun den Ort auf der Erde an‐
langt, an dem Sie den Ihnen irgendwie ver‐
bundenen, segenverbreitenden Kreis ver‐
muteten, so haben Sie sich gewiß nicht so
weit von dem wirklich Gegebenen entfernt
wie andere, die mir gestanden, daß sie die‐
sem mit Gewißheit erfühlten Kreis den
Wohnsitz in einem „armenischen Kloster
im Kaukasus”, auf irgendeiner Insel im Stil‐
len Ozean, oder gar mitten in einer gewal‐
tigen Weltstadt zugewiesen glaubten. Ihre
„Burg” auf einem sehr hohen Berg und
„inmitten von Schnee und Eis” ist eine
Vorstellung, die schon fast auf gedanklicher
Übertragung gewisser örtlicher Bilder be‐
ruhen könnte, die allen denen wohlbekannt
sind, die dem gemeinten Kreise angehö‐
ren, der an hochbedeutsamer Stätte auf
Erden ein Heiligtum verborgen weiß, das
nur den Seinen allein zugänglich ist...
Das Sanktuarium dieser Stätte kann aller‐
dings nur von Menschen wahrgenommen
werden, deren geistige Sinne klar und
wach Gebilde aus geistiger Substanz zu
erfassen vermögen. Soweit nur die irdi‐
schen Körpersinne in Betracht kommen,
ist an gleicher Stätte nur irdisch Materielles
und Täuschendes zu sehen ‒ ja, selbst der
besten Optik photographischer Apparate
würde es unmöglich sein, Anderes als ein
bloßes irdisches Täuschungsbild auf der
höchstempfindlich präparierten Platte fest‐
zuhalten. Was an dieser Stätte der Erde,
örtlich fixiert, aus kristallklarer ewiger
geistiger Substanz errichtet ist, kann auch
selbst von den ihm
örtlich zunächst Le‐
benden des kleinen Kreises, den Sie so
gewiß erfühlen, niemals mit dem
irdisch‐
tierischen Körper aufgesucht werden. Je‐
der, der hier Zutritt hat, kommt in
geist‐
räumlicher Selbstgestaltung, die ihm weit
mehr entspricht als sein irdischer Leib, und
keiner der Behinderungen unterordnet ist,
die äußere Materie hemmen. In diesem
wirklichen
Tempel der Ewigkeit auf der
Erde wird auch keineswegs ein Kult zele‐
briert, und ebensowenig werden hier etwa
belehrende Homilien abgehalten. Die hier
sich vereinen als wahrhaftige, vom ewigen
Geiste gesetzte Priester, erheben sich viel‐
mehr an dieser Stätte in die
vollkommene
‒ infolge geistig substantieller Verhältnisse
sonst an
keiner Stätte der Erde jemals
mög‐
liche ‒ Transsubstantiation zur
absoluten
Vereinung mit dem Vater: ‒ in eine ab‐
solute ‒ keinem „Mystiker” auch nur vor‐
stellbare ‒ „Unio mystica” ‒ und leiten
in diesem von ewiger Liebe durchlichteten
Zustand Ströme des Segens zu dafür emp‐
fangsfähigen Menschen über die ganze Erde
hin, die nur aus dieser Stätte her so er‐
reicht werden können, daß sie auch auf‐
zunehmen vermögen, wozu sie sich emp‐
fangsbereit machten.
.Da diese Stätte des wirklichen Tempels
der Ewigkeit auf Erden einer „Burg auf
hohem Berge, inmitten von Schnee und
Eis” nicht allzu unähnlich ist, so hat Sie
Ihr Vorstellungsvermögen recht nahe an
die Wirklichkeit hingeführt.
.Zu unterscheiden von der Stätte des gei‐
stigen Tempels ist eine irdischen Sinnen
wahrnehmbare Stätte gemeinsamen Le‐
bens einiger Weniger, die ihm in besonderer
Weise zugehören, aber sie liegt weder „auf
hohem Berge” noch „inmitten von Schnee
und Eis”, hat aber auch für die dort irdisch
wie andere Menschen auf ihre Art Leben‐
den im Wesentlichen nur die Bedeutung
einer selbstgewählten Wohnstatt.
.Daß die hier Wohnenden sich gegen alle
Außenwelt sorgfältig abschließen und stets
abgeschlossen halten müssen, liegt in der
Natur ihrer geistigen Sonderberufung be‐
gründet. Es ist überdies auch von außen
her gut dafür gesorgt, daß sie niemals ihre
Verborgenheit aufzugeben genötigt sein
werden, auch wenn ihnen die flache „Zivili‐
sation” europäischen Ursprungs noch näher
rücken sollte, als das bis heute geschehen
konnte.
.Was Sie mir schreiben über eine gefühlte
Verbindung zwischen Ihnen und dem von
Ihnen so gewiß erfühlten geistigen Kreise,
ist keineswegs Selbsttäuschung. Nur müs‐
sen Sie sich klar darüber werden, wie diese
„Verbindung” zustandekommt. Ich darf
wohl zwei Erfindungen aus dem Gebiet elek‐
trotechnischer Schallübertragungen hier
zum Vergleich heranziehen, denn es liegt
mir daran, daß Sie sich nicht an falsche Vor‐
stellungen hängen. Was Sie als „Verbin‐
dung” fühlen, ist nicht etwa einer Telephon‐
verbindung zu vergleichen, bei der ein
Sprechender mit einem Hörenden verbun‐
den ist, sondern eher einer durch bestimmte
Wellenschwingungen über die ganze Erde
geleiteten Radio-Botschaft.
.Es wird auf vielen Wellenlängen ganz
verschiedene Sendungen geben, Sie aber
empfangen nur, was Ihrer Einstellung ent‐
spricht.
.Jede Einflußnahme der Leuchtenden des
Urlichtes ist ‒ der Methode nach ‒ als ein
dem hier gegebenen Vergleich ähnlicher
Vorgang aufzufassen, ‒ auch dort, wo zu‐
weilen schon ganze Völker unter solchem
Einfluß waren, der jedoch immer und unter
allen Umständen sich nur auf Dinge
ewigen
Geistes beziehen konnte, ‒ niemals auf
Bestrebungen zur Erlangung materieller
Wohlfahrt, oder gar auf die Anerkennungs‐
kämpfe irgend einer Politik!
.Vom ewigen Geiste her kann kein ande‐
res menschliches Wollen und Handeln För‐
derung erfahren, als das wiederum in die
ewige geistige Wirklichkeit führende. Nur
die
ins ewige Geistige weisende Schöpfer‐
kraft des Einzelnen, wie die durch rein
geistige Kraftäußerung bewirkte höchste
Machtentfaltung ganzer Völker und Natio‐
nen, können den geistigen Einfluß der vom
Tempel der Ewigkeit auf dieser Erde aus‐
geht, empfangen! Dies zu Ihrer Anspielung
auf meine Worte der
zweiten Betrachtung
im „Buch vom lebendigen Gott”.
.Wollen Sie einstweilen alles heute von
mir Erörterte gut überdenken, bis ich dem‐
nächst vielleicht den Faden wieder auf‐
nehmen kann. Möge der lichte Segen aus
dem Tempel der Ewigkeit Sie allzeit emp‐
fangsbereit finden!
Was ich zu Ihrem neuerdings erhaltenen
Bericht zu sagen habe, ist mir Veranlassung
zu den nachstehenden rhythmischen Ge‐
fügen geworden, die Ihnen in gedrängter
Form zeigen mögen, daß Sie die gegebenen
Zusammenhänge durch Ihr eigenes Er‐
fühlen richtig deuten. Ich spreche nun
aber hier unter der Bekundung „Wir”
nicht etwa im „Pluralis majestatis”, son‐
dern aus meinem ewigen geistigen Sein,
in dem ich immerdar in der vollkommen‐
sten Vereinung mit meinen geistgebore‐
nen Brüdern im ewigen Lichte bin. Na‐
türlich spreche ich in diesen Versen nur
aus der Gemeinsamkeit mit denen meiner
geistgeeinten Brüder, die ebenso wie ich,
irdisch-physischem Menschentum zur Voll‐
bringung ihrer Aufgabe verbunden sind,
wenn auch eines jeden Aufgabe, geistes‐
bestimmt, von allen anderen verschie‐
den ist.
.Den Anlaß nützend, weise ich Sie zu‐
gleich aufs eindringlichste an, immer sehr
darauf zu achten,
welcher Standort sich
aus dem
Inhalt meiner Bekundungen je‐
weils ergibt, denn ich bin, wie ja der letzte
Vers der ersten Eröffnung besagt, als Er‐
denmensch meinem geistigen Sein ohne
Lösungsmöglichkeit verschmolzen.
Wir
Wir sind die berufenen Zeugen,
Denn wir
leben im ewigen Licht!
Unser Zeugnis ist niemals zu beugen,
Denn es wägt mit
erprüftem Gewicht.
Wir sind, was wir ewig gewesen,
Im „Vater”: ‒ im ewigen Sein! ‒
Doch wir fanden, uns
geistig erlesen,
Auch
zeitlichen, irdischen „
Schrein”...
Wir hatten ihn geistig gefunden
Lang
ehe die Erde erstand,
Doch, was sich dann
zeitlich gebunden,
Das verband schon
urewiges Band.
Wir bleiben für immer vereinigt
Dem Irdischen, der uns hier „spricht”:
Im „
Feuer” geglüht und gereinigt,
Ist er uns
verschmolzen im
Licht!
*
.Fand hier die meinen geistigen Brüdern
mit mir
gemeinsame Ankerung im ewigen
Geiste eine Darstellung, so bringe ich nun
die Antwort auf Ihre, mich
individuell
meinenden Fragen:
Ich bin nicht „ich”,
Wie einer, der Begrenzendes
Mit „Ich” benennt,
Da er nur erdenhaft Vergängliches
In sich erkennt.
Ich bin mir „ich”
Im lichtgelösten Sein.
In irdischer Umgrenzung
West mein Bild und Schein,
Sich selbst zur Plage
Und zu zeitgeborener Pein!
II
Da, wo ich bin, ist
Ewigkeit,
Weil
ewigkeitsgezeugter „Raum”
Den Erdenraum erfüllt,
Den meine Tage in der
Zeit erfüllen.
Mich selber gab ich
Diesem Leib der Erde ‒
Dem ich nun Leidesanlaß
Und Verzehrer werde ‒
Damit der „Raum” der Ewigkeit
Ihn ganz erfülle,
Und
Ewiges dem Irdischen
In sich enthülle.
III
Wenn ich aus hocherhaben hehrem Horte
Höchsten Gutes Gabe euch gewähre,
Beschenke ich nicht nur
Mit weisem
Worte,
Wie wenn ich nur des Wortes
Wahrer wäre.
Was ich euch gebe,
Ist und bleibt
mein Eigen,
Auch wenn ich es an Ungezählte gebe,
Und kann nur darum
Weg und Ziel euch zeigen,
Weil
ich in jedem meiner Worte
lebe!
*
.Ich nehme an, daß diese Aussagen Ihnen
keine neuen Fragen wecken werden, viel‐
mehr einiges auch mitbeantworten, was
ich zwischen Ihren lieben Zeilen als mög‐
licherweise
kommende Frage auftauchen
sehe.
.Aber auch hier sollen Sie nichts ohne
eigene Prüfung annehmen. Nur dann, wenn
Ihr urewiges eigenes Geistiges Ihnen willig
seine Zustimmung gewährt, sind Ihre ‒
vielleicht nur versteckten ‒ Zweifel wirk‐
lich aus dem Felde geschlagen und können
nun erst Ihren Weg nicht mehr gefährden!
.Ich hoffe, daß ich demnächst noch eini‐
ges zur Sprache bringen kann, was Sie in
Ihrem vorletzten Briefe berührt haben.
Wenn es aber bis dahin vielleicht noch ge‐
raume Zeit brauchen sollte, so bitte ich
Sie im voraus, nicht ungeduldig auf die
Post zu warten. Was ich Ihnen noch in be‐
zug auf die von den Leuchtenden des Ur‐
lichtes dargebotene geistige Leitung und
Hilfe zu sagen habe, käme auch nach vie‐
len Monaten immer noch zurecht.
.Ich segne Sie und sende Ihnen alle Hilfe
zu, deren Sie auf dem Wege zu Ihrem ewi‐
gen Geistigen bedürfen.
Was ich Ihnen zuletzt schrieb und durch
Fügungen in rhythmischer Ordnung am
besten ausgedrückt sah, hat gewiß nach kei‐
ner Antwort verlangt, und dennoch freuen
mich Ihre so aus tiefster Seele kommenden
lieben Zeilen, weil sie mir zeigen, daß auch
diesmal wieder alles ganz in dem Sinne
aufgenommen wurde, in dem ich es ge‐
geben hatte.
.Kaum hätte ich freilich bei der Absen‐
dung vermutet, von Ihnen zu vernehmen,
was Sie mir jetzt zu schreiben haben.
.Ich bitte Sie, sich mit der Antwort be‐
gnügen zu wollen, daß Ihnen solche Ein‐
sicht und Erkenntnis „wahrlich nicht
Fleisch und Blut gegeben” hat, sondern
Ihr eigenes Ewiges, aus dem allein die
Wahrheit über die Wirklichkeit, in der es
selbst lebendig ist, erlangt werden kann.
Die Erkenntnisse des Blutes ‒ was besagen
will: des an tierhaft enge Bedingtheiten
gebundenen, erdmenschlichen Fühlens und
gehirnlichen Erdenkens ‒ verhalten sich
zu dem, was nur das eigene Ewige zu ge‐
ben vermag, wie sich etwa das „Leben”
eines hartstarren Steines im nächstbesten
Bachbett zu den höchsten uns bekannten
Lebensäußerungen verhält. Nur aus dem
Ewigen kann Erkenntnis des Ewigen dem
Menschen zukommen! ‒
.Aber nun will ich diese Gelegenheit des
Schreibens an Sie zugleich dazu benutzen,
Ihnen endlich noch die Aufschlüsse zu ge‐
ben, die meine Antwort auf Ihre Bemer‐
kungen zu dem Buchkapitel „Die Hütte
Gottes bei den Menschen” schon hätte mit‐
umfassen sollen, wenn mich damals nicht
äußere Umstände gezwungen hätten, mei‐
nen Brief abzuschließen.
.Zwei allgemein bekannte und vielge‐
brauchte Erfindungen hatten sich mir zum
Vergleich geboten, als ich Ihnen Aufschluß
gab über die Art und Weise, in der die „Ver‐
bindung” der Seelen auf Erden mit den
Leuchtenden des Urlichtes zustande kommt.
.Was hier noch zu sagen ist, habe ich zwar
in einem der letzten Kapitel des Buches
„vom lebendigen Gott” ‒ ich meine hier
den Lehrtext: „Im Osten wohnt das Licht”
‒ so deutlich dargestellt, daß mir ein Falsch‐
deuten der dort gegebenen Aufschlüsse nur
durch überaus unaufmerksames Lesen halb‐
wegs erklärbar erscheint. Da ich aber immer
wieder Berichte erhielt, in denen mir im
Tone aufgeregtesten Wichtignehmens von
inneren Stimmen erzählt, und dabei an‐
genommen wurde, es müsse sich um die
„Stimme” eines leitenden „Meisters”, also
eines Leuchtenden des Urlichtes handeln,
so will ich Sie doch, der Vorsicht halber,
um Ihnen zwecklose Beunruhigungen zu
ersparen, recht eindringlich auf das auf‐
merksam machen, was ich in dem obenge‐
nannten Abschnitt, sowie in dem Haupt‐
kapitel: „Der Weg” tatsächlich sage.
.Es bedarf wirklich schon eines sehr gro‐
ben Umdeutens meiner an diesen Stellen
wie auch besonders noch in dem Buche
„Auferstehung” gebrauchten Worte, um
zu der allem Gesagten widersprechenden
Auffassung zu kommen, als meinte ich etwa
„innere Stimmen” wie sie nervenerregte
Ekstatiker, oder auch nur durch eigene, vor‐
stellungsmäßige Selbstübersteigerung auf‐
gepeitschte Geltungsbedürftige, ahnungs‐
los durch entweder zeitweilige, an be‐
stimmte äußere Einflüsse geknüpfte, oder
aber dauernde Spaltung ihrer Persönlich‐
keit sich erzeugen.
.Gerade vor solchen „Stimmen” wird ja
von mir mit jedem Worte gewarnt!
.Ich darf doch wahrhaftig erwarten, daß
man die als Bilder gebrauchten Worte:
„Stimme” und „sprechen” nur in der Weise
aufnimmt, wie sie gegeben sind und stets
wieder und wieder erklärt werden! Deut‐
lich genug sage ich doch, daß dieses „Spre‐
chen” keinesfalls dem Gebrauch einer
menschlichen Sprache verglichen werden
darf, sondern ein inneres Klarwerden des
vordem der Vorstellung Unklaren ist, her‐
vorgerufen durch Influenzwirkung einer
Entelechie, die selbst in reinster Klarheit
ihres Erkennens lebt. Ich sage das auch mit
anderen, sich aus der gehobenen Sprach‐
form ergebenden Worten, aber schon der
Umstand, daß ich die Worte, die man hier
geflissentlich in einem geradezu entgegen‐
gesetzten Sinn für sich in Anspruch nehmen
zu dürfen glaubt, meistens hinweisend in An‐
führungszeichen setze, dürfte doch jedem
Vernünftigen klar genug zeigen, daß ich sie
in distanzierender Weise betont wissen will.
Wörtlich aber sage ich ausdrücklich in dem
Kapitel „Im Osten wohnt das Licht”, daß
„durch unmittelbares Erzeugen innerer
Klarheit” im Innern des Suchenden „ge‐
sprochen” wird, ‒ „ohne Worte der Sprache
des Mundes.”... „Nicht in irgend einer
Landessprache.” Das ist denn doch wohl
eindeutig genug gesagt.
.Wenn ich in dem Hauptkapitel „Der
Weg” nebenher auch die Möglichkeit
streife, die für den geistigen Lehrer unter
gewissen, im zu Belehrenden verankerten
Umständen besteht: ‒ sich dem Klärung
Empfangenden in „magischem Bilde” zu
zeigen, so geschieht das der Vollständig‐
keit halber, und ich lasse keinen Gedanken
daran aufkommen, daß dieses „Bild” etwa
der Meister selbst sein könne. Gleichzeitig
sage ich deutlich, daß es durchaus keine
Bevorzugung darstellt, wenn einer zu sol‐
cher Bildprojektion aus sich selbst hinaus
veranlagt ist. Ich konnte nur die mir be‐
kannte Möglichkeit in einem Lehrbuch, das
von geistigen Dingen handelt, nicht einfach
unbesprochen lassen, auch wenn sie äußerst
selten eintritt, und durch Nebenumstände
bedingt ist, die kaum bei einem Europäer
gegeben sind.
.Das alles wird Sie selbst ja schwerlich als
eigene Frage angehen, da Sie sehr genau
auf jedes meiner Worte zu achten pflegen,
wie ich längst weiß.
.Es ist aber keineswegs unmöglich, daß
Ihnen andere Leser meiner Bücher begeg‐
nen, die Ihnen geheimnisvoll von ihren
„inneren Stimmen” erzählen, und diese, für
alle, nicht systematisch zu geistiger Unter‐
scheidungsfähigkeit Geschulten, ‒ immer
und unter allen Umständen ‒ bedroh‐
liche Erscheinung fälschlich in meinen
Worten gutgeheißen glauben. Solchen Leu‐
ten gegenüber, die zumeist fanatische Skla‐
ven ihrer eitlen Seele sind, und wie be‐
sessen von ihrem Glaubenstraum an ihre
vermeintliche „hohe Führung”, müssen
Sie unbedingt Ihrer Sache sicher sein. An‐
derenfalls werden Sie solchen Berichten
Gewicht geben und gar womöglich sich ein‐
reden lassen, Sie seien noch nicht „soweit
vorangeschritten”, wie Jene, ‒ oder aber
Ihre, wie Sie meinen, so „trockene und
nüchterne Natur” sei wohl ein unüber‐
windliches Hindernis, ‒ und was derglei‐
chen Bedenklichkeiten selbstkritisch ver‐
anlagter und gegen sich selbst nicht allzu
nachsichtiger Naturen mehr sind.
.Damit Sie ganz klar sehen, sei hier nun
aber auch noch auf ein Fehlverstehen hin‐
gewiesen, dem ich wirklich nicht zu be‐
gegnen fürchtete, bevor ich zu meinem Er‐
staunen gewahr werden mußte, wie weit
es verbreitet ist. Man könnte versucht sein,
anzunehmen, daß Rede in Bildern und
Gleichnissen, wie sie die Natur geistiger
Dinge nahelegt und oft genug geradezu
verlangt, von heutigen Menschen, die an
Zeitungsberichten sich sattzulesen gewohnt
sind, überhaupt nicht mehr verstanden
wird. Sonst wäre es doch nicht möglich,
daß Begriffe, wie „geistige Nähe”, „hohe
Hilfe” durch die dazu Verordneten, oder
„geistige Leitung”, „geistiger Schutz”
durch die dazu mächtigen hohen Helfer,
so oft die doch etwas gar zu plumpe Deu‐
tung fänden, als sei damit gemeint, daß
die Leuchtenden des Urlichts in einer un‐
sichtbaren Gestalt sich in die irdisch ört‐
liche Nähe eines Hilfs- oder Leitungsbe‐
dürftigen begeben müßten, um ihn ihre
segenspendende geistige Nähe erfahren zu
lassen.
.Was mit den obigen und ähnlichen Wor‐
ten meiner Schriften gemeint ist, spielt
sich selbstverständlich in einer wesentlich
anderen Weise ab. Das Verstehen hierfür
sollte man aber bei denkfähigen Menschen
wirklich als erfüllte Forderung der Logik
voraussetzen dürfen, denn wie kann man
sich denn in die Annahme verlieren, die
so wenigen, zu geistiger Hilfeleistung im
weitesten Sinne fähigen Männer auf dieser
Erde, samt allen ihren rein geistigen, nicht
im Erdentiereskörper lebenden Brüdern,
seien im Verhältnis zu der Menschenzahl
der Erde ausreichend, um sich jedem in
unsichtbarer Körperlichkeit persönlich zu
nähern, den sie ihrer Hilfe dargeboten sehen
und der ihre Hilfe wirklich braucht?! Wäre
es denn nicht auch ein geradezu entsetz‐
licher Zustand, allenthalben von einem Un‐
sichtbaren beobachtet zu sein, gerade wenn
und weil man in ihm den gütigsten Helfer
auch unerbeten um sich wüßte? ‒ Glück‐
licherweise aber gibt es nichts Wirkliches,
das dem handfesten Glauben so mancher
Leute ähnlich sähe, die sich derart wichtig
nehmen, daß es ihnen als ausgemachte Tat‐
sache erscheint, ihre kleinen und meistens
so trivialen Alltags-Sorgen müßten im Gei‐
stigen allgemein bis ins Intimste bekannt
und Gegenstand der Hilfeleistung sein.
.Gegenstand der Hilfeleistung ist für die
zur Hilfe Verordneten unter den Leuchten‐
den des Urlichts jederzeit nur auf das Gei‐
stige im Menschen bezogene Not, Schutzbe‐
dürftigkeit, oder Leitungsnotwendigkeit.
Den Menschen, der in einer solchen geisti‐
gen Situation ist, daß er für ihre Hilfelei‐
stung in Betracht kommt, finden sie mit
Sicherheit, ohne auch nur das Mindeste von
seinen irdischen Verhältnissen zu wissen,
oder auch nur eine vage Vorstellung von
seiner äußeren Gestalt und seinen Zügen
zu haben. Es ist ein rein geistiger Vorgang,
der ohne Unterlaß dieses absolut sichere
Finden bewirkt.
.Wenn ich schon in meinem damaligen
Briefe vergleichsweise die Begriffe „Tele‐
phon” und „Radio” zu Hilfe nahm, so muß
ich Sie heute ‒ so sehr der Vergleich auch
auf beiden Seiten hinkt ‒ doch nun darum
bitten, sich jetzt ein Schaltbrett von im‐
menser Größe vorzustellen, auf dem uner‐
meßlicher Raum in fast mikroskopischer
Verkleinerung in die Fläche projiziert ist.
Stellen Sie sich weiter vor, jede auf Erden er‐
scheinende Seele sei, während ihres Erden‐
lebens, auf dieser Fläche durch zwei in
einem winzigen Punkt zutagetretende Pla‐
tinelektroden repräsentiert und sobald die
Seele geistige Leitung oder Hilfe nötig habe,
sprühe ununterbrochen bis zur Abstellung
ein heller Funke zwischen beiden Elektro‐
den. Und nun gelte Ihnen der zur Hilfe oder
zur Leitung verordnete Leuchtende des Ur‐
lichts in diesem Bilde wie ein Elektrotech‐
niker, der zugleich eine Schalttafel mit
einer Unzahl von Hebeln vor sich hat, und
sofort weiß, welchen Strom er einschalten
muß, weil ihm durch die Farbe der Funken
und die Gehörseindrücke ihrer entweder
relativ langsameren oder aber gesteigert
schnellen Aufeinanderfolge genau kund
wird, welcher Strom oder welche Strom‐
kombination jeweils zur Hilfe, zum Schutz
oder aber zur geistigen Leitung vonnöten
ist. Alles Übrige aber geschähe ‒ um hier
im Bilde zu bleiben ‒ „automatisch”.
.Dieser Vergleich kann Ihnen dazu ver‐
helfen, eine richtige Vorstellung zu gewin‐
nen von der Art und Weise rein geistiger
Hilfeleistung, geistiger Leitung, und geisti‐
ger „Nähe”!
.Ich werde Ihnen nicht erst zu sagen brau‐
chen, daß gewiß keine geistsubstantielle
Apparatur dieser Art irgendwie und irgend‐
wo besteht, sondern daß dieses hier skiz‐
zierte Bild vielmehr den gegebenen Zu‐
sammenhängen in der Struktur ewigen gei‐
stigen Lebens auf eine symbolische Weise
Darstellung zu geben sucht.
.Bleiben wir beim Bilde, so ist jedoch zu
sagen, daß niemals der hier geschilderte
Funke zwischen den Elektroden aufblitzen
wird, wenn der durch das Elektrodenpaar
repräsentierte Mensch nicht aus der In‐
brunst seines Herzens Leitung, Schutz oder
Hilfe aus der Region des wesenhaften sub‐
stantiellen Geistes erwartet oder verlangt,
‒ und ebenso niemals, wenn er sich nicht
selbst dazu bereitet hat, solcher Einwirkung
ein brauchbarer Empfänger zu sein. ‒
.Die Hilfe, wie die geistige Führung
durch einen Leuchtenden im Urlicht, und
somit durch unsere ewige Gemeinsamkeit,
bezieht sich niemals auf Dinge, die zwischen
Geburt und Grab ihre Erfüllung finden
müssen, wenn sie sich gestaltet sehen sollen,
sondern immer nur auf das Erwachen der
Seele im geistigen ewigen Bereich, und
die dadurch ‒ möglichst schon während
des Erdendaseins ‒ zu erlangende Über‐
tragung des individuellen irdisch-seeli‐
schen Bewußtseins in das eigene Ewige
des Menschen. ‒
.Damit sei heute dieser recht umfänglich
geratene Brief aber denn doch nun abge‐
schlossen und Ihrem seelischen Aufnehmen
besonders empfohlen!
.Mein Segen, der Sie auf eben die Weise
erreicht, die Ihnen in diesem Briefe gleich‐
nishaft geschildert wurde, werde Ihnen zu
wirksamster Erhellung Ihrer Einsicht in
alles, was im Ewigen gründet!
Bei allem hocherfreulichen Verstehen der
letzthin von mir so ausführlich erläuterten
Form der Fernsendung geistiger Hilfe und
Führung durch die einzigen, die in solcher
Weise helfen und führen dürfen, weil sie
dazu vom ewigen Geiste verordnet sind
und helfen können, gewahre ich doch in
Ihrem neuen Briefe noch eine gewisse Un‐
sicherheit, die sich scheinbar immer wie‐
der durch mein Wort erzeugt, daß schon
„ganze Völker” zuweilen unter unserem:
‒ der Leuchtenden des Urlichtes ‒ gei‐
stigen Einfluß standen.
.Hier muß ich Sie wohl doch noch ein‐
mal darauf hinweisen, daß alle geistige
Hilfe, zu deren Spendung der ewige Vater
im Urlicht sich der durch ihn im Urlicht
Leuchtenden bedient ‒ und es gibt keine
andere ins Menschlich-Irdische wirkende
geistige Hilfe oder Führung! ‒ stets nur
die Einzelseele zu erreichen vermag, so
daß ein geistiger Einfluß auf „ganze Völ‐
ker” naturnotwendig nur dort sich ereig‐
nen kann, wo unter den Einzelseelen, die
erst Völker zu bilden vermögen, viele Bild‐
ner sind, die sich selbst so zu formen wuß‐
ten, daß geistige Führung von ihnen auf‐
genommen und verstanden werden kann:
‒ daß geistige Hilfe „empfangsbereite Her‐
zen” findet.
.Wie geistig gesandter Ein-fluß sich immer
nur auf die Erreichung des Wiederbewußt‐
werdens der Menschenseele in ihrem in‐
dividuellen Ewigen bezieht, und die Dinge
zwischen Geburt und Grab dem Erdmen‐
schen selbst frei überläßt, habe ich bereits
in meinem letzten Briefe an Sie zum Aus‐
druck gebracht. Es scheint aber, als ob ver‐
steckte, vielleicht ererbte, vielleicht aner‐
zogene Wünsche in Ihnen Unruhe zu schaf‐
fen suchten, so daß Sie gar zu gerne doch
auch einen geistigen Einfluß auf das Welt‐
geschehen gerettet sehen möchten.
.Es ist aber ein ebenso großer Irrtum,
den ewigen, göttlichen Vater irgendwo oder
in irgendwem ‒ sei es direkt oder durch
gesandte geistige Führung ‒ im Bereiche
innen- oder außenpolitischer Vorgänge ir‐
gendeines in der Weltgeschichte bekannt
gewordenen Volkes am Werke zu glauben,
wie es törichter Irrtum ist und die er‐
schreckende Geistesfremdheit der tier‐
menschlichen Seele verrät, wenn man in
den schweren Krisen der Politik, die man
„Kriege” und „Revolutionen” nennt, ewi‐
gen Willen des Geistes in der Auswirkung
zu erblicken meint.
.In allediesem Geschehen wirkt nur der
tiergebundene Mensch der Erde, und was
immer ihn zum Wirken drängt, ist ‒ ein‐
schließlich aller lemurischen Antreiber‐
peitschenschläge aus dem unsichtbaren Teil
der
physischen Welt ‒ bloß
irdisch verur‐
sacht,
ohne die geringste Mitwirkung
gei‐
stiger Einflüsse und Kräfte!
Ihr sagt:
„Die Weltgeschichte
Ist das Weltgericht!”
Gewiß!
Doch ein Gericht,
In dem der
Mensch allein
Sich
selbst das Urteil spricht!
Hier hat sich „Allmacht”
Aller Macht
begeben...
Hier spricht nur geist-
getrenntes,
Tierversklavtes Leben!
.Was wirklich der Erdenmenschheit schon
in den Tagen zwischen Geburt und Grab ein
besseres Los zu schaffen vermag, ist nur
das
Erwachen vieler Einzelseelen in ihrem
Ewigen. Es werden aber immer nur
Teil‐
gruppen der Menschheit sein, in denen
genügend Einzelseelen,
ihres Ewigen be‐
wußt, des ewigen Menschen wahrhaft
wür‐
dige Lebensgestaltungen zu schaffen ver‐
mögen, und nur durch ihr Beispiel werden
sie auch andere Teilgruppen allmählich der
Tieresübermacht entreißen können. Ein
Teil der Erdenmenschheit wird dereinst
dem ewigen Geiste bereits im Mutterleib
erschlossene Kinder gebären, während ein
anderer Teil, ‒ immer rettungslos tierver‐
haftet, ‒ zwar nicht, wie die Visionen des
Zarathustradichters meinten: den „Über‐
menschen”, wohl aber ‒ das
Übertier zeu‐
gen wird, das aller Tiere Dumpfheit, Grau‐
samkeit und Krallenlust zuletzt bis zur
Selbstzerfleischung übersteigert...
.Das ist alles, was ich Ihnen heute sagen
will, und ich hoffe, Sie werden sich in Zu‐
kunft nicht mehr durch Ihre gefühlsbeton‐
ten wachen Wunschträume betören lassen,
im äußeren Weltgeschehen „den Finger
Gottes” als Beweger am Werk zu glauben!
.Aller Segen des Lichtes sei immer mit
Ihnen!
Gerne glaube ich Ihnen, daß es Ihnen
nicht ganz leicht wurde, im Laufe der letz‐
ten Monate Ihr Weltbild im Sinne meines
zuletzt geschriebenen Briefes an Sie zu
korrigieren. Ich kann das gut nachfühlen,
denn auch mir ist es vor einigen Jahrzehn‐
ten durchaus nicht leicht gewesen, alles,
was ich von Jugend auf gehört und so gerne
geglaubt hatte, dahingeben zu müssen, als
ich der Wirklichkeit zum ersten Male an‐
sichtig geworden war.
.Um so mehr freue ich mich, von Ihnen
zu hören, daß Sie jetzt, nach der Verar‐
beitung meiner letzten Darlegungen, sich
„von einem schweren und lähmenden
Druck befreit” fühlen, der Sie vordem
„auch in den heitersten Stunden” niemals
verließ. Es ist ja wahrhaftig eine kaum er‐
trägliche Vorstellung, daß ewige Güte und
Liebe in unbegrenzter Machtfülle diese
Erdenwelt regiere, und dennoch alles ruhig
geschehen lassen könne, was hier Tag
um Tag und Nacht um Nacht an Furchtba‐
rem, Schauerlichem und Entsetzlichem ge‐
schieht, obwohl es durch den bescheiden‐
sten Aufwand überweltlicher Macht so leicht
zu verhüten wäre. Eine solche Vorstellung
kann wohl als schwerster Seelendruck emp‐
funden werden, und es ist begreiflich, daß
man wie erlöst aufatmet, wenn man ein‐
sehen gelernt hat, daß hinter ihr nichts
Wirkliches steht, und sie nur die Folge
falscher Gottesbegriffe ist, die der gott‐
ferne Erdenmensch in seiner Not sich selbst
geschaffen hat.
.Fehlgehen aber würden Sie, wenn Sie
aus meinen Worten eine allgemeine Ge‐
ringschätzung aller Dinge zwischen Geburt
und Grab herauslesen wollten. Mir sind
diese Dinge schon darum bedeutsam, weil
sie ja über ihre Zeit hinaus weiterwirkende
‒ wenn auch nicht gerade „ewige” ‒
Folgen auszulösen vermögen. Aber auch
in dem ihnen zubemessenen Bereich selbst
ist es von größter Bedeutsamkeit, wie wir
ihnen gegenüberstehen, sie zu nehmen
wissen, und ihnen schließlich gerecht wer‐
den.
.Ebenso würden Sie gewaltig irren, wenn
Sie aus meinen Worten die Lehre heraus‐
lesen wollten, daß es überhaupt keine
göttlich-geistige Einwirkung auf die Dinge,
die von unserer Lebensdauer irdisch um‐
schlossen werden, gäbe. Wohl sind solche
Einwirkungen nicht nur „möglich”, son‐
dern geradezu alltäglich und überaus häu‐
fig. Sie sind jedoch nur das Zeugnis des rein
gesetzmäßigen Reagierens ewiger, vom
Geiste ausgestrahlter Mächte und Kräfte,
deren Einflüsse der Erdenmensch ohne jede
Beihilfe auslöst, ‒ nur durch sein, den gei‐
stigen Gesetzen entsprechendes Verhalten.
Eine große Anzahl religiöser Vorschriften,
‒ ja selbst manche Gebote des Aberglau‐
bens, ‒ gehen auf das erfahrungsmäßige
Beobachten des rechten oder falschen Ver‐
haltens gegenüber solcher geistigen Gesetz‐
mäßigkeit zurück, die auch in manchen reli‐
giösen Lehren der Vorzeit, ‒ auch sehr
deutlich in den „Psalmen Davids”, ‒ per‐
sonifiziert und dramatisiert, an Beispielen
zur Darstellung gelangen. Der, dem der
Gott solcher Darstellungen alle Huld ge‐
währt, ist stets einer, der den ewigen Ge‐
setzen entsprechend handelt und dadurch
manches Gute und Erfreuliche in seinem
Erdenleben sich auswirken sieht. Der aber,
der als den Gott verachtend: als „Lästerer”
und „Tor” dargestellt wird, ist einer, der
blind, seiner eigenen Unkenntnis wichti‐
ger, durch Erfahrung eruierbarer geistiger
Gesetze zum Opfer fällt. Wenn man ein‐
mal diesen Zeugnissen menschlicher Ver‐
gangenheit auf die Spur gekommen ist,
staunt man über die Erfahrungsweisheit,
die sich Menschen einer uns noch halbbar‐
barisch erscheinenden Zeit zu verschaffen
wußten, und fragt sich mit gutem Recht,
ob nicht wir heutigen Europäer ärgere Bar‐
baren seien, als jemals ein früheres Ge‐
schlecht...
.Wohl kennen wir unzählige Dinge, die
diesen Alten fremd waren, aber ich be‐
zweifle mit lebendiger Einfühlung, daß die
zu jenen fernen Zeiten ihrer Volksweisheit
Kundigen das was sie kannten und aus Er‐
fahrung wußten, für unser zeitgebundenes
Allgemeinwissen eingetauscht haben wür‐
den. Man braucht nur die alttestament‐
lichen Psalmen zu lesen, frei von der
üblichen Benutzungspraxis die aus ihnen
Eideshelfer religionsbedingter Dogmatik
macht, um sehr eindringlich zu erfahren,
wie tief ihre, den Namen des alten Königs
vorschützenden Verfasser in die Geheim‐
nisse geistiger, automatisch ihrer Auslösung
folgender Kräfte und Mächte eingedrungen
waren. Natürlich muß man bei solcher Er‐
fragung alles kultische Beiwerk, als dem
wesentlichen Inhalt gegenüber belanglos,
beiseite tun, und darf sich auch nicht da‐
durch beirren lassen, daß die geschilderte
Wirkungsweise geistiger Gesetze als Aus‐
wirkung göttlicher Affekte und Bevorzu‐
gungsakte ausgelegt wird. Möglicherweise
glaubten die Verfasser selbst noch an solche
Auslegung, aber wahrscheinlicher ist, daß
sie dergleichen für geboten hielten, um der
Gefahr zu begegnen, daß die unbemäntelte
Kenntnis der aufgezeigten Gesetzmäßig‐
keiten am Ende das Volk in einen wirren
Atheismus stürzen könne, da der Mensch
jener Tage nur durch seine Selbstprojek‐
tion in einen Traum von machtgesättigter
Willkür zu seiner Gottesvorstellung zu ge‐
langen vermochte.
.Es gibt Vieles, was heute, durch jahr‐
hundertelange Benützung zugunsten einer
vorgefaßten Glaubensmeinung, ganz um
sein eigenes, wahres Gesicht gebracht ist,
und nur die schärfsten Augen sind imstande,
die ursprünglichen Züge zu erkennen, aus
denen sich noch zur Not herauslesen läßt,
was voreinst klar und eindeutig, mit schar‐
fen Konturen gegeben war.
.Wenn ich Sie durch meine Worte veran‐
lassen sollte, Ihre Augen zu üben, um sol‐
ches Verschliffene und Verwischte in den
Kunden aus der Vorzeit erkennen und rich‐
tig deuten zu lernen, dann stehen Ihnen
manche Entdeckerfreuden bevor.
.Segen aus dem ewigen Urlicht sei Ihnen
jederzeit zugesandt!
Daß auch Sie gegenüber dem, was ich
im Kapitel „Vom Tode” und an anderen
Stellen von den „Seelenkräften” sage,
das Empfinden haben, es müsse „ganz
unsagbar schwer” sein, diese Kräfte in sich
„zu einen”, ist mir nicht unerwartet ge‐
kommen. Keine andere Stelle in meinen
Büchern brachte mir im Laufe der Zeit eine
derartige Menge von Fragen und Bitten
um Erläuterung ins Haus.
.Aber die ganze Angst vor der ‒ zweifellos
auch wirklich vorhandenen ‒ Schwierig‐
keit der gegenüber den Seelenkräften be‐
stehenden Aufgabe, stellt sich immer wie‐
der als Folge einer falschen Vorstellung
von der Natur dieser Kräfte heraus. Anders
ist es auch bei Ihnen nicht.
.Bestimmt durch die vielen Anfragen,
habe ich alles, was ich über die geforderte
Einung der Seelenkräfte an verschiedenen
Stellen darlegen mußte, seinerzeit noch‐
mals mit aller erdenklichen Selbstkritik
gegenüber der jeweils von mir gebrauch‐
ten Ausdrucksweise durchgesehen, konnte
aber, auch mit dem besten Willen, mir die
Schuld an der erzeugten irrigen Vorstellung
zuzuschreiben, kein Wort entdecken, das
ich hätte anders haben wollen.
.Ich war zwar genötigt, in meinen Erör‐
terungen darauf hinzuweisen, daß ein er‐
heblicher Grad von Selbstzucht dazu not‐
wendig ist, die Einung der Seelenkräfte
im eigenen Ich vorzunehmen, aber wenn
ich auch an der Ihnen ja bekannten Stelle
sagte, daß es leichter sei: „einen wütenden
Elefanten an einem dünnen Hanfseil durch
das Gedränge des Marktes zu führen, als
die vielen Willen der Seelen-Kräfte, die
eines Menschen Seele bilden, unter den
einen Willen dieses Menschen zu einen”,
‒ wobei ich mich eines von meinem vor‐
maligen seelischen Erzieher, mir gegen‐
über oft gebrauchten, ihm anschaulich nahe‐
liegenden Bildes gern bediente, ‒ so zeigte
ich doch gerade an dieser Stelle, daß den‐
noch dieses „Wunder” geschehen kann, ja
geschehen muß, wenn eine Seele sich dazu
vorbereitet wissen will, ihren lebendigen
Gott in sich empfangen zu können.
.Es ist schwer, allein es ist nicht un‐
möglich!
.Es ist jedem normal empfindenden, wenn
auch nur recht primitiv gebildeten Men‐
schen möglich, die Schwierigkeiten dieser
Einung der Seelenkräfte in seinem Willen
zu überwinden, ‒ allein es ist so manchem
zweifellos hochgelehrten und allseitiger
Bildung frohen Menschen leider nicht mög‐
lich, in sich die zu solcher Einung unbe‐
dingt erforderliche Energie und Ausdauer
aufzubringen...
.Vergessen Sie nicht, daß ich ja doch wahr‐
haftig nicht eine „Methode” lehre, ‒ son‐
dern daß es sich in meinem ganzen Schrift‐
werk um nüchterne Lehrbücher handelt,
die seelisch suchenden Menschen die Struk‐
tur des ewigen geistigen Lebens aufzeigen
und faßbar machen. Dazu mußte ich alles
zur Sprache bringen, was Erdenmenschen
innerhalb dieses geistig-substantiellen Le‐
bens jemals möglich wurde und so jeder‐
zeit möglich sein wird. Aber nicht jedes ist
jedem möglich! Jeder kann sich jedoch an‐
hand meiner Lehrtexte prüfen, was ihm
möglich ist. Gewiß sprechen dabei auch
psychophysische, angeborene Eignungen
mit, aber in erster Linie bestimmen Ener‐
gie und Ausdauer jedem, sein Ewiges Su‐
chenden, die ihm hier, während seines
Erdenlebens vorbehaltenen Möglichkeiten.
Wie man ein sehr erfolgreicher Kaufmann
werden kann, obwohl man von Natur aus
keine besondere Begabung zum Rechnen
besaß, so kann man auch zu einem schon
sehr umfassenden Erleben seines Ewigen
in der Seele kommen, wenn man energisch
und ausdauernd auf dem zielbestimmten
Wege bleibt, auch wenn keinerlei angebo‐
rene Eignung das Voranschreiten auf diesem
Wege erleichtert. Allerdings wird man sein
ganzes ‒ inneres und äußeres ‒ Leben
dementsprechend einrichten müssen, wo‐
bei die Art, wie und wo ein Mensch seine
Freuden sucht, von größter Bedeutung ist,
weil nichts derart stark auf seine Seele zu‐
rückwirkt, wie der Charakter der Dinge,
Beschäftigungen und Geschehnisse, die ihm
Freude bereiten. ‒
.Nun aber endlich auch Einiges in bezug
auf die zu Anfang dieses Briefes erwähnte
falsche Vorstellung von der eigentlichen
Natur der Seelenkräfte.
.Ich gewahrte da im Laufe der Zeit eine
seltsame Gleichförmigkeit in der Ausdeu‐
tung dieses Wortes. Immer wieder begeg‐
nete ich der Auffassung, als seien Seelen‐
kräfte etwas Ähnliches wie unsere erden‐
körperhaft gegebenen „Sinne” und etwa
so leicht und unmißverständlich zu unter‐
scheiden, wie der Gesichts-Sinn sich vom
Gehör- oder Geruchsinn unterscheidet. Das
ist aber dem tatsächlich Gegebenen keines‐
wegs entsprechend. Man kann zwar sagen,
daß unsere Eigenschaften durch unsere
Seelenkräfte hervorgerufen werden, ‒ also
die Arten unseres Empfindens mit Hilfe der
Sinne, und dieser selben Sinne Reaktions‐
bereitschaft, ‒ aber man kann die Seelen‐
kräfte leider nicht derart deutlich vonein‐
ander sondern, wie die Sinne. Eher dürfte
man schon die Seelenkräfte mit den Nerven‐
kräften des irdischen Körpers, ja mit dem
ganzen Nervensystem in Vergleich setzen,
denn so, wie jeder Nerv seine bestimmte
Funktion hat und doch einer Unzahl anderer
Nerven nebengeordnet ist, so daß mannig‐
fache Wechselwirkungen entstehen, so hat
auch jede der Seelenkräfte ‒ auch wenn
wir sie nicht mit bestimmtem Einzelnamen
zu benennen wissen ‒ doch ihre geistig be‐
stimmte Funktion zu erfüllen und steht mit
allen anderen Seelenkräften, die zusammen
eine Seele ausmachen, in steter Wechsel‐
wirkung, ja wirkt unter gegebenen Sonder‐
umständen sogar weit über den Bereich der
sie umfassenden Seele hinaus.
.Die Einung der Seelenkräfte in einem,
sie alle bestimmenden Willen, wäre freilich
ein Ding der Unmöglichkeit, wenn als not‐
wendige Voraussetzung dazu die genaue
begriffliche Bestimmung jeder einzelnen
Seelenkraft gefordert werden müßte. Glück‐
licherweise aber stellt unser Ewiges nie‐
mals unerfüllbare Forderungen, und ge‐
rade hier würde ja auch die allergenaueste
Kenntnis von der Besonderheit jeder ein‐
zelnen Seelenkraft nicht das mindeste im
Sinne des Notwendigen zuwege bringen,
denn die Einung der Seelenkräfte ist aus‐
schließlich eine Sache des Willens, der
ihnen allen, ohne Ausnahme, die Wirkungs‐
richtung gibt durch seine eigene klare Be‐
stimmtheit.
.Das Schwere dabei ist: ‒ den Willen selbst
unausgesetzt in der gleichen Richtung zu
erhalten, von der er auch nicht eine Se‐
kunde bewußterweise abweichen darf, was
immer in der Außenwelt ihm dazu Ver‐
suchung bieten möge.
.Es ist das Schwerste, was auf dem Wege
zu Gott bewältigt werden muß, aber man
kann dieses Schwere bewältigen, und Un‐
zähligen ist es im Verlaufe der irdischen
Menschheitsgeschichte gelungen. Mit die‐
ser Aufgabe identisch ist die Formung des
eigenen Ewigen, von der ich in einem
früheren Briefe schrieb, daß ihr der ir‐
dische Körper Werkstatt sei... Man muß
solche Dinge aus verschiedenen Aspekten
heraus sehen lehren, wenn das Wirkliche,
das da in Worten Darstellung sucht, erkannt
werden soll.
.Hoffentlich wird Ihnen dieser Brief nun
Beruhigung bringen, und Ihre Besorgnisse
entkräften, daß mehr von Ihnen verlangt
werde, als Ihnen aus Ihren eigenen Kräf‐
ten möglich werden könne. Noch sind Sie
ja „in Ihrer Werkstatt” und mit Hilfe der
in ihr dargebotenen Werkzeuge imstande,
Ihre ewige Form selbst zu bestimmen! Nach‐
dem Sie diesen Erdenleib verlassen haben,
hört freilich jeder weitere von Ihnen selbst
bestimmte Einfluß auf Ihre Eigenform im
Ewigen auf. Aber wir wollen hoffen, daß
Sie sich bis dahin bereits gestaltet haben,
wie Sie gestaltet sein wollen!
.Seien Sie gesegnet aus ewigem Licht!
Als Goethe, nach dem Erscheinen der
Bühnenbearbeitung seines „Götz”, von be‐
freundeter Seite die wohlgemeinte Anre‐
gung erhielt, doch diese Umarbeitung sei‐
nes Werkes einem ihm bekannten älteren
adeligen Herrn zukommen zu lassen, der
schon am „Ur-Götz” seine helle Freude
bekundet, ja sich selbst gerne „in die Per‐
son des alten biedern Helden” ‒ wie Goe‐
the sagt ‒ „gewissermaßen... versetzt”
hatte, lehnte der Dichter diesen Wunsch
entschieden ab, mit der Begründung, daß
es dem Bewunderer der ersten Fassung
„gewiß nicht angenehm sein würde, nun‐
mehr manches ausgelassen, umgestellt, ver‐
ändert, ja in einem ganz andern Sinne be‐
handelt zu sehen.”
.An diese, in richtiger psychologisch be‐
stimmter Voraussicht erfolgte weise Wei‐
gerung wurde ich unwillkürlich erinnert,
als ich jetzt Ihren mir so lieben Brief ge‐
lesen hatte. Ich wußte nicht, daß Ihnen
zuerst noch die frühere Ausgabe der ver‐
schiedenen von mir dann erweiterten und
dabei nochmals besonders überprüften Bü‐
cher in die Hand gekommen war, so daß
Sie erst neuerdings von den zuletzt ent‐
standenen endgültigen Ausgaben dieser
Lehrtexte hörten. Es läßt sich aber gut
nachfühlen, wie Sie sich „an Einzelnes in
den alten Fassungen derart gewöhnt”
hatten, daß Sie ihm „bei allem Einver‐
ständnis mit der nun um so vieles deut‐
licheren neuen Fassung”, doch sozusagen
nachtrauern. Auch mir war ja die erste Fas‐
sung lieb, sonst hätte ich sie doch niemals
in die Öffentlichkeit gegeben, obwohl der
ebenso liebenswürdige wie regsame Leiter
des großen Verlags, in dem diese ersten
Fassungen ehedem herauskamen, mir da‐
mals die Manuskripte ‒ fast buchstäblich
zu verstehen: ‒ aus den Händen riß, so
daß mir meistens recht wenig Möglichkeit
zu letzter Kontrolle blieb. (Es war bei
einem der Bücher sogar das Kuriosum vor‐
gekommen, daß mir die Post das fertige
Buch ins Haus brachte, während ich kaum
den ersten Korrekturabzug erwartete!)
.Der Verzicht auf die vormalige Fassung
ist mir in jedem Einzelfall schon deshalb
schwer geworden, weil sie ja doch ebenso
wie das Verbleibende, der getreuen Befol‐
gung geistiger Lautwertgesetze zu danken
war. Wo ich trotzdem die alte Fassung zu‐
gunsten der nunmehr bestehenden einge‐
schmolzen habe, dort waren sehr triftige
Gründe bestimmend. Von vielen groben
Druckfehlern ganz abgesehen, ‒ die ja
durch die berichtete eilebestimmte Praxis
meinen Manuskripten gegenüber unver‐
meidlich waren, und an den bedeutsamsten
Stellen den Text mitunter ins Gegenteil
verkehrten, ‒ war auch manche Sprach‐
form noch auszumerzen, die sich aus mei‐
ner stark durch mainfränkische Mundart be‐
stimmten Sprechweise zwar erklären ließ,
aber doch in einem Lehrbuch über geistige
Dinge störend wirken konnte, und weiter
war mir im Verlaufe brieflicher Mitteilun‐
gen, wie mündlicher Unterredungen auch
manche Textstelle bekannt geworden, die
im Interesse des gesicherten Verstehens
eine andere Fassung wünschbar erscheinen
ließ oder geradezu nach ihr verlangte.
.Daß derartiges Umarbeiten eines bereits
der Öffentlichkeit zugänglichen Buches
eine recht undankbare Sache ist, war mir
wahrhaftig bewußt, durfte mich aber von
dem was nötig war, nicht abhalten.
.Ich erlebte aber überraschenderweise die
Freude, eine große Menge dankerfüllter
Zuschriften zu erhalten, aus denen immer
wieder aufs neue zu ersehen war, wie leb‐
haft und geradezu begeistert der Leserkreis
um diese Bücher die Neuformung begrüßte.
Da ich vorher die Schwierigkeit für den
Leser, sich an eine für ihn zuerst befrem‐
dend erscheinende Lesart zu gewöhnen,
wohl erwogen hatte, war mir solche Zu‐
stimmung sehr unverhofft gekommen. Sie
stehen mit Ihrer etwas elegischen Trauer
um gewisse, von mir nun formell anders
bearbeitete Textstellen, ziemlich allein,
denn ein einziger ähnlicher Hinweis den
ich erhielt, kam von einem Freunde, dessen
Muttersprache nicht das Deutsche ist, und
dem ich mit den Neubearbeitungen gewiß
keinen Dienst geleistet habe, da er nun not‐
wendigerweise an Worte gelangte, die das
von ihm ehedem in anderen Worten Erfaßte
offenbar zunächst eher störten.
.Ich hoffe aber, Sie werden sich dennoch
fortan nur an die Neubearbeitungen der hier
in Betracht kommenden meiner Bücher hal‐
ten und dann immer deutlicher gewahren,
daß diese Bearbeitungen vorgenommen
werden mußten, und ganz gewiß nicht
Folge ästhetischer Laune oder aber nur der
Notwendigkeit des Neudrucks waren. Lehr‐
bücher wie ich sie schreibe, ändert man
wahrhaftig nicht, wenn die eigene Verant‐
wortung gegenüber den diese Bücher Ge‐
brauchenden eine neue Bearbeitung nicht
unerbittlich verlangt! Das Bessere ist frei‐
lich immer des Guten Feind. Sicher aber
darf uns das nicht verleiten, um des Guten
willen, das Bessere ungeschehen zu lassen.
.Der Himmel segne Sie!
Wenn Sie auf den Gedanken gekommen
sind, daß vielleicht manche Vorstellungen,
die in den alten polytheistischen Religionen
lebendig waren, ebenso aber auch die in
asiatischen Religionsformen und schließ‐
lich im byzantinischen und römischen
Christentum anzutreffenden Heiligenkulte
durch die Existenz der Leuchtenden des
Urlichtes „eine undiskutable Rechtferti‐
gung erfahren”, so sind Sie gewiß auf den
Spuren der Wahrheit.
.Um aber diese meine Zustimmung vor
möglicher Fehldeutung geschützt zu wis‐
sen, muß ich hier gleich sagen, daß Sie
freilich in argem Irrtum wären, wenn Sie
etwa annehmen wollten, alle die aus den
antiken Religionen wie aus den verschie‐
denen Heiligenkulten bekannten Gestalten
der Verehrung müßten in der Art, wie sie
Legende und Andacht geformt haben und
fromme Vorstellung sie glaubt, auf be‐
stimmte Glieder der geistig gegebenen Ge‐
meinsamkeit der Leuchtenden des Urlich‐
tes zurückzuführen sein, ‒ oder die Hei‐
ligsprechungen der römischen Kirche seien
vielleicht in früherer Zeit aus geheimer
Kenntnis solcher Zusammenhänge er‐
folgt.
.Daß unter diesen Gestalten auch weib‐
lich gedachte sind, während sich der Leuch‐
tende des Urlichtes nur in einem männ‐
lichen Erdenkörper manifestieren kann,
bildet hingegen keinen Gegengrund zu
Ihrer Annahme, da ja jeder Leuchtende,
trotz ausgeprägter Männlichkeit seines ir‐
dischen, ihm nur für die kurze Lebens‐
epoche auf dieser Erde dienenden, verwes‐
lichen Körpers, im Geistigen doch auch
dem „Ewig Weiblichen” unlösbar vereint
ist, und daher seine Gestalt sowohl dem
geistig Männlichen, wie dem geistig Weib‐
lichen Ausdruck geben könnte.
.Es gibt nun wohl im Vorstellungsschatz
alter polytheistischer Religionen ebenso
wie im Geltungsbereich der verschiedenen
Heiligenkulte gewiß Gestalten, die man
tatsächlich, und wenn sie auch die hiera‐
tische Auszeichnung einer Heiligsprechung
tragen mögen, auf Leuchtende des Urlich‐
tes zurückverfolgen dürfte, ohne dabei fehl‐
zugehen. Aber, wenn man eine solche „Ab‐
stammung” auch mit den besten Beweisen
sicher aufzeigen könnte, so wäre man doch
noch ziemlich weit von der Erkenntnis ent‐
fernt, zu der Ihre Vermutung hinweist: ‒ daß
nämlich jedem Anruf einer jeglichen aus
Legende und Verehrungsbedürfnis hervor‐
gegangenen Gestalt, mag sie als rein himm‐
lisch oder als vormaliger Erdenmensch
gedacht sein, die helfende geistige Kraft
und Segensbereitschaft der Leuchtenden
des Urlichtes, als einzige hier in Betracht
kommende Wirklichkeit, antwortet.
.Wie die von dem Gläubigen um Hilfe an‐
gerufene Gestalt von ihm genannt wird,
und wie der Hilfesuchende die Befähigung
zur Hilfeleistung dabei sich erklären mag,
bleibt für den Vorgang der sich wirklich
abspielt, ganz belanglos. Dieser Vorgang
aber ist von dem das Ewige der seelisch
Suchenden erweckenden und ihre Seelen
leitenden Akt der Hilfe, den ich Ihnen vor
einiger Zeit unter gleichnismäßiger Erinne‐
rung an ein mit Elektroden übersätes Schalt‐
brett darstellte, nur sehr wenig verschieden,
und diese Verschiedenheit ist nur durch die
Aufnahmefähigkeit und Vorstellungswelt
der Anrufenden bestimmt.
.Man darf aber nicht außeracht lassen, daß
es in der seelischen Situation und bei dem
gegebenen Grade der Aufnahmefähigkeit
dieser Anrufenden, für viele, wenn nicht
für alle, eine intensive
Vertiefungsmög‐
lichkeit für ihren Anruf bedeutet, wenn sie
die Gestalt ihrer Verehrung mit möglichst
konkreten Zügen in ihrer Vorstellung aus‐
statten können. Wenn zum Beispiel von dem
großen Heiligen Paduas, den das Volk längst
„heiliggesprochen” hatte, bevor ihm diese
posthume Ehrung auch durch den Papst
zuteil wurde, gesagt wird:
„Um was ihr fleht, gewähret euch
Antonius, an Wundern reich.
Not, Aussatz, und des Irrtums Nacht,
Die Hölle selbst, weicht seiner Macht!
Er stillt des Meers empörte Flut,
Er schafft herbei verlornes Gut!
Die harte Fessel bricht entzwei;
Das kranke Glied wird schmerzenfrei!
Wer zu ihm rufet, alt und jung,
Fühlt Trost durch ihn und Linderung.”
‒ so liegt hier ein typisches Beispiel dafür
vor, wie kräftigend und sein Vertrauen för‐
dernd die Vorstellung einer konkreten,
ihrem Verehrungskreis allgemein bekann‐
ten irdischen Persönlichkeit auf den An‐
rufenden zurückwirkt. (Sie werden viel‐
leicht wissen, daß der Paduaner Heilige
ein gewaltiger, hinreißender Prediger war,
‒ ein portugiesischer Mönch, der nach
vielen Predigtfahrten schließlich in Padua
starb, aber nichts zu tun hat mit dem viel
früheren Antonius dem Eremiten, mit dem
Wilhelm Busch, dem das Heiligenwesen
nicht gar zu vertraut gewesen war, in seiner
Satire ihn verwechselt hat.)
.Für den Anrufenden kommt es darauf an,
daß er auf seinen Anruf hin „Trost und
Linderung” empfindet, und wenn sein An‐
ruf ohne eine handfeste historisch geglaubte
Vorlage für die Vorstellung, die verlangte
Kraft nicht aufbringen würde, die ihn den
wirklich Helfenden „vernehmbar” machen
kann, dann muß man ihm wohl oder Übel
den Gebrauch einer solchen Vorstellungs‐
krücke zugutehalten.
.Um sehr Ähnliches handelt es sich bei
den
örtlich und
zeitlich entstandenen
Abwandlungen einer Verehrungsgestalt.
Apollo, Aphrodite, Artemis, und so man‐
che andere, sehr plastisch gestaltet vorge‐
stellte „Gottheiten” der antiken Welt wur‐
den an verschiedenen Orten in nicht min‐
der verschiedener Auffassung verehrt, wie
heute noch die „Muttergottes”, an ihren
zahllosen Gnadenorten aus einem
jeweils
anderen Aspekt gesehen, der Gläubigen
mannigfaches Vertrauen entzündet. Es ist
durchaus nicht so lächerlich, wie eine sich
hoch überlegen dünkende, aber nur das
Äußere und die Oberfläche beurteilende
Betrachtungsweise feststellen zu können
meint, wenn sie gewahrt, daß die Anrufen‐
den in verschiedenen
Anliegen auch
zu
verschiedenen Gnadenorten der Madonna
wallfahren. Es handelt sich da nicht um
ein „götzendienerisches” plumpes Verviel‐
fältigen der geliebten und mit einer Über‐
fülle des Vertrauens bedachten Verehrungs‐
gestalt, ‒ die einst aus dem sublimen Kult
der „Hagia sophia”: der „Göttlichen Weis‐
heit”, als Inbegriff des „Ewig Weiblichen”
hervorgewachsen war und späterhin mit
Jesu Mutter identifiziert wurde, ‒ sondern
um ein psychologisch sehr differenziertes
Empfinden örtlicher, bildmäßiger und
legendärer Einflüsse auf die jeweils erreich‐
bare größte Intensität des Anrufs! ‒
.Auf diese Intensität aber kommt es
wesentlich an, wenn die Anrufung im ewi‐
gen substantiellen Geiste durch die „ver‐
nommen” werden soll, die hier zur Lenkung
der Kräfte geistiger Hilfe gesetzt sind, und
mit genügender Resonanz zu ihnen gelan‐
gende Anrufungen eines frommen Bud‐
dhisten des „großen Fahrzeuges” an eine
seiner Verehrungsgestalten ebenso durch
Hilfe in dem jeweils geistesgesetzlich mög‐
lichen Grade beantworten, wie jeden aus
anderen religiösen Vorstellungsbereichen
an sie gelangenden Ruf.
.Ich bitte Sie inständig, diese hier heute
gegebenen Aufschlüsse sich ganz zu eigen
machen zu wollen. Aus eigenem Vermögen
werden Sie sich dann noch weit mehr er‐
schließen...
.Seien Sie gesegnet aus ewigem Licht!
Nicht zum erstenmal wird mir geschrie‐
ben, daß durch die von mir verkündeten
Lehren an sich schon so vieles, was früher
schwere Fragen hervorgerufen habe, plötz‐
lich klar und verständlich werde, oder, um
mit Ihren Worten zu reden, daß „alles ein
neues Gesicht” bekomme.
.Das ist jedoch kein Wunder, denn ich
erzähle ja nicht etwas, das ich mir lustig
ausgedacht habe oder in schwerem Nach‐
denken fand, sondern berichte von der ge‐
gebenen Struktur des Lebens im ewigen
Geiste, weil sie mir bekannt ist aus eigenem
lichten Erleben, und bekannter als alles,
was ich außer ihr jemals kennen lernte.
Da aber alles Leben aus dem ewigen, sub‐
stantiellen Geiste hervorgeht und das erden‐
menschliche Gehirnbewußtsein, bei aller
darüber verhängten Dunkelheit der Tier‐
natur, dennoch Einflüsse aus dem ewigen
substantiellen Geiste fortwährend emp‐
fängt, ob es sie nun auffassen mag oder zu
dumpf ist dazu, so kann schon das bloße
Aufzeigen der Struktur ewigen Geistes‐
lebens zu einem ersten Erwachen führen,
wonach man die Welt freilich etwas anders
betrachten wird als früher.
.Ob einer damit schon alles hat, was er
sich vordem für seine Seele wünschte, oder
ob er sich nun erst recht veranlaßt sieht, in
die ihm von mir gezeigten weiteren Grade
des Erwachtseins vorzudringen, das wird
zwar von ihm allein abhängen ‒ aber
nicht überall von ihm abhängig sind die
irdischen Voraussetzungen zu solcher Ent‐
scheidung.
.Es mag bei manchen viel guter Wille vor‐
handen sein, seelisch wacher und wacher zu
werden, aber nicht die Kraft, alle irdischen
Hindernisse, die ein helleres Erwachen un‐
möglich machen, aus dem Wege zu räumen.
Bei anderen mag diese Kraft schon da sein,
aber zugleich auch die Einsicht, daß an die
Beseitigung vorhandener Hindernisse nicht
gedacht werden darf, weil übernommene
Pflicht dadurch verletzt werden würde. Da
es aber nicht die Aufgabe des Menschen auf
der Erde ist, alles was er hier zu guter Er‐
füllung und zu einer wenigstens relativen
Vollendung zu bringen vermöchte, stehen
und liegen zu lassen um nur seiner Erkennt‐
nis zu leben, ‒ ja, da er, wenn er so han‐
deln wollte, sich ganz sicher um die Frucht
seines Mühens bringen würde, so fördert
sich der Suchende nur durch sein Genü‐
gen an dem, was ihm seine irdischen Um‐
stände gewähren. Alles Weiterverlangen,
über das hinaus, was die äußeren Um‐
stände zulassen, ist hingegen ein Daneben‐
langen und kann selbst das in äußerste
Gefahr bringen, was ganz gewiß erreichbar
wäre, und Zuwachs geistigen Besitzes wer‐
den könnte.
.Es ist nicht viel anders, als mit den all‐
täglichen irdischen Dingen: ‒ Wer zuviel
verlangt, kommt zu nichts! Man soll nicht
zu algebraischen Aufgaben und zum Inte‐
gralrechnen aufsteigen wollen, wenn einem
das Einmaleins noch nicht gehört.
.Aber die Suchenden machen sich auch
viel zu phantastische Vorstellungen von
dem, was sie sich im Geistigen erreichbar
glauben, und keine Belehrung vermag sie
davon abzuhalten, statt dem Erleben gei‐
stigen Lebens, die wunderlichsten Sensa‐
tionen und Ausweitungen im erdenkörper‐
lich bedingten, mit all seinem Inhalt der‐
einst sein sicheres Ende findenden Erleben
zu suchen. Ein exaltiertes Übersteigern an
sich wertvoller, den Gehalt der Seele ge‐
wichtig bereichernder und auch im körper‐
lichen Sinne urgesunder Empfindungen zu
bedenklichster
Nervenerregung, bedeutet
den meisten schon „geistiges Erlebnis”.
Vielen gilt es noch immer als notwendiges
und darum höchst erstrebenswürdiges Ziel,
den Körper immer mehr zu „vergeistigen”,
was sie natürlich von einer Selbsttäuschung
zur anderen führen muß. Zur geistgesetz‐
lich geforderten
Verkörperung des Geistes
gelangen die Allerwenigsten: ‒ jene allein,
die nur
das Wirkliche wollen, aber keine
Sensationen.
Es kann der Wissensmensch
Im Irdischen nicht leicht begreifen:
Daß alles ewige Erleben
Selbst sich Inhalt ist, ‒
Daß der Erlebende im Ewigen
Kein „Anderes” erlebt,
Das ihm ‒ dem irdischen Erleben gleich ‒
Durch sein Erlebnis nahe käme.
Im Ewigen
Bleibt irdische Erlebensweise
Schein und Schaum...
Erst ein sich selbst erschließendes Erleben
Öffnet ewigkeitsgezeugten „Raum”!
*
.Wenn Paulus, der Zeltmacher aus Tarsus,
‒ dieser von den Heutigen nur mit einer,
die größte Distanz schaffenden, scheuen
Ehrfurcht zu verstehende größte
Gewalt‐
mensch unter jenen ersten Kleinasiaten,
die Jesu Lehre zu sich selber und zu eige‐
nem Erleben brachte, ‒ den Ausspruch
wagt: „Kein
Auge hat es gesehen, kein
Ohr gehört, was Gott denen bereitet hat,
die ihn lieben!” ‒ so hat er damit aufs
deutlichste alles
wirkliche geistige Erleben
umschrieben. Doch, man hat dieses Wort
eines Wissenden in der Ausdeutung ge‐
radezu
umgekehrt, und ihm den törichten
Sinn unterlegt, als ob das den Gottliebenden
Vorbehaltene ein wahrer
Sinnenschmaus
wäre, von einer Art, die über alles der‐
gleichen im Irdischen Erlebbare weit hinauf
gesteigert sei. ‒ Aber: ‒
Im Lichte ist Erkenntnis und Erkanntes
Dem Erkennenden
vereint,
Und was im Irdischen getrennt erscheint,
Ist nun nicht mehr entfernt
In Raum und Zeit,
Denn alles ist
zugleich
Und
gleichen Ortes,
In der Ewigkeit...
Wie diese Dinge sich geheim begeben,
Weiß keine Sprache faßbar darzustellen,
Denn niemals läßt in
Worten sich erhellen,
Was nur erfahrbar wird als lichtes
Leben!
*
.Ich brauche Ihnen wohl kaum zu sagen,
daß es mein, erdenmenschlich betrachtet,
sehnlichster Wunsch wäre, Sie noch in Ihrem
Erdenleben zugleich in diesem lichten Le‐
ben des ewigen Geistes finden zu dürfen.
Meine immerdar segnende Hilfe wird Ihrem
Streben stets nahe sein!
Daß Ihnen die in meinem letzten Briefe
geschehene Erwähnung des Apostels Pau‐
lus ‒ der, wie Sie ja aus meinem Buche
„Das Geheimnis” wissen, als angenomme‐
ner, geistig dazu vorbestimmter Schüler
der Leuchtenden des Urlichtes, schließlich
zu Jesu wahrer Lehre gefunden hatte ‒
nun Anlaß zum Nachdenken über seine
vermeintlich ohne Vorbereitung erfolgte
„Bekehrung” werden könnte, hatte ich
nicht vermutet, da ich doch in dem ge‐
nannten Buche deutlich genug gezeigt zu
haben glaubte, wie die ganze Damaskus‐
erzählung nur als Symbol für ein weit we‐
niger effektvolles Geschehen aufgefaßt wer‐
den muß, wenn man den darin enthaltenen
Wahrheitskern herausschälen will.
.Ich muß Sie auf das dort Gesagte ver‐
weisen, wenn ich es nicht hier abschreiben
soll. Um aber jedes Mißverstehen meiner
dort gegebenen Worte auszuschließen, sei
eindeutig gesagt, daß es sich bei jener an‐
scheinend so unvermittelt erfolgten Umge‐
staltung des fanatischen Feindes der Lehre
Jesu in ihren gewaltigsten Exegeten, um
eine, aus tiefstem Drang nach Wahrheit,
mit fast übermenschlicher Kraft seit langem
umkämpfte, und schließlich auch kontinu‐
ierlich, nach und nach erreichte Erwek‐
kung handelte, die freilich dann zu reso‐
lutem Erstreben einer Wiedergutmachung
des vordem ‒ wenn auch guten Glaubens ‒
Verschuldeten führen mußte.
.Wenn Ihnen jemand von urplötzlich er‐
folgten Erweckungen zu berichten hat, oder
wenn Sie in alten Erzählungen dergleichen
begegnen, tun Sie immer gut, vorsichtig zu
werden und sich zu fragen, ob es sich denn
da tatsächlich um ein Erleben geistiger
Wirklichkeit, oder nicht vielmehr um sehr
Irdisches handle, wie etwa bei dem so viel‐
seitig gelehrten armen Swedenborg, der
gerne gut und viel aß, und dem, nach sei‐
nem eigenen Bericht, plötzlich beim Essen
ein an der Erde sitzender Mann erschien,
der ihm zurief: „Iß nicht so viel!” und
sich sodann in Nebel und Nichts auflöste,
aber leider Swedenborgs latente „mediale”
Veranlagung „erweckt” hatte, die ihm
dann dazu dienen mußte, die seltsamsten,
mit krausen Wissenschaftstrümmern unter‐
mischten „himmlischen” Einsichten zu pro‐
duzieren und einen recht umfassenden ver‐
meintlichen „Geisterverkehr” zu pflegen.
.Die wirklichen Erweckungen zum Be‐
wußtwerden im ewigen substantiellen Gei‐
ste erfolgen niemals erschreckend, sondern
immer in sukzessiver Aufeinanderfolge
der Grade des Wachwerdens. Jeder Grad
muß sich aus dem vorhergehenden von
selbst ergeben. Sollte Ihnen jemals ‒ viel‐
leicht infolge arger Überarbeitung oder
sonstiger Überlastungen Ihres Nervenhaus‐
haltes ‒ ein Geschehnis zustoßen, das Sie
bewegen könnte, es als „plötzliche Er‐
weckung” zu deuten, so gehen Sie baldigst
‒ zum Arzt und möglichst zu einem, der
von gehirnlichen Dingen etwas versteht,
aber kein wissenschaftliches Steckenpferd
reitet!
.Die beste Sicherung gegen solchen Ge‐
hirnaufruhr, der durchaus nicht ungefähr‐
lich ist und zur schönsten Bewußtseinsspal‐
tung führen kann, ist das gelassene Abwei‐
sen jeglicher Ungeduld in bezug auf das
Erreichen der Erlebensfähigkeit für Gei‐
stiges. Wenn Sie dem nachleben, was in
meinen Lehrbüchern als generelle Anwei‐
sungen gegeben ist, und sich daneben auch
an das halten, was Ihnen als „besonders”
für Sie geschrieben erscheint, dann wird
Ihr allmähliches Erwachen von zentraler
Stelle aus geleitet werden, und ganz so er‐
folgen, wie es für Sie am besten ist.
.Gehen Sie nur in aller Ruhe den Weg
weiter, den Sie in so erfreulicher Weise be‐
gonnen haben! Sie sind auf gut abgesteck‐
tem, sicher zum Ziele führenden Pfade und
kennen wahrhaftig durch meine Schriften
die Wegmarken auf die Sie von sich aus
zu achten haben. Überlassen Sie aber ganz
Ihrer inneren geistigen Führung, über
deren Wirkungsweise Sie ja nun gut unter‐
richtet sind, was Ihnen bei Ihrem zielge‐
wissen Voranschreiten bereits gezeigt wer‐
den kann, und was Sie erst späterhin er‐
warten dürfen! Und vergessen Sie nicht,
daß es sich ja auf Ihrem Pfade nicht etwa
um ein Erwerben irgendwelcher neuen
Wissensgüter handelt, sondern ‒ um ein
Werden, das in vielen Dingen des alltäg‐
lichen Lebens gewiß zu einem allmählich
immer deutlicher fühlbaren Anders-werden
führt, aber gerade dadurch Sie nach und
nach so umwandelt, daß Sie schließlich
fähig werden, Ihr Ewiges bewußtseinsge‐
wiß in sich zu erleben.
.Alle hohe Hilfe sei mit Ihnen!
Jakob Böhme war wahrhaftig nicht nur
„der Görlitzer Schuster”, wie ihn Leute
eines mehr als nur fragwürdigen Ge‐
schmacks zu bezeichnen lieben. Er war
auch nicht bloß „ein Schuhmacher, und
Poet dazu”. Alle diese platten Anspielun‐
gen auf sein, gewiß keine höhere Wissens‐
bildung voraussetzendes, brotbringendes
Gewerbe sind unzulässig. Was ich in der
kleinen Sammlung einzelner für sich be‐
stehender Abhandlungen, die ich unter
dem Titel „Wegweiser” herausgab, über
Jakob Böhme gesagt habe, will, wie Sie
richtig verstehen, darauf hinweisen, daß
Böhme angenommener, geistig berufener
Schüler der Leuchtenden des Urlichtes war.
Ihm selbst war dieser Umstand etwas so
Heiliges, daß er eine Wolke von Geheimnis
darüber zu legen wußte. So viel auch über
Böhme geschrieben wurde, so war doch
niemand in der Lage, dieser geistigen Be‐
ziehung gerecht zu werden. Allerdings gibt
Jakob Böhme die Schilderungen seiner gei‐
stigen Erlebnisse und Einsichten auch in
so barocker und eigenwilliger Form, die
durch den falschen Gebrauch der ihm durch
seine gelehrten Freunde bekannt gewor‐
denen lateinischen und latinisierten Worte
nur noch krauser wird, daß man schon selbst
sehr genau um solches Erleben wissen muß,
um zu erkennen, was er jeweils darstellen
wollte.
.Anders aber steht es um die deutschen
Mystiker, wie den Frankfurter Deutsch‐
ordensherrn unbekannten Namens, der die
„Theologia deutsch” geschrieben hat, um
Tauler, Seuse, Meister Eckhart.
.Das waren grundgelehrte Männer, die
auf harten philosophischen Wegen zu ihren
Erkenntnissen kamen, die sie dann nur
schwer vor der kirchlichen Verdammung
bewahren konnten.
.In der entgegengesetzten Situation war
der gelehrte Dichter Johann Scheffler (An‐
gelus Silesius), der sich als Protestant zu‐
letzt in den Katholizismus rettete, indem
er sich jegliche katholische Lehre in ein
poetisch gesehenes Symbol umdeutete.
.Eine für mein Gefühl ganz für sich zu
betrachtende Erscheinung ist der im tief‐
sten Sinne „fromme” Kanonikus Thomas
a Kempis, der die von so viel ruhegeben‐
der Gütigkeit erfüllten, freilich ganz ka‐
tholisch gemeinten vier Bücher von der
Nachfolge Christi geschrieben hat.
.Aber alle diese Männer standen keines‐
wegs in einem bewußten Verhältnis zu den
Leuchtenden des Urlichtes, wenn sich auch
bei ihnen allen einzelne Aussprüche finden
lassen, durch die man versucht werden
könnte, doch anzunehmen, daß wenigstens
die verborgene Existenz der Leuchtenden
des Urlichtes in den Kreisen mittelalter‐
licher deutscher Mystiker geahnt wurde.
.Daß aber diese, ohne es zu wissen, so
manche geistige Hilfe und Leitung von der
vielleicht geahnten Quelle her empfingen,
ergibt sich schon aus dem, was ich Ihnen
seinerzeit über die Natur dieser Geisthilfe
mitteilte, ist aber auch aus den Predigten
und Schriften Taulers, Seuses und Meister
Eckharts deutlich zu ersehen, sobald man
gewissen Bekenntnissen und Lehrworten
das ihnen oft recht schlecht passende kirch‐
liche Gewand behutsam von den Schultern
nimmt, auf die es gelegt worden war, um die
also Lehrenden vor dem Scheiterhaufen zu
schützen. Auch bei Thomas a Kempis und
dem in erster Linie als mystisch empfinden‐
den Dichter zu betrachtenden Angelus Sile‐
sius zeigt sich der geistige Einfluß der Leuch‐
tenden des Urlichtes an vielen Stellen.
.Bei aller Verehrung aber, die ich für diese
alten deutschen mystischen Theologen und
Philosophen hege, ‒ bei aller Liebe die ich
dem wundersam stillen und feinen Thomas
a Kempis entgegenbringe, und bei aller
Freude an dem prachtvoll knappen, auch
manchmal gar streitbaren Angelus Silesius,
muß ich Ihnen aber einstweilen doch raten,
vorläufig noch mit dem Studium irgend‐
welcher mystischen Schriften solange zuzu‐
warten, bis Sie fühlen, Ihres eigenen Weges
so sicher zu sein, daß auch gelegentliches
Begehen von Seitenwegen Sie nicht mehr
in der Richtung auf Ihr Ziel irremachen
kann.
.Dieser Rat soll Sie aber nur vor allzulan‐
gen Aufenthalten auf Ihrem Wege bewah‐
ren, denn während der Zeit, die Sie benö‐
tigen würden, sich ein Urteil zu bilden, das
Ihnen später ohnedies ganz von selbst zu‐
fällt, können Sie schon wieder ein gutes
Stück näher zu Ihrem Ziele gelangt sein.
Vergessen Sie auch nicht, daß es sich bei den
Schriften aller der genannten Männer ‒
mit alleiniger Ausnahme Jakob Böhmes ‒
um in hartem Ringen mit sich selbst er‐
dachte und erglaubte, wenn auch zuweilen
bis zum inbrünstigen Gefühls-Erlebnis ver‐
dichtete Ansichten über die Welten des
ewigen Geistes handelt, während Sie das
fast unbegreifliche Glück genießen, von An‐
fang an auf den Weg in die ewige Wirklich‐
keit geführt worden zu sein...
.Seien Sie mit allem Segen gesegnet, der
mir anvertraut ist als durch meinen Willen
lenksame, geistige reale Kraft!
Menschen, die in ihrem besonderen Le‐
bensgebiet derart „daheim” sind, daß ihnen
alles Große und Kleine, was von diesem
Gebiet ihrer Verankerung umfaßt wird,
bis ins Letzte vertraut ist, werden zuweilen
plötzlich gewahr, daß sie unwillkürlich
gleiche Vertrautheit mit allem ihnen so
Verständlichen auch bei anderen Menschen
voraussetzen, denen dieses Lebensgebiet
entweder gänzlich fremd oder doch neu
ist. Recht ähnlich geht es auch mir, wenn
ich von den Dingen der Ewigkeit: ‒ den
Dingen des ewigen substantiellen Geistes,
‒ in Worten Darstellung formen soll. Es
bedarf da gar oft erst eines immer wie‐
derholten Wägens und Wertens der ge‐
brauchten Worte nach allen Seiten hin, bis
ich dann doch zuletzt bemerke, daß eine
Redewendung der Gefahr nahe ist, miß‐
verständlich ausgelegt werden zu können,
oder daß Bezeichnungen, die ich synony‐
misch verwende, der Meinung Nahrung
geben, ich wolle sie in verschiedenem Sinne
aufgefaßt wissen. Da ich der Struktur des
Lebens im ewigen Geiste durch mein eige‐
nes ewiges Leben in ganz selbstverständ‐
licher Weise bewußt bin, kann mir meine
Darstellungsweise unmißdeutbar erschie‐
nen sein, bis ich dann eines Tages durch
eine an mich gerichtete Frage mit einigem
Entsetzen entdecken muß, daß man mich
dennoch mißzuverstehen verstand.
.Aber Ihre, den Begriff „Gott” betreffende
Frage in Ihrem kürzlich an mich gelangten
Briefe ist anders zu nehmen. Während mir
sonst, wie ich eben darlegte, die Neigung
begegnete, von mir synonym gebrauchte
Worte als Bezeichnungen für voneinander
verschiedene Begriffe aufzufassen, gewahre
ich Sie vielmehr bei der Meinung, von mir
für zu unterscheidende Begriffe gebrauchte
Worte seien wohl als Synonyme anzuspre‐
chen. Das ist aber hier nicht richtig, wenn
ich auch gut begreife, was Sie zu Ihrer
Meinung bewogen hat.
.Es handelt sich hier um Gegebenheiten
innerhalb der Struktur geistigen Lebens,
die dem irdischen Verstande kaum faßbar
und in Worten fast nicht unmißverständlich
darzustellen sind, wobei nach dem Irrtum
geradezu gerufen wird durch das, was als
herkömmliche Gottesvorstellung in den
Gehirnen aufbewahrt, und sogleich als das
Gemeinte betrachtet wird, auch wenn in
einem davon recht verschiedenen Sinne von
„Gott” zu sprechen ist, ‒ nicht als einem
Postulat des Glaubens, sondern als dem
innersten Selbstbewußtsein aller ewigen
geistigen Wirklichkeit. ‒ Nur so will ich
das Wort „Gott” erfaßt wissen, wo immer
es von mir gebraucht wird. Aber es ist
hier nicht etwa an ein
verstandesmäßiges
Eigenbewußtsein zu denken, sondern die‐
ses innerste Bewußtsein, das sich immer‐
fort aus dem ewigen Geiste aufs neue er‐
zeugt, ‒ diese, dem unermeßlichen All des
einzigen
Seienden entströmende sublimste
Selbstüberlichtung und innerste Essenz des
ewigen substantiellen Geistes, ‒ ist zu‐
gleich ewig wirkender
Wille und uner‐
schöpfbare
Kraft, in
Maß und
Milde allein
sich offenbarend, bewogen, einzig durch
eigenes innewohnendes Gesetz.
Suchet nicht Gottheit im Grauen der
Gründe
Drohender Tiefe und schauriger Schründe!
Suchet nicht Gott im brüllenden Brausen
Brandender Meere, wenn Sturmwinde
hausen!
Suchet nicht Gott in den Donnergewittern,
Denen die Felsen der Erde erzittern!
Suchet ihn nicht über Welten und Sonnen, ‒
Nicht im Genießen von maßlosen Wonnen!
Wollt ihr einst Gott
in euch selber finden,
Müßt ihr die
Furcht wie die
Gier über‐
winden!
Träumt nicht von euch unerreichbaren
Fernen: ‒
Gott ist euch näher als jeglichen Sternen!
*
Alles ist
in Gott, und Gott
ist in Allem!
Primär in seinen ihm eigenen Wurzelbe‐
zirken: „Ursein”, „Urlicht” und „Urwort”,
wie in seiner Selbstgestaltung, dem „Va‐
ter” ‒
sekundär in allem unsichtbaren,
wie in allem sichtbaren Leben.
.Das darf aber nicht etwa so verstanden
werden, als predigte ich da eine Art „Pan‐
theismus”, und ebensowenig ist es mein
Wille, das was Gott ist, als „Person” er‐
scheinen zu lassen. Auch „Ursein”, „Ur‐
licht” und „Urwort” sind wahrhaftig nicht
„Personen”, wie etwa im christlichen Tri‐
nitätsdogma: Vater, Sohn und Geist! Und
was den Leuchtenden des Urlichtes „der
Vater” ist, darf hinwiederum
nicht im
Sinne dieses Dogmas aufgefaßt werden.
.Wir kennen und lehren
die Wirklichkeit,
nicht irgendeine Glaubenslehre!
.Im Wirklichen aber: ‒ in der Struktur
des geistigen Lebens, besteht ein Mono‐
theismus, der auch polytheistische Ausle‐
gungen verträgt, ohne dadurch zu sich selbst
in ein Mißverhältnis gebracht werden zu
können.
.Der Gott der Wirklichkeit ist nicht, wie
gesagt wird: „das höchste Wesen”! ‒ Das
ist vielmehr ‒ der
Vater, der
sich selbst
in die Formen der zwölf
Väter ausstrahlt,
die
seine Wirkungsaspekte sind. Gott aber
ist nicht „Wesen”, sondern: ‒ hier in be‐
sonderem,
einmaligen Sinne gemeint, ‒
die Wesenheit in allem, was wesenhaft
wirklich ist. So im „Ursein”, „Urlicht”
und „Urwort”! So im „Vater” in allen
seinen Aspekten!
.Der Vater aber ist ‒ „Mensch” im Ur‐
sein, im Urlicht, im Urwort: ‒ der sich
selber ewig zeugende Ur-Geistesmensch
und das Maß aller Dinge die aus ihm Ge‐
staltung erlangen, daher auch des Ewigen
im Erdenmenschen! ‒
.Gott ist ebenso absoluterweise Gott in
den „Vätern”: ‒ der Offenbarungsform
des Vaters, ‒ wie im Ursein, Urlicht und
Urwort. Für sich selber aber ist das, was
Gott ist, auch nur in sich selber „Gott”: ‒
die Wesenheit an sich selbst, ‒ aber von
allem anderen in ihm Seienden im ewigen,
substantiellen geistigen Leben aus „ge‐
sehen”, ist Gott Wesenheit allen Wesens!
‒ Und „Wesen” ist Wirklichkeit aus „We‐
senheit”!
.Ich stelle aber hier kein „Nebeneinan‐
der” oder „Übereinander”, sondern das
„Ineinander” der Struktur ewigen, geistig‐
substantiellen Lebens dar, soweit ich es
durch Worte irdischer Sprache vermag.
.Man sage nicht, daß die Darbildung des
ewigen Wirklichen für den Menschen auf die‐
ser Erde praktisch zwecklos sei, da dieser
hier für ganz andere und ihn leiblich näher
angehende Fragen nach Lösung zu suchen
habe! Kein Mensch auf Erden kann vielmehr
die von jedem bewußt oder unbewußt er‐
sehnte innere Ruhe und Erlösung seiner
Seele finden, solange sein Vorstellungs‐
haushalt noch nicht gänzlich konform mit
der Struktur ewigen geistigen Lebens ge‐
ordnet ist.
.Sie sehen, daß Ihre Frage bei mir gewiß
nicht in die Gefahr geraten konnte, für
„unangebracht und überflüssig” gehalten
zu werden, wie Sie meinten, denn die ge‐
ringste von der Wirklichkeit abweichende
Vorstellung von der Struktur des ewigen
geistigen Lebens läßt Sie nicht zu der Auf‐
nahmefähigkeit für Geistiges kommen, die
Sie doch zu erlangen suchen.
.Bleiben Sie im Segen des Lichtes!
Sie irren, wenn Sie glauben, ich könnte
am Ende doch „ungeduldig” werden, weil
Sie nun „schon wieder zu einer Frage ge‐
zwungen” sind. Ich kann es vielmehr recht
gut nachfühlen, daß Sie den Gebrauch des
Wortes „Wesen” bisher von sich aus an‐
ders gewohnt waren, und darum beun‐
ruhigt sind, wenn Sie die bei mir an an‐
deren Orten auch synonymisch gemeinten
Worte „Wesen” und „Wesenheit” auch
als zwei verschiedener Begriffe Zeichen ge‐
braucht sehen.
.Nun will ich gewiß die Dinge, die ich
darstelle, möglichst konturklar zur Dar‐
stellung bringen, aber gerade hier sehe ich
mir sprachlich keine andere Möglichkeit
gegeben, das, was ich sagen will, zu sagen,
als indem ich verlange, daß man den Be‐
griff „Wesenheit” für das Wesen-Gebende
gelten läßt. Das höchste „Wesen” aber ist
dadurch „Wesen”, daß es in der „Wesen‐
heit” ist wie sie in ihm, und wenn ich
darstellen will, was ich darzustellen habe,
müssen mir beide Worte als Bestimmungen
zur Verfügung stehen. Nicht anders, als
wenn ich einem Menschen, der nach hun‐
dert Jahren wieder irdisch auferstanden
wäre, nun klarmachen sollte, daß ein Elek‐
tromotor sich nur dann bewegt, wenn er
unter Elektrizität steht. Auch da müßten
mir die Worte für Bewegtes und für das
Bewegende, zu Gebote stehen. Dieser Ver‐
gleich hinkt jedoch beträchtlich, denn mir
ist „Wesenheit” nicht bloß das Bewegende
des Wesens, sondern vielmehr in erster
Hinsicht des Wesens Allerinnerstes, ‒ ver‐
gleichend gesagt: sein lebendiger „Kern”!
.Aber ich bin weit davon entfernt, hier
ein Spiel mit Worten treiben, oder darum
streiten zu wollen, welche konventionelle
begriffliche Bedeutung den hier in Rede
stehenden Worten zugemessen werden darf.
Ich gestehe Ihnen ohne weiteres das Recht
zu, für das, was ich die „Wesenheit” nenne,
durch die allein „Wesen” möglich ist, ein
anderes, zu Ihnen eindringlicher sprechen‐
des Wort zu setzen.
.Einzig „wesentlich” ist ja nur, daß Sie
nachfühlend erfassen, was ich meine, denn
das Gemeinte ist so ganz und gar allen Ge‐
dankenbereichen entrückt, daß es nie und
nimmer zu erdenken wäre, auch wenn die
scharflinigsten Gedankenbilder es zu ge‐
danklicher Gestalt zu bringen suchen woll‐
ten.
.Aber die Mühe, das von mir hier Ge‐
meinte im Nachfühlen fassen zu lernen,
kann ich Ihnen allerdings nicht ersparen,
wenn ich Sie geschützt sehen will vor Irr‐
tum gegenüber dem, was ich von der „Ge‐
burt” Ihres „lebendigen Gottes” in Ihrer
ewigen Menschenseele sage, denn eben hier
handelt es sich um nichts anderes, als um
die von mir gemeinte „Wesenheit”, die
auch dem individuellen Erdenmenschen in
der, seiner Individualität auf das genaueste
entsprechenden Form bewußt werden kann
und durch die allein er
wesenhaft zu wer‐
den vermag in Ewigkeit wie Zeit. ‒
.Der „
Vater”
ist nur
den Leuchtenden
des Urlichtes, die seine eigene Zeugung
durch seine Offenbarungsform: ‒ die
zwölf „Väter” ‒ darstellen,
bewußtseins‐
zugänglich, und zwar jedem einzelnen
Leuchtenden in der Form
dessen unter
den zwölf mit dem Vater alle
identischen
Vätern, der diesen individuellen Leuchten‐
den individuell im Urwort „zeugte”. Der
„
lebendige Gott” aber, von dem ich als
von der einzigen, allen Erdenmenschen
praktisch erreichbaren Selbstoffenbarung
Gottes spreche, kann
jedem Menschen auf
Erden, ‒ soweit dieser selbst sich dazu
vorzubereiten weiß, ‒ seelisch erlebbar
werden, was ich mit einer „Geburt” Gottes
in der Seele vergleiche.
.Meine Bücher sind ja nur deshalb ge‐
schrieben, damit durch sie die hier er‐
wähnte unumgänglich notwendige Vor‐
bereitung in die rechte Bahn gelenkt
werde. Da aber fast alle Menschen ‒ mit
verschwindenden Ausnahmen ‒ so tief
in ihrem Verstandesbewußten versunken
sind, daß auch der Dumpfeste, der nur mit
ein paar kläglichen Gedanken sich beschei‐
det, dennoch sein Leben, statt in seiner
Wirklichkeit, nur „in Gedanken” lebt, und
dieses In-Gedanken-leben ebenso für sein
wirkliches Leben hält, wie der an Gedanken
Reichste, so war es nötig, aufzuzeigen, wo
die für das Erleben ihres lebendigen Gottes
der Seele gesetzte Vorbereitung innerhalb
der Struktur des ewigen substantiellen gei‐
stigen Lebens ihren Platz hat. Das konnte
aber nicht anders geschehen, als nur durch
eine Darstellung alles dessen, was vom ewi‐
gen Leben des substantiellen Geistes um‐
faßt wird, und ich durfte nichts, was irgend‐
wie Klärung zu bringen geeignet war, nur
deshalb unerwähnt lassen, weil es nicht für
jeden erlebbar wird. Ich mußte sehr vieles
bringen, wenn ich bewirken wollte, daß
sich doch mancher zu dem Wenigen ent‐
schließen würde, was meine Bücher von
jedem, den sie erreichen, als Mindestes
erwarten.
.Empfangen Sie meinen Segen und ler‐
nen Sie immer mehr erkennen, daß jede
Bezeichnung geistiger Dinge mit der Un‐
möglichkeit rechnen muß, wirkliches gei‐
stiges Leben durch ein Wort der Sprache
zu umschließen!
So fraglos bereit Sie mich immer finden
werden, wo ich Ihnen oder Anderen helfen
kann auf dem Wege zum Bewußtwerden
im ewigen Geiste, ‒ so freudig ich alles
aufbiete, um Ihnen und Anderen die Vor‐
bereitungen treffen zu helfen, die unum‐
gänglich von Ihnen getroffen werden müs‐
sen, wenn Ihr lebendiger Gott sich leibhaf‐
tig und Ihnen bewußt in Ihrer Seele „ge‐
bären” können soll, so sehr muß ich doch
darum bitten, daß man niemals versuche,
mich in Gebiete nötigen zu wollen, deren
‒ ach so sehr ‒ zeitbedingte Probleme ich
mir kategorisch fernzuhalten gezwungen
bin, wenn ich dem
mir allein Möglichen
geistig gerecht werden soll.
Ich muß mir meine Zelle gut verwahren,
Vor all dem Lärm um nichtiges Geschehen,
Vor allem großgebärdigen Gebaren
Um Dinge, die sich wandeln,
Wie der Winde Wehen.
Ich kann unmöglich allen Rede stehen,
Und allzugleich, in
geistigem Geschehen,
Die Bande lösen, die doch alle binden,
Und die gelöst sein
müssen,
Soll sich Irdisches
Im Lichte finden.
*
.Es ist wahrhaftig keine Gleichgültigkeit
gegenüber den alltäglichen Erdensorgen
meiner Mitmenschen, die zu diesem, streng
von mir geforderten, Abweisen
aller dem
ewigen Geistigen
fernen Fragen führt! Es
gibt Menschen genug, die sich der Lösung
solcher Fragen widmen, aber es gibt in der
Gegenwart und bis auf
sehr ferne Erden‐
zukunft hin
keinen einzigen Menschen
außer mir, der das Werk rein geistiger Se‐
gens-Hilfe an Allen, die sie zu empfangen
vermögen, zugleich mit der mir obliegenden
wortgeformten Kündung aus einem irdi‐
schen Sprachbereich her, geistig gültig
durchzuführen vermöchte. So erfordert
schon eine bloße Ökonomie der Nutzung
erdmenschlicher Möglichkeiten, daß ich
mich nur da ausgebe, wo singuläre Leistung
für meine Mitmenschen hier auf Erden mir
allein ermöglicht ist, wo aber jeder andere
heutige Mensch seine Kräfte nutzlos ein‐
setzen würde, wollte er, etwa vom Irdischen
her, den törichten Versuch unternehmen,
den Dingen vorzustehen, die ich nur darum
zu leiten vermag, weil ich sie aus meinem
ewigen Sein beherrsche.
.Ich will nicht Worte gebrauchen, die im
Laufe zweier Jahrtausende den sie ver‐
ehrenden Menschen auf eine einmalige
Weise heilig wurden, aber ich muß hier
dennoch auf meine ewige geistige Her‐
kunft hinweisen, in der ich unlösbar im
„Vater” und mit ihm Eines bin in dem
individuell bestimmten, der zwölf „Väter”,
durch den mich der Vater geistig im Ur‐
licht „zeugte”. So sind es auch nur die
Dinge des Vaters, denen ich heute, ‒ hier
nun dem Irdischen in dem verbunden,
der sich mir, vordem die Erde ward, im
Geiste dargeboten hatte, ‒ Ausdruck zu
schaffen trachte. Mein irdisches Dasein be‐
sitzt seinen Sinn nur in dem vor Ewig‐
keiten zugeschworenen Dienste, den es
mir, dem Geistgezeugten, heute darzu‐
bieten hat in seiner ihm bestimmten Er‐
denzeit.
.Verwunderlich wäre wahrhaftig, wenn
es auch Anderem dienen könnte!
.Wie die Dinge zwischen Geburt und Grab
so gestaltet und gelebt werden können, daß
die durch sie entstehenden Wirkungen ins
Unsichtbare und bis in die Welten des ewi‐
gen Geistes hinein, der Seele zu kraftvoller
Förderung werden, habe ich an jeder Stelle
meiner Schriften gezeigt, an der ich diese
Dinge erörtere.
.Wer sich Rat holen will, muß ihn darum
in diesen Schriften suchen, wo er ihn leicht
finden kann, wenn er das dort Gesagte auf
den besonderen Fall anwendet, der ihn be‐
ratungsbedürftig findet, auch wenn sein
Einzelfall dabei erst aus der Verstrickung
der zeitlichen Umstände gelöst werden
muß, sollen die auf ihn beziehbaren Worte
erkennbar werden.
.So kann ich auch Sie nur darum bitten,
das, was ich geschrieben habe, zu befragen,
denn es würde der Struktur des ewigen
geistigen Lebens, ‒ in die ich eingeordnet
bin und aus der ich zu wirken habe, was
meines Werkes ist, ‒ diametral entgegen
handeln heißen, wenn ich mich in die ir‐
disch gegebenen, wechselreichen Probleme
und Fragen einmischen wollte, die eines
jeden Einzelnen selbst zu verantwortende
und nur von ihm allein zu entscheidende
Angelegenheiten sind.
.Sie werden verstehen, daß es mir, wenn
ich ohne entgegenstehende Verpflichtung
zu urteilen berechtigt wäre, wahrhaftig
leicht fallen würde, Ihnen eine Antwort zu
formulieren, der Sie auch dann genötigt
wären, zuzustimmen, wenn sie Ihrer eige‐
nen Meinung recht fern stünde. Aber ge‐
rade solche Nötigung, die unwillkürlich
entstünde und unvermeidbar wäre, ver‐
bietet mir verpflichtendes geistiges Ge‐
setz. ‒
.Mögen Sie im Segen des Lichtes das für
Sie Richtige in sich selber finden!
Wenn Sie den „Vater”, ‒ der Ihnen ja
nicht bewußtseins-zugänglich ist, obwohl
auch Sie aus ihm leben, ‒ als „sich in zwölf
Selbstreflexionen erlebende Einheit” auf‐
fassen wollen, so entfernen Sie sich durch‐
aus nicht von der Wirklichkeit. Nur müssen
Sie dann die alle zwölf „Selbstreflexionen”
umfassende zwölfeigene Einheit als ein
Dreizehntes hinzufügen, wie es wohlweis‐
licher Gebrauch „Wissender” der Vorzeit
war. Es ist mit Sicherheit zu sagen, daß
die in den Evangelien berichtete Zwölfzahl
der Jünger, mit Jesus als dem sie alle gei‐
stig umfassenden Dreizehnten, hierher‐
gehört, während ich gerne der Archäologie
das Urteil darüber anheimstelle, ob nicht
auch die „Zwölf Götter” der Ägypter, der
Griechen und der frühesten Einwohner
Italiens, wie der späteren Römer, in glei‐
chem Sinne aufzufassen sind, wobei es
durchaus belanglos ist ‒ wie ich ja schon
in einem früheren Briefe bei anderem An‐
laß erklärte ‒ daß unter diesen „Zwölf
Göttern” auch weiblich gedachte zu finden
sind. Wenn ich auch für manche, meinem
geistigen Erfahren bedeutsame äußere Be‐
richte der archäologischen Wissenschaft
dankvoll verpflichtet bin, so weiß ich doch
leider nicht, ob Anhaltspunkte gegeben
sind, eine alle „Zwölf Götter” umfassende
oder ihnen allen innewohnende Gottgestalt
in geglaubter Beziehung zu ihnen zu ver‐
muten. Auf diese dreizehnte Gestalt aber
käme es an, wenn man ebenso mit aller
Sicherheit den „Zwölf Götter”-Kultus auf
den ewigen „Vater” bezogen sehen sollte.
Was aber den Kreis der „Zwölf” um Jesus
angeht, von denen jeder Zugehörende in
den Berichten namentlich aufgeführt ist,
so taste ich nicht etwa die Geschichtlichkeit
dieser Männer an. Man hätte nur auch we‐
niger oder ebenso mehr der Schüler Jesu
in so besonders betonter Weise nennen
können, wenn hier nicht eine Parallele zu
dem Vater-Mysterium hätte sichtbar wer‐
den sollen, das ja zu Jesu Zeit nicht nur
einzelnen „Wissenden”, sondern ganzen
Mysterienvereinen bekannt war, aus denen
später viele Anhänger der Lehre Jesu
kamen.
.Ihre Frage zeigt Sie mir aber in einer
gewissen Bereitschaft, sich unnützen Grü‐
beleien zu überlassen, was keinesfalls för‐
dernd für Sie wäre. ‒
.So bedeutungsvoll es auch für Sie ist,
zu klarer richtiger Gottesvorstellung zu ge‐
langen, so wenig kommt es darauf an, die
auf Ihrem Wege Ihnen erscheinenden neuen
Einsichten, und die sich aus ihnen ergeben‐
den Begriffe auf alle möglichen Auffassungs‐
arten hin zu untersuchen. Wenn die Turm‐
uhr „Sieben” schlägt, so genügt es durch‐
aus, daß Ihnen
diese Stundenzahl bewußt
wird, und dabei bleibt es sich gleich, ob
Sie nun dahinter gekommen sind, daß man
den in genau gleichen Intervallen ertönen‐
den Schlägen unwillkürlich einen von aller‐
lei Körperlichem bestimmten Rhythmus
unterlegt, der ebensogut:
1 ⋅ 2 ‒ 3 ⋅ 4 ‒ 5 ⋅ 6 ‒ 7 lauten kann,
wie auch: 1 ⋅ 2 ⋅ 3 ⋅ 4 ‒ 5 ⋅ 6 ⋅ 7,lauten kann,
oder: 1 ⋅ 2 ⋅ 3 ‒ 4 ⋅ 5 ⋅ 6 ‒ 7.lauten kann,
.Meldet sich in Ihrem Gehirn plötzlich
der Gedanke, daß man einer geistigen Tat‐
sache, von der Sie durch mich gehört ha‐
ben, auch auf irgendeine andere Art ge‐
dankliche Darstellung zu geben versuchen
könne, so folgen Sie ihm ruhig, aber neh‐
men Sie das Resultat als etwas ganz Selbst‐
verständliches hin, ohne sich in eine Art
Entdecker-Erregung bringen zu lassen, die
Ihnen nur die Perspektive verdirbt, aus
der Sie das, was Ihnen bereits klar wurde,
sehen und fassen lernten. So viel Blick‐
punkte, so viel Auffassungen sind möglich,
und alle können richtig sein, wenn sie nur
alle das klare, unverzeichnete Bild dessen
ergeben, was aufgefaßt werden soll!
.Und das Resultat Ihres Mühens allein
gibt diesem Mühen die Rechtfertigung,
einerlei, ob Sie die Schranktüre öffnen,
indem Sie den Schlüssel krampfhaft in sei‐
ner Lage im Schloß erhalten und durch
zwei Männer den Schrank um die Schlüssel‐
achse drehen lassen, oder ob Sie die etwas
einfachere Methode wählen, den Schlüssel
ins Schloß zu stecken und umzudrehen,
während Sie den Schrank ruhig stehen
lassen, wo er steht. ‒
.So ist auch die gehirnliche Konzentration
auf ein bestimmtes, seelisch zu Erfassen‐
des, keine über die Kräfte des Einzelnen
gehende Aufgabe. Man darf allerdings nicht
damit anfangen, allen anderen Gedanken
Krieg zu erklären, in der holden Illusion,
dann auf dem leeren Schlachtfeld sich so
recht ungestört mit dem gewünschten Ge‐
danken unterreden zu können! Eine richtig
eingeleitete gedankliche Konzentration ‒
die man ja auch im Alltagsleben oft recht
nötig haben kann ‒ läßt sich vergleichen
mit dem Suchen eines bestimmten Ortes
am Horizont, von einem Aussichtspunkte
her. Unzählige Formen überfliegt der Blick
auf der Suche nach dem Gesuchten. Diese
Formen verschwinden nicht etwa, noch
werden sie von dem sein bestimmtes Ob‐
jekt Suchenden als Belästigung empfunden.
Er trägt viel zu intensiv das Nahbild des
Gesuchten in sich. Aber es ist gerade dieses
Nah-Bild des Gesuchten, das zuerst am
Auffinden hindert, ‒ bis dann dem Sucher
zu Bewußtsein kommt, daß er ja jetzt das
Fern-Bild allein zu erwarten hat, wonach
er dann bald das Gesuchte am Horizont ge‐
wahren wird. War das Nahbild vielleicht
ein mächtiger Turm, so ist allerdings viel‐
leicht jetzt nur eine aus den vielen an‐
deren Formen herausragende Silhouette
von der Größe einer Nadelspitze als Fern‐
bild gegeben, aber nun weiß der Sucher
dieses gesicherte Fernbild leicht festzu‐
halten oder sogleich wieder aufzufinden,
ohne sich im mindesten durch die vielen
anderen Formen am Horizont irgendwie
gestört zu fühlen.
.Die Nutzanwendung dieses Vergleiches
ist leicht zu finden.
.Will man zur wirklichen Konzentration
kommen, dann muß man sich vor allem
darüber klar werden, wie sich das Objekt,
auf das man sich zu konzentrieren beab‐
sichtigt, von dem eingenommenen eigenen
Standpunkt her erkennen lassen kann.
Auch in der Gedankenwelt gelten Gesetze
einer Art „Perspektive”!
.Hat man sich dann vorgestellt, in welcher
Form das Objekt der Konzentration ver‐
nünftigerweise fixiert zu werden vermag,
dann ist es in dieser Form aufzusuchen und
gedanklich zu „betrachten”, wobei alle
anderen gegenwärtigen Gedanken nur zu
ignorieren sind, aber niemals bekämpft
werden dürfen, weil sie ja gerade dadurch ‒
zur Aktion aufgerufen ‒ das Ignorieren
unmöglich werden lassen müßten. Auch
der Wanderer, der von seinem Aussichts‐
punkt aus die von ihm gesuchte Kirchturm‐
spitze gefunden hat, sieht optisch zugleich
alles, was sich in seinem Gesichtsfeld be‐
findet, ‒ mag es sich um unbewegliche Ge‐
staltungen handeln, oder um das, was
kommt und geht. Alles das aber wird ihm
kaum bewußt, solange ihm das gefundene
Fernbild Anlaß bietet, sich mit der Wirk‐
lichkeit, die ihm entspricht, innerlich zu
beschäftigen.
.Möchte Ihnen mein heutiger Brief wie‐
der über einige Schwierigkeiten hinüber‐
helfen!
.Empfangen Sie allen Segen!
Was Ihnen da jetzt klar geworden ist, kann
ich freudig begrüßen, und ich begreife, daß
Ihnen bei dieser „Entdeckung” zumute
war, als seien Ihnen endlich die Augen „ge‐
öffnet” worden. Ich weiß ja sehr wohl auch
heute noch die Gründe zu achten, die mich
damals, als ich „Das Buch vom lebendigen
Gott” schweren Herzens der Öffentlichkeit
übergab, bewogen hatten, mich zuweilen
schützender Verhüllung zu bedienen, aber
es ist mir auch möglich, nachzufühlen, wie
befreiend das Bewußtsein empfunden wer‐
den mag, nun mit aller Gewißheit zu wissen,
was unter der Hülle sich vor wenig erfreu‐
lichen Blicken verbirgt.
.Mit Willen hatte ich aber zugleich durch
solche Verhüllung dem Leser die Möglich‐
keit gelassen, sich die geistige Gemeinsam‐
keit der Leuchtenden des Urlichtes nach
seiner eigenen Weise vorzustellen, damit
er nicht zurückscheue vor einem vermeint‐
lichen Glaubenspostulat. Daß der Wahrheit
aber nirgends Gewalt angetan wurde, wis‐
sen Sie jetzt ja am besten selbst zu beur‐
teilen, nachdem Sie nun erkannt haben,
daß das „Oberhaupt”, von dem ich sage,
es werde „nicht gewählt” und „nicht er‐
nannt”, aber dennoch sei niemals einer
aus der Vereinung der Leuchtenden im
Zweifel, wer es sei, ‒: der „Vater” ist, als
dessen geistgezeugte Söhne wir Leuchten‐
den des Urlichtes uns innerhalb der Struk‐
tur des geistigen Lebens an der uns ge‐
gebenen Stätte wissen. Daß ich die ge‐
brauchten Bilder und Gleichnisse mißver‐
standen sehen würde, bezweifelte ich nicht,
aber niemals hätte ich geglaubt, daß einer
von denen, für die meine Bücher wirk‐
lich geschrieben wurden, mich falsch ver‐
stehen könne, wenn ich es nicht bisher
oft genug hätte erleben müssen. Sie selbst
sagen ja, daß es Ihnen erst jetzt endlich
„wie Schuppen von den Augen gefallen”
sei...
.Solche „Schuppen” scheinen aber noch
viele Augen zu bedecken, die ich wahrlich
von ihnen frei geglaubt hatte und nicht
erst befreiungsbedürftig.
.Ist denn so schwer, richtig seinem tie‐
feren Sinne nach, zu deuten, was ich nur
deshalb so behutsam umkleidet habe, da‐
mit es den unsauberen Blicken derer ent‐
gehen möge, für die es nicht erkennbar
sein soll?! Was mich betrifft, so bin ich ja
oft versucht, mich manchen Danebenver‐
stehens, das mir begegnet, erleichtert zu
freuen, weil es mir wirklich wenig ange‐
nehm wäre, von jedem verstanden zu wer‐
den. Allein um der zum Erwachen im
Geiste Fähigen willen muß ich mich offen‐
baren! Aber was hier zu offenbaren ist,
macht diese Pflicht zu einer wahrlich nicht
begehrten Last. ‒
.Zahlreich sind daher auch die Stellen, be‐
sonders in den zuerst erschienenen meiner
Bücher, an denen ich ‒ kaum daß ich mich
im Irdischen überwunden und zu mir selbst
im ewigen Geiste bekannt hatte ‒ mich
sogleich wieder hinter meinem Nur-erden‐
haften zu verbergen suchte. ‒ Möglichkeit
zu solchem Mich-verschwindenlassen hin‐
ter meinem Zeitlichen bot diesem ja immer
der glückhafte Zustand, daß in meiner
Selbstbezeichnung „Ich” ebenso mein ir‐
disch Vergängliches wie mein urewiges
substantielles geistiges Sein sich ausspre‐
chen kann, da sie ja allem mich ewig Dar‐
bildenden wie allem mir nur auf Zeit‐
dauer Eigenen dient.
.Ich verrate Ihnen freilich hier kein Ge‐
heimnis, nachdem ich mich aus Gründen,
die mir wahrhaftig beträchtlich genug er‐
schienen, entschloß, die drei nun neuer‐
dings veröffentlichten kleinen Bände dar‐
zubieten, die in rhythmisch geordneter
Form eine Folge von Bekenntnissen ent‐
halten, wie sie der irdische Mensch sich
nur schwer, und nur im Angesichte der
letzten Dinge allenfalls abringen läßt.
.Aber selbst hier betrachtet der Verkün‐
der immer wieder gerne sein Ewiges eben‐
so, wie mein mir von Ewigkeit her Be‐
wußtes auch aus der erdgemäßen Perspek‐
tive seiner zeitbedingten Vergänglichkeit,
und es wird also auch hier, wie schon an
anderen Orten, Ihnen überlassen bleiben
müssen, zu erfühlen, was jeweils spricht,
da ich durchaus nicht gesonnen war, die
Empfindungen des Zeitlichen, das die
Möglichkeit meiner Offenbarung schafft,
um meines ewigen Seins willen ohne Not‐
wendigkeit zu unterdrücken.
.Die Empfindungen des Ewigen sind aber
in der Seele wesentlich verschieden, je
nachdem, ob ein Irdischer sich von seinem
Standort her in Meditation und seelischem
Ringen Einsicht in Geistiges erwarb, oder
ob er teilhat an seinem Ewigen durch ein
ihm geistig wie leiblich vereinigtes ewiges
Sein, dessen Werkwirker er ist für die
Erdenwelt.
.Ich wußte von Anfang an sehr wohl, wie
viel ich bei meinen Mitmenschen voraus‐
setzen müsse, wofür die Vorstellungsfähig‐
keit nur selten gefunden wird.
.Ein Träger ewigen Bewußtseins ‒ wie
man ihn auch benennen möge ‒ der sich
einem irdischen Menschen: dessen ewiger
Seele wie dessen zeitlich vergänglichem
Leibe, vereinigt, ja geradezu amalgamiert,
und das auf Grund freiwillig übernom‐
mener, um unvorstellbare Zeiträume zu‐
rückliegender Verpflichtung der ewigen
geistigen Individualität dieses Erdenmen‐
schen, ‒ das ist für den modernen Euro‐
päer nichts als eine Reihe absurder Träume‐
reien, die er lediglich als Resultat einer
Gehirnerkrankung noch entschuldbar fin‐
det. Und man darf ihm bei seiner absoluten
Ahnungslosigkeit überzeitlichen Dingen
gegenüber, seine seelische Ignoranz nicht
einmal übelnehmen. Er kann nicht anders!
.Es ist nicht verwunderlich, daß es mich
desto mehr freut, wenn ich so viele unver‐
hoffte Ausnahmen gewahre, so daß mir auch
Ihr eingehender lieber Brief, der Sie mir
ja wahrhaftig wieder als erfreulichste Aus‐
nahme in dem hier gemeinten Sinne zeigt,
für mich eine ganz große Freude war und
bleiben wird.
.Wenn Sie sich entschließen können, alle
meine Bücher, die Sie bisher verstandes‐
mäßig durchzuarbeiten und seelisch sich
zu eigen zu machen suchten, nun an Hand
Ihrer neuen Erkenntnis sogleich nochmals
im Ganzen vorzunehmen, werden Sie glau‐
hen, Sie hätten die Texte überhaupt noch
nicht gelesen. So anders wird sich Ihnen
der Sinn erschließen in vielem, was vorher
unerfaßt blieb.
.Aller Segen aus dem ewigen geistigen
Lichte, in dem ich lebe, sei mit Ihnen!
Die Grenzen zwischen dem, was der Seele
eines jeden Erdenmenschen im ewigen Gei‐
ste zu erleben möglich ist, und dem, was
nur der Leuchtende des Urlichtes zu er‐
fahren vermag, sind allerdings in meinen
Schriften nicht immer scharf gezogen. In‐
sofern sind Sie durchaus im Recht. Was Sie
aber unmöglich wissen konnten, ist, daß
diese scheinbar einen Mangel darstellende
unscharfe Scheidung durch das in der Wirk‐
lichkeit Gegebene gefordert und bestimmt
ist, so daß mir keineswegs die schärfere
Scheidung möglich gewesen wäre.
.Überlegen Sie, daß in jedem Erden‐
menschen, bei aller Tiergleichheit in bezug
auf den Leib und die wieder auflösbare
„Tierseele”, die Funktionsergebnis dieses
Leibes ist, auch ein Ewiges sich darlebt,
mag es auch bei vielen zeitlebens latent
bleiben. Dieser ewige „Geistesfunke”, dem
die aus ewigen Seelenkräften sich gestal‐
tende und daher ewige Seele Darstellungs‐
bereich ist, erfüllt innerhalb der Struktur
ewigen geistigen Lebens ebenso seine ihm
allein vorbehaltene Stätte, wie der ewige
Leuchtende des Urlichtes die seine ein‐
nimmt. Dem Leuchtenden, der erdenkör‐
perlich wirkt, ist ein solcher Geistesfunke
seit unermeßlicher Zeit geistig vereinigt,
und mit ihm dessen ewige Seelenkräfte,
so daß zuletzt auch Tierseele und Leib die
Influenzwirkungen des ewigen Leuchten‐
den erfahren, dessen zeitliche Werkzeuge
sie sind, solange sie auf Erden im Physi‐
schen lebensbeständig bleiben können.
Während aber dem Leuchtenden des Ur‐
lichtes alle Erlebensmöglichkeit, die das
Leben des ewigen Geistes umschließt, bis
ins Innerste dieses Lebens gegeben sind,
da er ja von ihm aus bewußt ist, kann er
doch nur dem ewigen Einzelmenschen‐
geiste, dem er sich im Ewigen vereinigte,
um durch ihn einst dann auf Erden die
Möglichkeit zu geistiger Hilfeleistung zu
haben, Anteil an seiner, alles geistige Le‐
ben in sich durchdringenden Erlebensweise
geben, indem er ihn, Jahrtausende vor der
ihn später tragenden „Tierwerdung” auf
Erden, in sich realiter „hineinnimmt” und
so ihn an allem teilnehmen läßt, was in
ihm selber Leben ist. Dieses „Hineinneh‐
men” ist geistesgesetzliche Folge der un‐
darstellbare Zeit vordem dargebotenen frei‐
willigen Verpflichtung, die der von nun an
geheimnisvollste Vorbereitung Genießende
eingegangen war. Allen anderen im Irdi‐
schen inkarnierten ewigen Geistesfunken
vermögen jedoch die Leuchtenden des Ur‐
lichtes nur dazu zu verhelfen, ihrer ewigen
Seelenkräfte habhaft und Herr zu werden,
um im Bewußtsein der Seele sich selbst
zu finden und die ihnen gemäße Form der
Seele sich bilden und vereinigen zu können.
Da nun zwischen den ewigen Seelenkräften
und dem gehirnbedingten Erkennen, Emp‐
finden und Erlebenkönnen stete Influenz‐
wirkungen bestehen, so kann dieses see‐
lische Erwachen in entscheidender Weise
von den Vorstellungsbereichen des Erden‐
menschen her gefördert werden, wie an‐
dererseits auch die Einflüsse aus dem ewigen
Geiste über die Individualgestaltung des
Geistes, die in dem ewigen Geistesfunken
des Menschen gegeben ist, allmählich den
ganzen tiernahen Leib derart zu durch‐
dringen vermögen, daß er zur Verkörpe‐
rung des Geistes auf Erden zu werden ver‐
mag.
.Dem Geistigen eines jeden Erdenmen‐
schen entsprechen nun aber ganz be‐
stimmte, nur ihm allein zugängliche gei‐
stige Erlebensformen und die hier mög‐
lichen Kombinationen sind der Zahl nach
unendlich, so daß es ganz unmöglich wäre,
sie alle jemals darzustellen, ja nur gruppen‐
weise zu charakterisieren. Da nun aber der
Erziehung des Vorstellungslebens so uner‐
meßliche Bedeutung zufällt, und der vom
Irdischen her nach dem Geistigen Suchende
möglichst von dem schon irdisch erfahren
haben sollte, was ihm geistiges Erleben
werden kann, so ist es besser, er weiß von
allem, was an diesen Dingen Menschen er‐
fahrbar zu werden vermag, als wenn ich
nur das Allgemeinste erörtern, alles Be‐
sondere aber verschweigen wollte. Ich sagte
Ihnen schon einmal, daß jeder, sich selbst
gegenüber ehrliche Suchende alsbald wissen
wird, was ihm in meinen Lehrtexten im
Besonderen gilt, wobei es ihm nur zu grö‐
ßerer und tieferer Einsicht in die Natur
alles Geistigen dienen kann, wenn er auch
von anderen Möglichkeiten erfährt, denen
gegenüber er spontan fühlt, daß sie der
Art nach nicht für ihn in Frage kommen,
auch wenn Andere so zum gleichen Ziele
gelangen.
.Es sind dunkle triebdumpfe Atavismen
die durch unsere tierleibliche Herkunft
aus der Substanz des Planeten nur zu sehr
erklärlich werden, wenn immer wieder der
widergeistige Gedanke in den Köpfen auf‐
lebt, alle Menschen seien „gleich” vor
Gott. Tröstlich bleibt dabei nur, daß dieser
„Gott” der Langweile das Erzeugnis gleich‐
wertiger Ursache ist. ‒ Die Wirklichkeit
aber kennt in den Beziehungen zu Gott
innerhalb der Struktur des Lebens im ewi‐
gen Geiste nur unendlichfältige Verschie‐
denheit. Eine Gleichheit vor Gott darf le‐
diglich insofern zu Recht behauptet wer‐
den, als sie sich auf die allen Erdenmen‐
schen gemeinsame leibliche Tiernatur be‐
zieht, die von dem Planeten genommen
ist und ihm wieder anheimfällt. Soweit aber
das Doppelwesen, das sich auf Erden be‐
scheidenerweise für den Inbegriff des „Men‐
schen” hält, geistiger Natur zugehört, sind
seine einzelnen Geistesfunken verschie‐
dener voneinander als alles Verschiedene,
was es auf Erden an irdischen Formen zu
unterscheiden gibt! Und zwar nicht nur
im Nebeneinander gesehen, sondern eben‐
so in bezug auf die hierarchisch unfaßbar
scharf bestimmte Stufe der Eigenkapazität
innerhalb des geistigen Lebens!
.Hier läßt sich nichts abhandeln durch
philosophische Begriffsbildungen, die in
der Sphäre der Wirklichkeit so wenig Hei‐
matrecht haben, daß man sie nicht einmal
als Schatten und Schemengebilde wahr‐
nimmt.
.Hier läßt sich aber auch nichts erkaufen,
denn alles was der Andere hat, ist in glei‐
cher Weise wie das Eigene, in der Struktur
des geistigen Lebens gründender, ewig un‐
veräußerlicher Besitz.
.Sie sehen, daß sogar sehr scharfe Gren‐
zen zwischen den Erlebensmöglichkeiten
der einzelnen geistigen Individualitäten
bestehen, aber Sie werden auch bereits
entdeckt haben, daß die Oberfläche der
Erde nicht ausreichen dürfte, diese Gren‐
zen alle aufzuzeichnen, und daß die von
Ihnen vermißte „schärfere Scheidung”
dessen, was nur dem Leuchtenden des Ur‐
lichtes zu erleben möglich ist, und dessen,
was jeder Menschengeist nach dem Er‐
wachen seiner Seele aufzunehmen vermag,
schon dadurch ganz unmöglich würde, daß
es sich in dem einen Falle um eine, Un‐
endliches in sich fassende, im anderen um
die denkbar differenteste Erlebensfähig‐
keit des Selbstbegrenzten handelt! ‒
.Leben Sie im Segen des Lichtes!
Daß ich diese Frage eines Tages von Ihnen
hören würde, konnte ich als gewiß erwarten.
Ich wundere mich nur, daß ich sie nicht
längst vorgelegt erhielt. Ich staune auch
darüber, daß sie mir so selten von Suchen‐
den vorgelegt wurde. Es ist, als fürchte
man, ich könne sie so beantworten, wie
man sie eben doch nicht beantwortet sehen
möchte...
.Von Jesus wird erzählt, wie allen Christ‐
gläubigen bekannt ist, daß er einmal ge‐
sagt haben solle: „Wer mich vor den Men‐
schen verleugnet, den werde ich auch vor
meinem Vater verleugnen, der im Himmel
ist.” In dieser Fassung: ‒ als Drohung, ‒
ging dieses Wort gewiß nicht über Jesu
Lippen, aber diese Drohung war einer
heranwachsenden, eifersüchtig um ihren
zahlenmäßigen Vorrang vor anderen Kult‐
vereinen damaliger Zeit ringenden My‐
steriengemeinschaft, die eben im Begriffe
war, sich aus dem Volksverband des antiken
Judentums zu lösen, der sie durch einen
der Seinen, wenn auch ungewollt, hervor‐
gebracht hatte, recht aus dem Herzen ge‐
kommen. So „mußte” der Gesalbte, dem
man nun, frei nach den umgebenden Vor‐
bildern, im „Mysterium” nahte, gespro‐
chen haben und darum „hatte” er so ge‐
sprochen! Die Berichte über sein Leben
und seine Lehre waren ja vorläufig nur kul‐
tisch verwendete Rezitationstexte, ‒ noch
nicht wie später: ‒ „Heilige Schrift”.
Aber ein belegbildender Anlaß, diese Dro‐
hung zu formulieren war für die Gestalter
der Texte dennoch gegeben, denn Jesus
hatte einst wirklich darauf hingewiesen,
daß der Mensch unmöglich „zwei Herren
dienen”, ‒ also im äußeren irdischen Leben
sich anders verhalten könne, als ihm seine
seelische Einsicht vorschreibe, wenn er
nicht zum Verräter an sich selbst werden
wolle. Das hieß freilich nur, daß irdisches
Verhalten ewigem Gesetz entsprechen
müsse, und daß der Mensch nicht etwa nach
einem System sein irdisches Leben führen
könne und dabei nach einem anderen in
sein ewiges Heil zu kommen vermöge. Aber
daraus ließ sich mit Leichtigkeit die Dro‐
hung drechseln, die man brauchte, um die
allein der Tierseele entstammende Seelen‐
angst in den Dienst der Propaganda für
den neuen Mysterienkult zu zwingen. Man
ließ nicht Raum für Zweifel. Das war da‐
maliger Art nicht gemäß. Der Meister, der
Kyrios, der Gesalbte, hatte von nun an
„gesagt”, daß er jene vor seinem himm‐
lischen Vater nicht anerkennen werde, die
ihn ‒ was hier heißen will: den ihn in einem
neuen Mysterium kultisch erlebenden Ver‐
ein ‒ nicht als Erfüller ihres seelischen
Vorahnens vor allen Andersdenkenden zu
propagieren bereit gewesen seien, während
ihres Erdenlebens. Daß die psychologische
Beurteilung ihrer Nebenmenschen von sei‐
ten der ersten Leiter des damaligen neuen
Mysterienkultes richtig war, wird man nicht
bezweifeln. Aber man wird auch nicht be‐
zweifeln dürfen, daß die nur gelegentliche
Befolgung geistiges Leben betreffender An‐
weisungen ‒ und um solche handelt es sich
wesentlich in Jesu Lehren ‒ nur frivole
Spielerei ist und vor dem ewigen Geiste
gegenstandslos, wenn sie nicht gar Abwehr‐
kräfte im Geistigen auslöst, deren unheim‐
liche Gerechtigkeit jedem, der sie schon
in ihrer Auswirkung an Anderen auf Erden
gewahrte, erschütternde Schauder der Seele
erregen mußte. In gewissem Sinne ist also
doch aus der nach Jesu Zeit formulierten
Drohung die harte Wahrheit herauslesbar,
daß alle Beschäftigung mit geistgegebenen
Anweisungen nicht zum erstrebten Ziele
führt, wenn nicht der, diese Anweisungen
Kennende, die aus ihnen hervorgehenden
Konsequenzen zieht, aller Außenwelt
gegenüber. Auch Sie gewahren sich nun
vor der Notwendigkeit, im Außenleben,
Ihrer Mitwelt gegenüber, die Konsequen‐
zen aus den durch mich erhaltenen Lehren
zu ziehen und erklären sich bereit dazu,
kommen aber noch nicht recht mit sich
darüber ins reine, wie das geschehen müsse.
Ich habe allerdings in meinem Buche „Der
Weg meiner Schüler” schon gezeigt, wie
fehlwegig das „Bekehrenwollen” zu den in
meinen Büchern dargebotenen Lehren ist,
so daß ich Sie davor wohl kaum noch zu
warnen brauche. Aber man verkennt auch
von Grund aus den Sinn der Existenz dieser
Bücher und ihre in Wahrheit „einzig-artige”
Verankerung im Ewigen, wenn man voll
gutgemeintem Betätigungsdrang im Sinne
ihrer Verbreitung glaubt, es müsse ihnen
eine „offizielle” Wirkungsbasis geschaffen
werden.
.Ihre Frage, wie Sie auf richtige Art die
Konsequenzen Ihres geistigen Voranschrei‐
tens nun auch in der Außenwelt ziehen
sollen, muß von den in diesem Zusammen‐
hang von Ihnen erwähnten Möglichkeiten
in bezug auf meine geistigen Lehrbücher
scharf getrennt werden.
.Gewiß will ich es durch meine Erörte‐
rungen in dem Buche „Der Weg meiner
Schüler” nicht etwa als unerwünscht an‐
gesehen wissen, wenn man eines meiner
Bücher ebenso weiter empfiehlt, wie einen
Romanband durch den man selbst künst‐
lerisch beeindruckt wurde. Ich warne in
meinem Buche lediglich vor einem sich
mehr oder weniger aufdrängenden „Missio‐
nieren”, ‒ vor der Selbstberufung zu
einem vermeintlich nötigen Apostolat.
.Es ist auch eine Selbstverständlichkeit
und nur Erfüllung literarischer Anstands‐
pflicht, daß man die Quelle deutlich nennt,
wenn man Zitate aus meinen Büchern
bringt, oder durch ihre Wortbildungen sich
„anregen” läßt. Schließlich sind die Ver‐
kündungen meiner Bücher von mir in Form
gefaßt, und diese Form ist mein geistiges
Eigentum, das ich nicht unter dem köst‐
lichen Vorwand: es handle sich doch um
geistig gegebene Lehren, zur Freibeute
gemacht wissen will. Und nicht nur die
künstlerische Form ist mein ausschließ‐
liches geistiges Eigentum, sondern auch
die rein gedankliche Darlegung!
.Aber das alles geht Sie hier wohl kaum
an, denn es handelt sich bei den aus der
Aufnahme meiner Lehrtexte erwachsenden
„Konsequenzen” überhaupt nicht um die
Bücher, sondern um Ihr praktisches Ver‐
halten im äußeren Leben, und hier dürfte
es doch wahrlich nicht gar zu fernliegend
sein, zu erkennen, daß alles allmählich aus
diesem Leben schwinden muß, was sich
mit einem Befolgen der Ratschläge und
Lehren in meinen Büchern nicht einwand‐
frei vereinigen läßt. Ebenso ist doch auch
leicht zu verstehen, daß es mit dem bloßen
Vermeiden des Unvereinbaren nicht ge‐
tan ist, sondern daß Sie nun auch die mo‐
ralische Pflicht haben, Ihr Leben mehr und
mehr durch bewußtes und gewolltes Ge‐
stalten des meinen Räten entsprechenden
Positiven, in Ihrem ganzen Tun, Reden
und Verhalten, zu bereichern! Mit dem
„Reden” meine ich aber beileibe nicht
etwa ein stetes Im-Munde-Tragen meiner
Worte! ‒ Ihr Reden soll sich vielmehr in
Ihnen selbst ‒ vor meinen Worten stets
verantwortbar erweisen! ‒
.Andererseits steht es Ihnen jederzeit frei,
sich, wo Sie es für angebracht halten, auch
namentlich zu mir zu bekennen, ‒ nur
sollte das, wo es geschieht, in einer Art
geschehen, die einigermaßen der Würde
solchen Bekennens entspricht, ‒ also etwa
auf ähnliche Weise, wie sich wissenschaftlich
tätige Menschen mit Selbstverständlichkeit
zu den Begründern ihrer „Schulen”, ‒
ihrer auf Grund gewisser Erkenntnisse ge‐
einigt strebenden Gruppe, bekennen.
.Damit werde ich wohl heute meinen
Brief beenden dürfen, wobei ich hoffe, Ihre
Frage von allen Aspekten her beantwortet
zu haben.
.Je mehr Sie Sorge tragen, daß sich Ihre,
durch meine geistigen Lehrbücher in Ihnen
erweckten Erkenntnisse in Ihrem Leben
praktisch auswirken, desto mehr werden
Sie auch Ihrem Außenleben dienen.
.Seien Sie gesegnet in allem, was Sie,
geistigem Gesetz entsprechend, an Gutem
in die Außenwelt tragen!
Ihre Auffassung jener Stellen meiner Bü‐
cher, an denen davon die Rede ist, daß
auch ein Mensch, der zum Meister geistigen
Wirkens auf dieser Erde vollendet war,
durch eigene furchtbare Schuld aus dem
hohen Leuchten fallen könne, und daß es
von alter Zeit her solche durch eigenen
Frevel Gestürzte gibt, entspricht durchaus
dem, was von mir bei der Erwähnung die‐
ser Unseligen gemeint war. Da Sie aber
ausdrücklich um Antwort bitten, ob Ihre
Auffassung durch mich bestätigt werden
dürfe, so sei ihr hier die Bestätigung ebenso
ausdrücklich gegeben. Wohl wäre es ja prak‐
tisch für Sie kaum von Bedeutung gewesen,
wenn Sie möglicherweise zu Vorstellungen
geneigt hätten, die abweichend von dem
Gemeinten gewesen wären. Um Ihren eige‐
nen Weg zum Erlebenkönnen ewigen Gei‐
stes zu finden, brauchen Sie wirklich den
hier herangezogenen Stellen meiner Bü‐
cher die ausführliche Deutung nicht geben
zu können, die Sie ihnen aus Ihrem pri‐
vaten Interesse heraus schließlich fanden.
Es ist aber gewiß besser, man duldet in
seiner Vorstellung auch nicht die kleinsten
vermeidbaren Unklarheiten, und darum
begrüße ich es doch, daß Sie sich nicht
eher Ruhe ließen, als bis Sie auch dieses
Schrecklichste, was sich auf der Erde zu‐
tragen kann, unbeirrbaren Blickes durch‐
drungen hatten.
.Als ich die betreffenden Stellen nieder‐
schrieb, dachte ich allerdings nicht, daß sich
irgendein Leser darüber Kopfzerbrechen
machen würde, sonst hätte ich dem, was
ich da nur um der Lückenlosigkeit meiner
Darstellungen willen zur Sprache brachte,
wahrhaftig noch weitere Erläuterungen bei‐
gegeben. Aber weshalb hätte ich sie für
nötig erachten sollen? Ich konnte doch un‐
möglich annehmen, daß ein denkender
Mensch etwa zu der Meinung käme, ein
aus dem „Vater” in diese Erdenwelt ent‐
sandter geistgezeugter Leuchtender des
Urlichtes, als ewiges Wesen, könne unter
wie immer gearteten Umständen in grauen‐
voller, Äonen lang währender Umnach‐
tung seine geistige Auflösung erfahren, und
ebensowenig durfte ich nach allem, was
ich über den „ewigen Geistesfunken” im
Erdenmenschen an anderen Orten gesagt
hatte, vermuten, daß man am Ende diesen
ewigen geistigen Pol des Erdenmenschen
für auflösbar halten würde. Deutlich hatte
ich ja auch von der Seele gesprochen, die
zu einem „Reiche” der Ewigkeit geworden
sei, dessen „Krone und Zepter” dem „Auf‐
genommenen” in die Gemeinschaft der
Leuchtenden durch nichts verlierbar wer‐
den könne, außer durch ihn selbst. Ich habe
allerdings auch, abgesehen von Ihrem letz‐
ten Briefe, niemals eine Zuschrift erhalten,
aus der zu entnehmen gewesen wäre, daß
meine Worte einem Leser Schwierigkeiten
bereitet hätten. Wie man sieht, ist es ja
auch Ihnen gelungen, sich auf alle Fragen,
die Sie sich selbst an den bewußten Stellen
vorlegten, die richtige Antwort zu geben.
.Da der Leuchtende des Urlichtes, der in
erdenmenschliches Wirken eintritt, sich
mit dem ihm seit unvorstellbaren Zeiten
aus freien Stücken verpflichteten Men‐
schengeiste und dessen dann gegebener
erdenmenschlicher Darstellung so ganz ver‐
bindet, daß während des Erdenlebens ge‐
radezu von einer Verschmelzung gespro‐
chen werden muß, so ergibt sich infolge
solcher Verbindung auch eine Form der
Seele, die alles hier Verbundene in sich
zu empfinden vermag und an allem hier
gegebenen Bewußtsein teilnimmt. Wo diese
Seelenform nicht durch Willenswahn des
Irdischen zur Auflösung verurteilt wird,
dort geht sie nach der Beendung des erden‐
körperlichen Lebens nicht nur dem ewigen
Menschengeiste nicht verloren, sondern
bleibt mit ihm zugleich auch dem ewigen
Leuchtenden erhalten und sich selbst in
ihm. Aber auch dort, wo ihre Auflösung,
die allein durch die Willensüberheblich‐
keit des in dem geschilderten Verbande zu
findenden irdisch vergänglichen Teiles
möglich werden kann, unvermeidbar wird,
gehen natürlich keineswegs die ewigen
Urseinskräfte, die in ihrer hohen Form
als „Seelenkräfte” einst eine dem Leuch‐
tenden wie dem ihm verbundenen ewigen
Geistesmenschen gemeinsame Seelenform
gestaltet hatten, „verloren”, sondern wan‐
deln sich nur zurück in ihre eigene Aus‐
gangsform, nachdem sie sich, wie geschil‐
dert, aus dem voreinst so vollkommenen
Seelengebilde lösten. Es ist eine Bewußt‐
seinsauflösung durch Verlust des ewigen
Ich, das selber jedoch ebenso unverletzlich
im Geiste bestehen bleibt wie der Leuch‐
tende, dem es sich voreinst verpflichtet
hatte.
.Für irdisches Vorstellungsvermögen ist
freilich das, was da von mir angedeutet
wurde, nur dann leidlich erfaßbar, wenn
man sich, wie Sie, bei dem Schluß be‐
scheidet: „Ewiges kann nicht zerstörbar
sein, folglich muß es sich da um eine Be‐
wußtseinsform handeln, die zwar dazu ge‐
staltet war, auch Ewigem zu dienen, sich
selbst aber zu groß geworden fand, um sich
ihres nur im Ewigen und für das Ewige
gegebenen Seins gegenwärtig zu bleiben”.
Im Kleinen ereignet sich solcher Seelen‐
verlust tagtäglich tausendfach unter Men‐
schen auf Erden, die gewiß nicht einem
Leuchtenden des Urlichtes vereinigt sind.
Auch darüber habe ich ja genug geschrieben.
Ganz ähnlich erfährt auch hier der seelen‐
los Gewordene nach seinem leiblichen Tode
die qualvolle Bewußtseinsauflösung in ir‐
disch unvorstellbarer grauenvoller Nacht,
äonenlang noch dazu verdammt, um das
Unvermeidbare zu
wissen, ohne ihm
weh‐
ren zu können. ‒ Und auch alle
diese vielen
Seelenzerstörungen berühren in keiner
Weise die
ewige Natur der
Seelenkräfte,
die bei der Formung der nun in Auflösung
endenden „verlorenen” Seelen beteiligt
waren. Verursacht aber wird all dieser Mord
an der eigenen Seele immer wieder durch
das überhebliche Verlassen der
Bewußt‐
seinsgegenwart vor dem Ewigen.
Sich nur im Ewigen achten
Und nur in ihm sich zu leben,
Wahrlich, ist schwerer
Als jegliches irdische Streben! ‒
Hart wird es Zeitlichem,
Hierfür sich selbst zu entsagen: ‒
Kaum vermag irdisches Trachten
Solchen Verzicht zu ertragen.
*
.Es ist die seit der Urzeit immer wieder‐
kehrende Tragik des Erdenmenschen, daß
er sich selbst gerade damit
zerstört, womit
er sich zu
erhalten und
über das ihn Er‐
haltende emporzuschwingen meint...
.Möge Ihnen meine Antwort auf Ihren,
mich recht erfreuenden Brief in mancher
Hinsicht auch noch Ungefragtes beant‐
worten!
.Seien Sie stets im Segen des Lichtes!
Tragen Sie nur ganz unbesorgt den mir
geschilderten kunstreich gestalteten Ring,
der Ihnen als kostbares Familienerbstück
zugefallen ist, auch wenn Ihr, auf astro‐
logische Ansichten eingeschworener Be‐
kannter Sie mit seiner törichten Warnung
ängstet: Aquamarin sei nicht „Ihr Stein”!
Die „überaus sympathischen Empfindun‐
gen”, die Sie dem Stein gegenüber er‐
füllen, sind weit sicherere Beweise dafür,
daß der Stein zu Ihrer Natur verwandte
Schwingungsbeziehungen hat, als alle heu‐
tigen astrologischen Berechnungen wären,
die ‒ notgedrungen ‒ unvollkommene
Resultate liefern müssen, wenn sie auch in
einzelnen Punkten gewiß zutreffend sein
mögen. Es ist zu viel von dem ‒ wirklichen
und auch nur vermuteten ‒ alten Erfah‐
rungswissen verlorengegangen, vielleicht
nie vorhanden gewesen, oder aber heute
allem Fehldeuten ausgesetzt, und bis sich
hier ein neues Erfahrungswissen einwand‐
frei sichern läßt, wird man sich nur auf die
charakterologischen Vermutungen der Ho‐
roskope einigermaßen stützen dürfen, und
auch auf diese nur dann, wenn es möglich
war, ganz genaue und sichere Angaben über
die Geburtszeit des astrologisch zu Analy‐
sierenden zu erhalten. Daß im Massen‐
betrieb hergestellte sogenannte „Horo‐
skope”, wie sie im Annoncenteil der Tages‐
zeitungen permanent angeboten werden,
hier ganz außer Betracht bleiben müssen,
brauche ich Ihnen wohl nicht erst zu be‐
kräftigen.
.Was aber die Zuteilung gewisser Steine
zu verschiedenen Menschen betrifft, so sind
dafür sehr viele Aussagen des astrologischen
Befundes in Wirklichkeit als bestimmend
zu werten, während die meisten ‒ wenn
nicht alle ‒ heutigen Liebhaber und Kun‐
digen der Astrologie sich zu sehr durch
den jeweiligen Hauptbefund leiten lassen.
So kann es vorkommen, daß astrologische
Errechnung und traditionelle Horoskop‐
deutung Steine bestimmen für Leute, die
gerade diese Steine nur mit Widerwillen
ansehen können, was der beste Beweis da‐
für ist, daß die „verordneten” Kristalli‐
sationserscheinungen zu der betreffenden
menschlichen Natur und ihrem Lebens‐
rhythmus keinerlei, oder gar entgegen‐
wirkende Strahlungsbeziehungen haben.
Mir sind viele Fälle solcher Art bekannt
geworden. Ich habe immer geraten, sich
nur durch das eigene Gefühl leiten zu
lassen, das gerade Edelsteinen gegenüber
weit sicherer anspricht und entscheidet, als
das beste Horoskop, aus dessen Deutung man
„befreundete” Steine zu bestimmen sucht.
.Vergessen Sie aber auch nicht, daß es
sich bei der Einwirkung der Edelsteine auf
ihre menschlichen Träger einzig und allein
nur um die Region der tierhaft gestalteten,
vergänglichen irdischen Erscheinung des
Menschen handelt, so daß naturnotwendig
nicht etwa ein günstiger oder ungünstiger
Einfluß auf die geistige Entwicklung er‐
wartet oder befürchtet werden darf! Allen‐
falls dürfte man von einem indirekten för‐
dernden oder hemmenden Einfluß insofern
sprechen, als der durch die Steine, die er
trägt, zu einer gewissen Harmonie in seinem
Tiermenschlichen angeregte Mensch bei
seinem Ringen um geistiges Bewußtwerden
weniger Störung aus seinem Nur-irdischen
heraus erfährt, während einer, der ihm
gleichgültige oder gar unsympathische
Steine ‒ vielleicht nur um ihrer Kostbar‐
keit willen ‒ in irgendeinem Schmuck‐
stück an sich duldet, bewußt oder unbe‐
wußt unter dem Einfluß solcher Dishar‐
monie steht, also einer Unruhe, die der für
alles Streben zum Geiste so nötigen ‒ in‐
neren ‒ Ruhe entgegenwirkt.
.Ganz im allgemeinen ist festzuhalten,
daß die Steine ‒ mag es sich um Edelsteine
oder Bachkiesel handeln ‒ zahlbestimmte,
kosmisch begründete Beziehungen zu ih‐
rem Träger haben, durch die in erster Linie,
ihre günstige oder ungünstige irdische
Strahlungswirkung bestimmt wird. Diese
Wirkung kann fast unwahrnehmbar, aber
auch ganz unglaublich stark sein, wobei die
Stärke der Wirkung immer der Stärke der
Sympathie für den Stein parallel geht.
Allerdings meine ich hier nicht jene „Sym‐
pathie”, die man eher doch wohl nur Be‐
sitzgier nennen muß.
.Es handelt sich um wesentlich Anderes,
als um das wirkende Agens in Amuletten
und Talismanen, vorausgesetzt, daß diese
nicht auch zugleich Steine sind, wobei dann
eine kombinierte Wirkung vorhanden sein
kann. Wo aber die Steinstrahlung ausschei‐
det, dort wirkt in einem Amulett oder
einem Talisman lediglich die Willens‐
ladung, mit der das Stück durchtränkt ist,
was immer auch für Zeichen darauf zu sehen
sein mögen, und was immer dieser Zeichen
oder bildhaften Darstellungen offener oder
geheimer Sinn sein mag. Alle Zeichen oder
Darstellungen besitzen nur Wert als „Ver‐
ankerungen” der Willensladung. Hier aber
kommt es lediglich auf die Kraft der „La‐
dung” an, und der unscheinbarste Gegen‐
stand, den eine Mutter glühenden Herzens
ihrem, Gefahren ausgesetzten Sohn mit‐
gibt, kann ein, durch nichts anderes zu er‐
setzender Talisman werden. Aber das alles
finden Sie ja hinreichend erörtert in dem
Kapitel „Glaube, Talisman und Götter‐
bild”, womit wir wieder beim „Buch vom
lebendigen Gott” angelangt sind.
.Sie sehen, daß bei allen diesen Dingen
nichts Unheimliches im Spiele ist, und daß
man sich nicht erst, wie die ganz unglaub‐
lich wenigen echten Adepten auf diesen
Gebieten, geheimen Studien hinzugeben
braucht, wenn man sich die „planetarischen
Hilfskräfte”, die aus Steinen und Metallen,
Farben und Naturformen strahlen, nutz‐
bar machen, oder aber den Schutz wirk‐
licher Amulette und Talismane, soweit sie
solchen darzubieten haben, genießen will.
Auf keinen Fall jedoch dürfen Sie sich in‐
stinktunsicher machen lassen durch über‐
aus anfechtbare Errechnungen! Je deut‐
licher Sie Ihr Gefühl „sprechen” lassen,
ohne es durch gedankliche Einwände zu
verwirren, desto gewisser werden Sie bei
allem, was hier in Betracht kommen kann,
die rechte Wahl treffen und richtig ver‐
fahren.
.Empfangen Sie aber dazu noch außer‐
dem
den Segen des ewigen Lichtes, der
Ihnen
dort die Kraft mehren möge, wo
Ihnen mit „planetarischen” Hilfskräften
nicht geholfen wäre!
Was planetarische Kraft
.dir hier zu geben vermag,
Kann nur dir Hilfe sein,
.hier im Planetentag!
Hast du einst dieses „Tages”
.trügendes „Licht” überwunden,
Hast du auch ewigen Tages
.Licht in dir selber gefunden!
*
Sie sind gewiß schon auf der Spur, allein
Ihre „bärenstarke” Konstitution, die Sie
„niemals so recht erfahren” ließ, „was
körperliches Leiden ist”, braucht kein
Hindernis zu sein, wenn Sie ganz erfassen
wollen, was unter meinen Worten von der
„Entwertung des Leides” verstanden wer‐
den soll. Aber vor allem bitte ich, daran
erinnern zu dürfen, daß durchaus nicht
nur das körperlich empfindbare Leid allein
gemeint ist, wenn ich von der Notwendig‐
keit spreche, das Leid zu „entwerten”.
Seelisches Leid kann aber auch Menschen
zustoßen, die praktisch vor allen Plagen
die den Körper zu peinigen vermögen, frei
sind, und das quälendste seelische Leid ist
Leid um Andere. ‒
.Mag man aber mehr an seelisches, oder
mehr an körperliches Leid denken bei
meinen Worten, so bleibt doch die Forde‐
rung der „Entwertung” die gleiche. Diese
„Entwertung” besteht in erster Linie da‐
rin, daß man dem Leide
das große Pathos
entzieht, das ihm durch viele Jahrhunderte
hindurch immer erneut zugestanden wur‐
de, so daß geradezu Ehrfurcht vor dem Leid,
an Stelle der Leid-
Verachtung, und Leid‐
Bekämpfung trat.
Es ist unumgänglich gei‐
stig notwendig, daß man die ebenso törich‐
ten wie: satanisch-frivolen Vorstellungen
in sich und anderen tilge, die das Leid als
ein von Gott verordnetes Erziehungs- oder
Strafmittel angesehen wissen wollen und
dabei nicht einmal soviel Raum zu höherer
Einsicht lassen, daß der Mensch gewahr
werden könnte, welche furchtbare Gottes‐
auffassung sie verraten. Es ist für den Gott‐
bewußten kaum zu ertragendes Leid um
Andere, sehen zu müssen, was man da
einem geglaubten „Gotte” an Scheußlich‐
keit zuzutrauen wagt, und was gar noch
armen gequälten Menschen dabei als
„Trost” herhalten muß! Und noch schau‐
derhafter ist die so vielfach vor Augen lie‐
gende Tatsache, daß von den Leidenden
solcher Trostgrund angenommen wird,
denn hier zeigt sich erst der unglaubliche
Grad der Widerstandslosigkeit, mit dem
solche Glaubenszumutung rechnen darf...
.Demgegenüber ist es Bedingung für je‐
den Erdenmenschen, der im ewigen Geiste
bewußt werden und seinen lebendigen Gott
in sich selbst empfangen will, ‒ daß er
lerne, das Leid nach Möglichkeit zu igno‐
rieren, jedenfalls aber ihm alle und jede
moralische Bedeutsamkeit abzuerkennen!
Aber Sie dürfen diese Worte beileibe nicht
so verstehen, als werde bei der geforderten
Entwertung des Leides übersehen, daß see‐
lisches Leid ein dumpf und stur dahin‐
lebendes Gemüt zu neuer Willensbildung
aufzurütteln vermag, und daß körperliche
Schmerzen Faktoren der Gesundung, ‒
Bedingungen der Heilung sein können.
Doch, das sind
Folgen, für die das Leid die
Ursache gewesen sein kann, während es
nach wie vor „Lüge” bleibt, da es dem
Geistigen im Menschen eine
Bindung vor‐
täuscht, die sich ihm nur hier im tiernatur‐
bedingten Irdischen vortäuschen läßt, bis
es ihre Ohnmacht erkennt.
.Alles Leid ist nur
in der Tiernatur ge‐
geben, die uns hier auf Erden zeitweilige
Darstellungsform ist, und selbst das er‐
greifendste
seelische Leid, das hier emp‐
funden wird, gründet lediglich in der
Tier‐
seele, die Funktionsergebnis des vergäng‐
lichen irdischen Leibes ist. Gewiß dürfen
Sie sich die Tierseele des Erdenmenschen
nicht derart beengt vorstellen, wie die
Tierseelen
anderer Erdentiere! Durch die
Verbundenheit mit den ewigen Seelen‐
kräften der geistig nur dem Menschen ge‐
gebenen, vom Tode des Körpers nicht zu er‐
fassenden Seele und mit dem individuellen
ewigen Geistesmenschentum, empfängt die
menschliche Tierseele derart hohe In‐
fluenzwirkungen, daß fast alles, was der um
sich selbst am wenigsten wissende Erden‐
mensch „seelisches” Empfinden nennt, ‒
und dabei an ewig Seelisches oder an ein
dem Tierhaften doch weit übergeordnetes
Vergängliches denkt, ‒ nur innerhalb der
hochgezüchteten erdmenschlichen Tier‐
seele erlebt wird, die ebenso Funktions‐
ergebnis des vergänglichen Menschtierlei‐
bes ist, wie das gehirnbedingte Denken, das
gleichfalls im Erdenmenschen das Denken
der Tiere um Gewaltiges überstiegen hat.
.So aber, wie ich das gehirngebundene
Denken, dort wo es in seinem Bereich
bleibt, wahrhaftig zu schätzen weiß, aber
nachdrücklich auch von einer anderen Art
des Gedankens spreche: ‒ von dem Ge‐
danken, der sich selber denkt und, gänzlich
unabhängig von den Funktionen des Ge‐
hirns, diese nur dort benützt, wo er sich er‐
denmenschlich mitteilbar gemacht wissen
will, ‒ so spreche ich, bei aller Bewunde‐
rung für das, was die Tierseele im Menschen‐
leib aus sich zu gestalten vermochte, doch an
den Stellen meiner Schriften, die von der
Seele handeln, fast ausschließlich nur von
der aus ewigen Seelenkräften gebildeten,
unter allen Tieren allein dem Menschen,
aus seinem Geistigen heraus gegebenen
Seele, während mir die Tierseele des Men‐
schen, als dem Vergänglichen an ihm zu‐
gehörend, keinen Anlaß zu besonderen
Ratschlägen für ihre weitere Entwicklung
bietet. Sie ist ja im Verlaufe der Jahrtau‐
sende allmählich zu solcher Entwicklung
gelangt, daß sie in den meisten Menschen
die Seele der Ewigkeit fast gänzlich über‐
deckt, und es tut wahrlich not, erkennen
zu lernen, daß unsagbar vieles, was der
Erdenmensch zu seinem höchsten Vermö‐
gen rechnet, nur das Werk seiner Tierseele
ist, ‒ auch dort, wo sie sich mit dem ihr
unzugänglich bleibenden Ewigen auf ihre
Art zu befassen trachtet. ‒ Und noch inner‐
halb dieser Tierseele wird auch das emp‐
funden, was wir auf Erden „seelisches”
Leid zu nennen pflegen.
.Wenn ich sage: „Alles Leid ist Lüge”
‒ so verneine ich, als guter Kenner viel‐
fachen tierseelisch empfindbaren und erd‐
körperlich erlebbaren Leides, wahrhaftig
nicht die intensive und bis zu vermeint‐
licher Un-Ertragbarkeit reichende Pein‐
gewalt des Leides, ‒ wohl aber seine ihm
vom Erdenmenschen zuerkannte, pathe‐
tisch betonte Bedeutsamkeit, ‒ im Sinne
einer vom Ewigen her dirigierten Erzie‐
hungs-Maßnahme, ‒ durch deren perma‐
nente
Anerkennung er nur für sich und
andere dem Leide
Zuwachs auf dieser Erde
schafft, statt alle irdischen Möglichkeiten
zu seiner
Vermeidung aufzurufen...
.Die von einem Leuchtenden des Urlichtes
in seiner erdmenschlichen Darstellung dar‐
gebotene irdische Leidens-
Bereitschaft ge‐
hört
nicht hierher, denn sie gleicht ja
frei‐
willig dargebotenem „Tribut” an den
„Fürsten der Finsternis”, in dessen Ge‐
biet der Leuchtende ‒ die Gesetze der
Finsternis verletzend ‒ vorgedrungen ist.
Jedes Leid aber muß entlarvt werden als
ein in der Tiernatur gründendes
Übel,
dessen Erduldenmüssen einen
rein gesetz‐
mäßig zu erklärenden
Zwang darstellt,
unendlich fern aller „erzieherisch” ge‐
dachten, göttlichen „Fügung”, wohl aber
Aufruf aller Kräfte des Menschen, die Leid
zu
lindern, Leid zu
tilgen vermögen. ‒
.Der Glaubens-„Trost”, unter göttlicher
Zuchtrute zu stehen, hat unter den Men‐
schen auf dieser Erde mehr verhütbares
Leid entstehen lassen als alle tiermensch‐
liche Bosheit! ‒ Und das lediglich durch
folgerichtigen Ablauf des durch solchen
Glauben zur Auswirkung angeregten Ge‐
schehens im unsichtbaren Teil der physi‐
schen Welt!
.Hier sind jene „Peiniger” am Werk, von
denen ich im „Buch der Königlichen
Kunst”, Neuausgabe, Seite 101, gespro‐
chen habe!
.Das sind organisch gestaltete Intelligen‐
zen der unsichtbaren physischen Welt, in
denen alles Leid, das in einem sichtbaren,
greifbaren physischen Körper und der als
seinem Funktionsergebnis während seiner
Lebenszeit bestehenden Tierseele erlebt
werden kann, unbändige Wollustempfin‐
dungen auslöst, so daß diese vampirhaften
Lemuren ihre ganze, keineswegs unbe‐
trächtliche Kraft anwenden, um von ihrem
Bereiche her das Leid der Tiere und Men‐
schen, ‒ ja auch selbst das, was im Leben
der Pflanzen dem Leide entspricht, ‒ zu
veranlassen, zu erhalten, und auf den
höchsten Grad zu steigern.
.Durch die stete Anerkennung des Leides
als vermeintlicher „göttlicher” Schickung
wird aller Widerstand jener Abwehrkräfte
illusorisch, die, aus dem unsichtbaren Phy‐
sischen des Erdenmenschen her, den Über‐
wältigungsanstürmen dieser unsichtbaren
Peiniger begegnen könnten, ‒ ja der arme
ahnungslose Mensch öffnet ihnen selbst alle
Wege zur Vermehrung des Leides in sei‐
nem Lebensbereich, während das Tier doch
wenigstens noch durch instinktive Abwehr
dessen, was ihm Unlustgefühle bereitet,
dem drohenden Schmerz auszuweichen
sucht...
.Es ist wahrlich nötig, das Leid zu ent‐
werten, und jeder soll dabei mithelfen, so‐
bald er in sich selbst zur Einsicht kam,
was die hier von ihm geforderte Wandlung
seiner Vorstellungen für ihn und seine Mit‐
menschen zu bedeuten hat.
.Auch Sie sind zu solcher Mithilfe auf‐
gerufen!
.Das Licht der Ewigkeit erleuchte Sie!
Wenn ich auch ‒ obgleich um das zum
Ausdruck kommende Wirkliche wissend ‒
bis heute das Wort „Segenswunsch” oft
genug gebrauche, so muß ich Ihnen doch
bestätigen, daß Ihr Fühlen Sie richtig zu
leiten wußte, wenn es Sie zu der Erkennt‐
nis drängte, daß wirklicher Segen etwas
„viel Konkreteres” sein müsse, als ein
wohlmeinender Wunsch. Das konventio‐
nell gegebene Wort „Segenswunsch” wurde
und wird denn auch von mir immer nur
als Bezeichnungsform für das wirkliche Ge‐
schehen gebraucht, das vorliegen muß,
wenn von einem echten und berechtigten
Segnen die Rede sein soll, und keineswegs
nur in seinem allgemeinen Sinn, der be‐
sagt, man wünsche, daß dem Angesproche‐
nen Segen zufließe. Wer wirklich zu segnen
vermag, ‒ wie es mir aus meinem inner‐
sten Sein heraus irdisch möglich ist, ‒
der muß sich dieses Vermögens auch dann
aktiv erinnern, wenn ihm ein konventio‐
nelles Wunschwort gerade gelegen kommt,
um die innere hohe Feierlichkeit unter der
allein wahrhafter Segen erteilt werden
kann, nach außen hin lieber zu verbergen.
Grund dazu bietet in der westlichen Welt
zumeist schon das Nichtwissen des Geseg‐
neten um die Möglichkeit des geistig sub‐
stantiellen Segnenkönnens. ‒ Daneben
aber kamen für mich auch noch andere
Gründe in Betracht, die mich die längste
Zeit bewogen, nur in besonderen Fällen
ausdrücklich zu sagen, daß der Vorgang des
Segnens aus ewigem substantiellen geisti‐
gen Licht vollzogen sei. Mir könnte natür‐
lich niemals ein Satz der irgendwie vom
Segnen handelt, zu einer Redefloskel wer‐
den. Dazu weiß ich zu bewußt um die
„Natur” der mir anvertrauten ewigen Sub‐
stanz des Segens und ihre Auswirkungen.
Wenn Sie also am Ende meiner Briefe je‐
weils ein Wort vom Segnen finden, so dür‐
fen Sie wahrhaftig überzeugt sein, daß da
jedesmal der Vorgang des Segnens in ewi‐
gem Geiste für den berechtigten Empfänger
des Briefes vollzogen wurde, und daß ihm
dieser Segen bei jedem neuen Lesen aufs
neue zufließen wird, auch wenn solches
Wiederlesen ‒ das allerdings ein leben‐
diges Aufnehmen meiner Worte ins eigene
Innerste sein muß ‒ erst nach Jahrzehnten
erfolgen würde. Da ich Sie zudem nicht
aus bestimmter, in Ihrer Persönlichkeit
begründeter Veranlassung gesegnet habe
und segne, sondern immer im Zusammen‐
hang mit meinen Worten, als den Ange‐
sprochenen, der diese Worte in sich auf‐
nimmt, so ist dieser vollzogene Segen zu‐
gleich jedem Anderen erteilt, den Sie etwa
an meinen Briefen teilhaben lassen werden,
insofern er sich selbst derart entfaltet zeigt,
daß er Segen
empfangen kann... Ich spre‐
che hier nur von nüchtern zu betrachten‐
den trockenen Tatsachen, damit Sie über
die Natur dieses wiederkehrenden Segens
soweit unterrichtet sind wie das immerhin
möglich ist.
.Wirklicher Segen ist, wie ich schon eben
sagte,
eine geistige Substanz, von der eine
Kraft ausgeht, deren Wirkungsgrad auf das
Genaueste der inneren Haltung des Ge‐
segneten entspricht.
.Segen ist also weder Gebet, noch Wunsch,
noch an irgendeine
Geste des Segnenden
geknüpft und von keinem ausgesproche‐
nen oder auch nur gedachten
Worte ab‐
hängig, sondern willensbestimmte ewige
Geistsubstanz in zeitliche Auswirkung ge‐
leitet durch einen Geistigen, der in irdi‐
scher Verkörperung lebt. Solche Vereinung
mit einem erdentierhaften Körper ist
un‐
umgängliche Notwendigkeit, wenn Segen
sich auch
im äußeren Irdischen des zu
Segnenden auswirken können soll.
.Ich sehe mit geistigem „Auge” den Se‐
gen, den ich erteile, wie eine helle, strah‐
lende Lohe, weißleuchtend, im Irdischen
nur vergleichbar dem unter einem Mikro‐
skop wahrnehmbaren Leuchten des
Radi‐
ums in verdunkeltem Raum. Allerdings ist
das Leuchten ganz unvergleichlich
stärker
und nur
sein Charakter erinnert mich an
das Leuchten des irdischen Elements. Die
strahlende Helligkeit der geistigen Segens‐
Substanz ist derart intensiv, daß ich aus der
irdischen Gewohnheit heraus, das Auge vor
zu starken Lichteindrücken zu schützen,
oft unwillkürlich im Reizreflex momentan
die Augenlider schließe, obwohl doch nur
das
geistige „Auge” hier wahrnimmt, das
allen geistigen Lichtgraden angepaßt ist. ‒
.Segnen
als Tätigkeit ist für den, dem
es möglich ist, eine Reihe von Willensak‐
ten, durch die sich die Segen-Substanz, die
geistig-sinnlich als leuchtende, vorerst noch
„ungeformte”, unregelmäßige „Lohe” er‐
scheint, in die, für den zu spendenden
Segen notwendigen geistigen Formen um‐
gestaltet, um sodann, gemäß der ihr ge‐
gebenen Bestimmtheit, in nächster Nähe,
oder über Länder und Meere hinweg sich
auszuwirken. Auch wiederholte Auswir‐
kung kann durch willentlich gegebene Be‐
stimmtheit veranlaßt werden.
.Sie haben mehrfach in Ihren Briefen an
mich besonders betont, daß Sie den Emp‐
fang meines Segens in einer alle Selbst‐
täuschung ausschließenden Weise „körper‐
lich” empfänden. Ich bin auf diese Berichte
absichtlich nicht eingegangen, weil ich ‒
ohne alle Prophetie ‒ voraussah, daß hier
eines Tages ja doch eine umfassendere Be‐
sprechung nötig werden würde. Aber Ihr
Empfinden hat Sie keineswegs getäuscht.
Sie haben „Körperliches”, ‒ allerdings
geistsubstantiell Körperhaftes, ‒ das aber
erdenkörperlich empfindbar ist, erdenkör‐
perliche Erkraftung und Bereicherung be‐
wirkt, in meinem, von Ihnen angenomme‐
nen Segen tatsächlich empfangen. Hierbei
sei gleich vermerkt, daß Sie wirklichen Se‐
gen auch ablehnen können. Bewußten Wil‐
lens, oder ungewollt, nur durch Ihre inne‐
re Haltung! Er kehrt dann zurück, als wenn
er an einer Granitwand abgeprallt wäre,
zu dem, der ihn ausgesandt hatte.
.Für mich ist im Geistigen die lohende
Substanz des Segens, ihrer Konsistenz nach,
zugleich so greifbar „körperlich”, wie etwa
im irdischen Außenleben der Formsand
der Erzgießer, und ebenso formbar. Noch
niemals, seitdem ich zu segnen vermag,
habe ich gesegnet, ohne an den Gesegneten
des Segens Wirkung in gleicher Weise geistig
„körperlich” zu gewahren, wenn der Se‐
gen
angenommen worden war.
.Sie sehen, daß es sich wahrlich hier um
ein Anderes handelt, als um das, was man
so gemeinhin „Segen”
nennt, wo auf Grund
geglaubter Amtsbefugnis unter Anwendung
feststehender Wortformeln und Ausfüh‐
rung erlernter Gesten eine Zeremonie dar‐
gestellt wird, die bestenfalls nur dann eini‐
gen wirklichen Wert erhalten kann, wenn
der sie Darstellende wenigstens entspre‐
chende
Gedankenkräfte durch inbrünsti‐
gen Willen zugunsten des vermeintlich von
ihm „Gesegneten” anzuregen vermag, wie
das ja einem jeden Menschen bis zu ge‐
wissem Grade möglich ist. Der „Segen der
Eltern” ist hierzu das bekannteste Beispiel.
.Um jedoch
wirklichen, aus dem leben‐
digen geistigen Lichte stammenden Segen
spenden zu können, muß man
selbst in
diesem ewigen Lichte
sein, und ‒ Segen
besitzen. Nur sich selber darf einer, der
wirklichen, ewigem Lichte entstammenden
Segen in sich verwahrt, nicht segnen. Doch
leidet er dadurch auch keinen Mangel, da
er ununterbrochen im Segen anderer steht,
die zu segnen vermögen.
.Seien Sie mir heute als ein nunmehr um
das, was geschieht, einigermaßen durch
meine Worte Wissender, in feierlichster
Weise aus meinem Segen gesegnet!
Waren mir schon Ihre letzten lieben Briefe
deutliche Anzeichen Ihrer ganz allmählich
wachsenden, aber unverkennbar immer
größeren Aufgeschlossenheit für geistige
Wahrnehmungen, ‒ selbst dort, wo Sie
noch mit Ihrem Irdischen zu ringen hatten
oder sich noch nicht mit Sicherheit ver‐
trauen zu können meinten, ‒ so brachte
mir nun Ihr neuester Bericht eine Gewiß‐
heit, die ich dennoch kaum jetzt schon zu
erwarten gewagt hätte. Aber nun ist ja nicht
mehr daran zu zweifeln, daß Ihr geistiges
Auge sehend wurde, und daß Sie im ersten
klar bewußten Erleben Ihres Ewigen stehen.
Es ist aber auch durchaus nicht verwun‐
derlich, daß Sie, bei aller seelischen Be‐
glückung, sich des Unvermögens bewußt
werden, dem Erlebten Ausdruck in der
Sprache zu schaffen, so daß Ihnen alles,
was Sie mir berichten, nur „wie ein ganz
unzulängliches Stammeln” vorkommt. Das
ist noch jedem so gegangen, der zum ersten‐
mal Gleiches wie Sie in sich erlebte, und
meistens muß es auch bei diesem Unver‐
mögen, Ewiges in Worten darzustellen,
bleiben.
.Wir können uns im Bereiche irdischer
Dinge nur verständlich machen, indem wir
das, was wir sprachlich erkennbar darstellen
wollen, mit bereits Dargestelltem verglei‐
chen. Eine solche Vergleichsmöglichkeit
auf der selben Ebene fehlt uns, sowie wir
Ewiges schildern wollen, und doch drängt
unser Erleben auch hier zum Wort, auch
wenn wir das Erlebte nur für uns selber
im Worte aufzeichnen wollen, und nur in
unserem Gedächtnis. Aus solcher Not her‐
aus greifen wir dann doch nach Irdischem,
das uns bei aller Unzulänglichkeit dienen
muß, so gut es geht. Und es geht nur, wenn
eben diese Unzulänglichkeit bewußt und
gewollt
ignoriert wird: ‒ wenn man das
Inkommensurable der zum Vergleich her‐
angezogenen Erlebensmöglichkeiten ab‐
sichtlich
übersieht.
.Alles Erleben des Ewigen ist eine dau‐
ernde Lotung der Tiefe des ewigen
Augen‐
blicks, der kein Hintereinander, kein Vor‐
her und Nachher, sondern
geistig-„räum‐
lich” gegebenes, irdisch ganz undarstell‐
bares
In-
einander ist, das nicht erst infolge
eines unermeßlichen Nacheinanderbeste‐
hens „ewig” wird, sondern
in sich, anfang‐
los ‒ endlos, Unendlichkeit „bleibt”. Wer
den ewigen Augenblick: ‒ die ganze, in
ihrer Selbstbegrenzung dem Kreis ähn‐
liche, unendliche Ewigkeit nicht in sich zu
jeder Sekunde zu erleben vermag, dem
kann man sie nicht schildern, denn alle
Schilderung geschieht in der irdischen
Zeit
und wird nur als Zeitliches erfaßt. So ist
denen, die nie in der Ewigkeit waren,
„Ewigkeit” zur Vorstellung einer unend‐
lich langen Zeit geworden, und schließlich
kommt auch jeder, der von überzeitlichen
Dingen wirklich reden darf, in die Zwangs‐
lage, diese Zeitvorstellung durch das glei‐
che Wort zu bezeichnen, ja, das Unend‐
liche für die Vorstellung zuweilen gleich‐
sam „einzuteilen”, so daß aus der einen,
in Wirklichkeit selbstverständlich unteil‐
baren Ewigkeit gar „Ewigkeiten” werden
können, ‒ Aeonen, ‒ als Verbildlichungen
unermeßlich langen Zeit-Raumes. Und je‐
dem, der Ewiges noch nicht in sich selbst
erlebt, wird es unsagbar schwer, die irrige
Vorstellung in sich aufzugeben, als ob Ewig‐
keit stete Gegenwart aller Zeit sei und ihr
Inbegriff einfach „die Fülle aller Zeiten”
ausmache.
.Sie sehen jetzt selbst, wie Ewiges allen
in der Zeit gegebenen Vergleichen aus‐
weicht, weil es ein wesentlich Anderes ist
und nur ewiger Anschauungsart zugänglich,
zu der Sie meine Bücher unvermerkt ge‐
leitet haben. Aber wie viel „Skizze” von
allen Seiten her war nötig, um nach und
nach das Gefühl für geistig Räumliches in
Ihnen zu erwecken! ‒ Fern von jedem Wert‐
vergleich, erinnern mich meine Abhand‐
lungen über geistige Dinge immer an ge‐
wisse Zeichnungen Rembrandts, auf denen
sich die gemeinte Darstellung erst aus un‐
zähligen Strichen, die der Vorstellung im‐
mer deutlicher zu folgen suchen, herausge‐
staltet. Es ist aber nicht nur mir anders un‐
möglich, Dinge der Ewigkeit für Andere in
den Bereich ahnenden Vorfühlens zu brin‐
gen, sondern jedem, der die ewige Wirk‐
lichkeit kennt! Denen, die sie kennen aber,
genügen die geringfügigsten Andeutungen
schon, um sich untereinander zu verstehen
und jeweils zu wissen, was gemeint ist. Sie
haben mir aber weit mehr als nur „Andeu‐
tungen” hingezeichnet, und ich muß Sie
eher warnen, nicht allzu deutlich werden
zu wollen, als daß ich in Ihrer Darstellung
etwas vermissen könnte...
.Bleiben Sie im Licht und seien Sie alle‐
zeit gesegnet!
Ich „fordere” nicht! ‒
Ich
bringe! Und
jeder kann aus dem, was ich gebracht habe,
das für ihn Willensbestimmende
wählen.
Was Sie meine „Forderungen” nennen,
deren Erfüllung Sie jetzt so freudig Ihr
geistiges Erlebenkönnen danken, sind le‐
diglich von mir aufgezeigte Notwendig‐
keiten, die sich aus der Struktur des Lebens
im ewigen Geiste ergeben. So ist es uner‐
läßliche
Notwendigkeit, und hoch jeder
auch nur scheinbaren Willkür einer „For‐
derung” entrückt, daß Sie erst dann zu
Gottes Wiege werden können: ‒ daß erst
dann Ihr lebendiger Gott sich in Ihnen
„gebären” kann, wenn Sie dahin gelangt
sein werden,
nichts mehr
aus sich selbst
bedeuten zu wollen. Jede Zubilligung, die
Sie
sich selber noch machen zu dürfen glau‐
ben, verrammelt das Tor der Seele mit
Palisaden! Nicht das Geringste dürfen Sie
vor Ihrem Selbstbewußtsein festhalten wol‐
len als ein Ihnen Gehörendes! Gott wohnt
nicht irgendwo zur Miete. ‒ Er geht nur
in Eigenes ein! ‒ So müssen Sie Ihrem le‐
bendigen Gott alles zu eigen lassen, was
Sie bisher noch sich selbst reservieren zu
können meinten. Selbst Ihr Bewußtsein
müssen Sie Gott geben, wenn Gott Ihnen
bewußt werden soll! ‒
.Hier wird nirgends und von keiner Stelle
her etwas „gefordert”, sondern nur gezeigt,
wie die Dinge liegen, damit nicht Unmög‐
liches erhofft und dann Enttäuschung ge‐
erntet werde. Auch im Irdischen halten Sie
sich, wenn Sie erfolgreich in Ihrem Tun
sein wollen, genau an die gegebenen Be‐
dingungen, unter denen ein Vorgang mög‐
lich ist. Hier wissen Sie um diese Be‐
dingungen durch Ihre und vieler anderen
stets bestätigte Erfahrung. Im Ewigen aber
können Sie solche Erfahrung erst machen,
wenn Sie erreicht haben, was Sie erreichen
wollen, und deshalb muß man Ihnen vom
Ewigen her zeigen, was nötig ist, damit Sie
zu der von Ihnen ersehnten Erfahrung ge‐
langen. Sie sind ja jetzt auf dem besten
Wege dazu.
.Sehr schön sind Ihre Ausführungen über
die nun erlangte Erlebensgewißheit im
Ewigen, die Ihnen erst letzte Bestätigung
dafür gab, daß es schlechterdings keine
Möglichkeit geben kann, die Seele eines
der Erde Verstorbenen irdisch wahrzuneh‐
men, da, wie Sie bereits erkennen, alle
Lebens-Äußerungen der irdisch Entkör‐
perten außerhalb der Erfahrungsbereiche
erdkörperlicher Sinne liegen. Aber auch
Ihr nunmehr seine ersten Erfahrungen be‐
ginnendes Bewußtwerden im Ewigen liegt
weitab von allem, was die tiergemeinsame
Seele und was Körpersinne erfahren kön‐
nen. Eben darum muß ich auf die leise
Warnung am Schluß meines letzten Briefes
doch noch einmal zurückkommen, und Sie
bitten, Ihren Drang, das geistig Erlebte um
der Deutlichkeit der Mitteilung willen in
irdische Erfahrungsreihen einzubeziehen,
nach Möglichkeit zu dämpfen. Ich weiß
auch dann, was Sie meinen, wenn Sie nur
die allernötigsten Andeutungen geben. Er‐
leben im Ewigen kann nicht in die nur für
das zeitliche Erleben ausreichende Sprache
„übersetzt” werden, auch wenn man eine
erdenmenschliche Sprache um Tausende
und Abertausende von Worten und Be‐
griffen vermehren wollte. Unsere irdischen
Sprachen sind in der Zeit entstanden um
Zeitliches zu bezeichnen, und können un‐
möglich der ihnen ganz inkommensurablen
Art sich gefügig erweisen, in der Ewiges zu
Bewußtsein kommt. Der wiederholte ei‐
genwillige Versuch, das Unmögliche „viel‐
leicht doch” möglich zu machen, kann
aber zu einer Lähmung Ihrer geistigen
Aufnahmeorgane führen, noch bevor sie
hinreichend entwickelt sind, um Sie das
Gefährliche Ihres Drängens nach irdischer
Verdeutlichung erkennen zu lassen. So be‐
greiflich Ihr Wunsch ist, das innerlich nun
so stark zu Bewußtsein Gelangende in Wor‐
ten der gehirnbedingten Sprache auszu‐
drücken, so verhängnisvoll kann er für Sie
werden. Ich will Sie aber gewiß vor dem
was hier droht, bewahrt sehen.
.Führen Sie auch keine Selbstgespräche
in sich, in der Meinung, mit Gott zu reden!
Gott „spricht” erst dann in Ihnen, wenn
Sie in sich vollkommen still zu bleiben ver‐
mögen. Gott „hört” nur, was ihm Ihr
Stillesein sagt. ‒ Und niemals „spricht”
Gott in Ihnen in Worten einer irdischen
Sprache!
.Empfangen Sie allen Segen, den Sie
brauchen, und gehen Sie freudig und
sicher, aber dennoch behutsam, den Ihnen
erst seit so kurzer Zeit nun geöffneten
Weg!
Gott kann nur soviel „geben”
.wie er „nimmt”,
Denn aller Gabe Maß
.ist ihm bestimmt
Durch das, was der Begabte
.freudvoll gibt,
Der seines Gottes Gabe
.mehr als alle Habe
.liebt!
Strenge versage ich mir
.hier über Dinge zu richten,
Die meinem Rechtspruchrechte
.erdenhaft nicht unterstehen.
Allen Gewichtigen aber,
.wie allen windigen Wichten,
Weiß ich die Wägung sicher,
.der sie gewiß
.nicht entgehen...
Jeder muß
selber dereinst sich
.auf
unerbittlicher Waage,
Klar offenbaren vor Allen
.an
seinem Selbstrichte-Tage!
*
Es wäre gewiß möglich, diese Briefe um
viele andere zu vermehren, und es mag
nicht ausgeschlossen sein, daß ich eines
Tages dem vorliegenden Zyklus einen zwei‐
ten folgen lasse. Fürs erste aber ist genug
gegeben! Wenn das, was vorliegt, in dem
dafür ausersehenen Leser den Wunsch er‐
wecken kann, mehr in dieser Form Ge‐
staltetes zu eigener Förderung dargeboten
zu erhalten, so ist damit der Aufgabe die‐
ses Buches besser entsprochen, als wenn
ich den Inhalt so umfangreich hätte werden
lassen, daß notwendigerweise die leben‐
dige Übersicht über das Ganze erschwert
worden wäre. Das ganz kleine Schriftchen:
„In eigener Sache” hat in zahlreichen
Beweisen wieder aufs deutlichste gezeigt,
wie die Klärung, die von Worten aus‐
gehen kann, nicht vom seitenmäßigen
Umfang einer Bekundung abhängig ist,
wohl aber von der Möglichkeit, das Ge‐
gebene in einem Blick innerlich umfassen
zu können.
.Absichtlich unerwähnt ließ ich in den
Briefkapiteln des vorliegenden Buches die
durch mein ewiges Sein allein bedingte
sprachliche Selbstdarstellung in den drei
Silben „Bô Yin Râ”, die vielen an mei‐
nen Lehrschriften Vorübergehenden immer
noch „Pseudonym” heißt, und Gegenstand
beharrlichster Fehldeutung bleibt... Ich
hatte für die Reihenfolge der Briefe einen
Entwicklungsgang zur Richtschnur genom‐
men, der mir mit allen seinen Zwischen‐
spielen aus vielen Einzelfällen her bekannt
ist, wobei aber der Suchende jeweils schon
lange bevor er das erste Wort an mich rich‐
tete, sich den konventionellen Fesseln ent‐
wunden wußte, die andere an gewissen gar
zu niedrigen Blickpunkten festhalten, von
denen aus nur die grotesken Zerrgebilde
der „Froschperspektive” zu erlangen sind.
Unmöglich konnte ich daher in dem von
mir gewählten Zusammenhang einen der
wenigen Briefe reproduzieren, die ich vor
vielen Jahren gelegentlich auch über die
mir äquivalenten drei Silben und ihre „tra‐
genden” Buchstaben zu schreiben genötigt
war. Hier aber das im Buchverlauf absicht‐
lich Unterlassene nicht zum Schluß doch
noch nachholen zu wollen, wäre kaum ver‐
antwortbare Versäumnis. Andererseits aber
liegt kein Grund vor, für das, was diesbe‐
züglich zu sagen ist, die
Briefform beizu‐
behalten, obwohl nichts anderes zur Er‐
örterung gelangen kann, als was in den
oben erwähnten seltenen Briefen dargelegt
wurde.
Immer wieder muß ich gewahren, daß man
in bezug auf die Silbenformel, die meinem
ewigen Sein entspricht, das
Ungewohnte
eines Buchstabenbildes und seines laut‐
lichen Ausdrucks mit dem Begriff des
„Fremdländischen” verwechselt.
.Der angeblich „indische” Name, dem
man hier zu begegnen glaubt, würde aber,
‒ wenn die drei Silben so gemeint wären, ‒
in keiner Weise einem sprachlichen Kanon
indischer Namensgestaltung entsprechen.
Ebensowenig ist etwa hier Chinesisches
gemeint. Ich bitte Indologen und Orienta‐
listen, mir verzeihen zu wollen, daß ich
solche Selbstverständlichkeit überhaupt er‐
wähne. Ich bin leider genötigt dazu!
.Wenn ich mir ein „Pseudonym” hätte
schaffen wollen, dann wäre ja nur Wahn‐
sinn imstande gewesen, den Decknamen
aus Sprachbezirken herleiten zu wollen,
die zu meiner amtsnotorischen kurmain‐
zisch-fränkischen Abstammung von bäuer‐
lichen Winzern, Forstleuten und ländlichen
Handwerksmeistern, und meinen zu keiner
Zeit verdunkelten äußeren Lebenswegen,
auch nicht die leiseste Beziehung haben!
Könnte aber auch eher ein abenteuerlicher,
kauziger Sonderling, der Jahr und Tag in
asiatischen Ländern den ihm von Hause aus
Nahen verschollen war, vielleicht auf die
romantische Idee kommen, sich hinter ein
exotisches Pseudonym zu verstecken, so
müßte er doch schon recht weltfremd ge‐
worden sein, wenn er etwa zu glauben ver‐
möchte, seine Maskerade werde heute in
Europa von einsichtigen Menschen noch
ernst genommen. Alles was ich je geschrie‐
ben habe, wendet sich einzig und allein an
Menschen, denen ein Europäer, der sich
hinter einem asiatischen Decknamen ver‐
birgt, nur an Stätten der Kurzweil: ‒ bei
Künstekundigen seltsamen Könnens oder
körperlicher Kraft und Kühnheit, ‒ noch
allenfalls erträglich ist. So geht es mir na‐
türlich auch selbst, und ich weiß von mir
auf Andere zu schließen. Zudem habe ich
nicht eine einzige Zeile im Namen der
meinem Ewigen äquivalenten Silbenfor‐
mel ‒ oder auch nur ihrer „tragenden”
Buchstaben ‒ veröffentlicht, ohne eine
recht ansehnliche Zahl mir Nahestehender
genau über das geistig Gegebene orientiert
zu wissen, das mir die Pflicht auferlegte,
meinem bürgerlichen Familiennamen nicht
zuzuschreiben, was ihm nicht zukommt.
Es war jedoch nicht der mindeste Grund
vorhanden, der mich hätte veranlassen kön‐
nen, ein „Pseudonym” zu verwenden, und
überdies waren mir durch verschiedene
Fügungen meines Lebens, lange bevor ich
selbst Bücher zu veröffentlichen hatte, mehr
als hinreichende Einblicke in die Praxis
verlegerischer und redaktioneller Urteils‐
bildung zuteil geworden, als daß ich mich
‒ selbst wenn mir ein „Pseudonym” nötig
erschienen wäre ‒ auch nur der leisesten
Täuschung darüber hätte hingeben dürfen,
daß nichts verkehrter sein könne, als es
von asiatischen Sprachen herzuholen.
.Mit Recht weigern sich in aller Welt alle
Urteilsfähigen, auf irgendeine törichte Mas‐
kierung einzugehen, die nur ein kläglich
Urteilsloser als Förderung der Aufmerksam‐
keit auf ihn und seine Sache werten könnte.
Über die drei Silben „Bô Yin Râ” äußerte
ich mich schon vor geraumer Zeit in einer
Verlags-Flugschrift dem Sinne nach dahin:
‒ daß es sich hier nicht etwa um drei
„Worte” handelt, aus deren „Bedeutung”
man irgend etwas herausgeheimnissen
könnte, trotzdem sie als Silben auch
Sprachwurzeln alter Sprachen entsprechen,
sondern, daß diese sieben Buchstaben den,
meinem substantiellen urgeistigen Sein
äquivalenten „Namen” bilden,
weil ihre
Laut- und Zeichenwerte
meiner ewigen gei‐
stigen Wesensart entsprechen, so, wie eine
bestimmte, in Buchstaben bezeichenbare
Notengruppe einem bestimmten Akkord
entspricht. (Das „Y” in „Yin” ist als „Ü”‐
Laut zu sprechen, verwandt dem althoch‐
deutschen „Win”, und kann nicht durch
„J” ersetzt werden. Die Dachstriche über
„o” und „a” sind Dehnungsanweisungen.)
.War ich auch in meinem Ewigen immer
in dem bewußt, was die Formel der drei
Silben Bô Yin Râ meint, so mußte ich
dessen doch erst im Laufe der Zeit auch in
meinem Gehirnbewußtsein bewußt ge‐
macht werden. Hiervon handelten an der
genannten Stelle einige Worte, in denen
ich darlegte, wie mir meine geistige Schu‐
lung sehr entscheidend andere Begriffe
vom Wesen eines wahren „Namens” nahe‐
brachte, als sie landläufig hier auf Erden
zu finden sind. Ich berichtete kurz davon,
daß ich durch meine seelische Erziehung
zum Bewußtsein der geheimnisvollen Wege
gelangt war, die von einem „Namen” zu
einem neuen „Namen” führen, wobei ge‐
wisse Buchstaben dieser „Namen” wie
geistige „Antennen” wirken, über die dem
auf solche Weise unsichtbar Geführten stets
neue geistige Hilfe zukommt. Und im wei‐
teren bekannte ich, daß ich während meiner
geistgeleiteten Schulung selbst manche
solche „Namen” getragen hatte, die ich
erst in stets erneuter Selbstüberwindung
wieder überwinden lernen mußte, bevor ich
meines urewigen Namens auch in meinem
vergänglichen Irdischen geistig wahrhaft
würdig werden konnte, soweit das äußere
natürliche Entwicklung sukzessive zuließ.
.Lange genug war ich bereits den mir vor‐
bezeichneten Weg der „Namen” entlang
geschritten und wußte wahrhaftig aus eige‐
ner Erfahrung um der geistgeformten Na‐
men kräfteweckende Natur, aber es schien
mir unmöglich, meinem mir damals seit
Jahren schon auch irdisch in seiner Sub‐
stanz bewußten urewigen Namen ein
Äquivalent in Lauten und Buchstaben
zu schaffen, bis mir mein geistiger Erzieher
inmitten anderer, mir gleich ihm im Geiste
Vereinten, in einer gesegneten Nacht an
hellenischem Meer, Augen und Ohren da‐
für öffnete, wie dies dennoch möglich, ‒
ja notwendig sei... Von da an hatte ich
nun auch die irdische Lautformel und ihre
Zeichen für das, was im Ewigen substan‐
tiell mein „Name” ist: ‒ geistig in ewiger
Zeugung durch den Vater bestimmte Kraft‐
form und diese Form ewig nach einmalig
gesetztem Impuls aus dem Vater bewegen‐
der Wille.
.Das ist das wirkliche Geheimnis um den
angeblich „indischen” Namen, in dem man
aus gewohnter eigener Perspektive her ein
„fremdländisches” Pseudonym zu erken‐
nen glaubt!
Da aber nichts im ewigen Sein, und daher
auch nichts im irdischen Dasein isoliert in
sich selbst ruht, so ist auch das, was ich in
meinem ewigen Namen bin, dem die For‐
mel: Bô Yin Râ ja nur irdischen Ausdruck
schafft, mit unendlich vielem in enger und
ferner Verbindung, wodurch denn auch in
mancher Deutung, die man dieser erden‐
sinnlich faßbaren Formel gibt, ‒ sei es auf
Grund von sprachlichen, laut- und tonmäßi‐
gen, oder aus den Buchstabenzeichen her‐
stammenden Assoziationen, ‒ mehr Wirk‐
lichkeitsentsprechung steckt, als die je‐
weiligen „Entdecker” und zu den merk‐
würdigsten Vergleichen greifenden „Deu‐
ter” ahnen können.
.Daß es mir wider den guten Geschmack
geht, die auf Grund gegebener Assozia‐
tionen möglichen Analysen der drei Silben
auch noch gar durch Hinweise selbst zu
fördern, ‒ wie es oft genug von mir ver‐
langt wurde, ‒ wird man wohl verstehen
lernen müssen. Keinem einzigen, der meine
Lehrschriften Befragenden könnte sein Weg
leichter gangbar werden, wenn er auch ge‐
nauestens wüßte, welche Lande uralter re‐
ligiöser Kultur mir zur Zeit der Vorberei‐
tung auf mein irdisches Wirken seelisch‐
geistig schon heimliche Heimat waren, und
ebensowenig würde es einem Suchenden
auch nur das geringste nützen, wenn er
alle ‒ mir selbst sehr gleichgültigen ‒ ge‐
heimen Bedeutungen der Buchstaben in
den drei Silben, sowie ihre im Orient tra‐
ditionellen Zahlwerte entdeckt hätte. Man
darf nicht von mir Erörterungen über
Dinge erwarten, denen ich selbst in mei‐
ner eigenen Lebenssphäre bewußten Wil‐
lens alle besondere Beachtung versage, weil
sie in der mir dargebotenen Zeit, inner‐
halb der Welt, die mir Wirkungsbereich
ist, ohne Gegenwartsbedeutung sind.
.Wer es nicht lassen kann, jeglichen Fähr‐
ten nachzuspüren, die seinen Pfad zum
Lichte auf
allen Höhenlagen von irgend‐
einer Richtung her kreuzen, der wird
schwerlich in diesem Erdenleben dahin ge‐
langen, wohin besonnenes Weiterschreiten
ihn gelangen lassen könnte. Auch die edel‐
ste Wißbegier wird
Verführung, wenn sie
vom eigenen Wege abziehen will, und ich
kann unmöglich dem Vorschub leisten, was
ich als den Suchenden
hindernd erkenne.
Es gibt auch wirklich noch genug Aufgaben,
die mir näherliegen, als die Befriedigung
grübelnder Neugier!
.So schließe ich heute dieses Buch, wie
ich es geschrieben habe: ‒
seine,
ihm von
mir geistig erlesenen,
zubestimmten Le‐
ser segnend aus dem ewigen Licht, ‒ in
meinem ewigen Namen
ENDE
DIE EHE
KOBERSCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG AG
BERN
Bô Yin Râ ist der geistliche Name von
Joseph Anton Schneiderfranken
6.Auflage
Erste Auflage: Richard Hummel Verlag Leipzig 1925
Ungekürzte wohlfeile Auflage daselbst 1929
© 1950, 1978, 1986 und 1988
Kobersche Verlagsbuchhandlung AG
3001 Bern
ALLEN,
DIE DAS GLÜCK DER EHE
SUCHEN!
HEILIG dreimal heilig,
die Ver‐
einigung von Weib und Mann
zu engverschmolzener Gemein‐
samkeit des Erdenlebens! ‒
Heilig der Geschlechter
Inbrunst, sich
zu
einen! ‒
Heilig das Mysterium des
Zeugens
und
Gebärens! ‒
Heilig das
unsichtbare Band, das
längst
Gewordenes vereint, auf
daß es
neuem Werden eine Stätte
schaffe! ‒ ‒ ‒
Glückselig Mann und Weib, die solches
fassen, und sich in liebender Vereinung
zu
erkennen wissen, so wie
der Ur‐
sprung alles Seins als „
Mann”
und
„
Weib”
sich selbst erkennt, in
ewig‐
licher Liebeseinung! ‒ ‒ ‒
Glückselig ist das Haus, das
Gottes
hehrster Tempel hier auf Erden wird,
da eine wahre
Ehe sich in ihm vollzieht,
geschlossen
vor dem Angesicht der
Ewigkeit, von Menschen, die
um
ihres Menschtums hohe Würde wis‐
sen! ‒ ‒ ‒
Was hier
Erfüllung findet, ist
geheim‐
nisreiches Wunder, Wenigen auf die‐
ser Welt nur kund, und
denen selbst
verborgen, die es
wirken! ‒ ‒ ‒
Wie so unsagbar
töricht klingt es
meinen Ohren, ‒ wie aller Weisheit
wüstenweit entfernt, ‒ so man mir
von „
Vollendung” reden möchte, dort,
wo sich Mann und Weib auf ihren Le‐
benswegen
meiden, um der vermeint‐
lich höheren Entfaltung ihrer Seelen
willen! ‒ ‒
Teilgestaltung wähnt
Vollendung
sich zu schaffen, ‒ jeder
Ahnung bar,
daß sie ihr nur
erreichbar wäre in
Ver‐
schmelzung mit dem
anderen, einst im
Geiste ihr
vereinten, nur hier im
Er‐
dendasein körperlich von ihr
getrenn‐
ten Teil! ‒ ‒
Beklagenswert vielmehr der
Mann,
beklagenswert das
Weib auf dieser Erde,
wenn es dem
einen Teile hier in seinem
Dasein
nicht gelingt, den ihm gemäßen
anderen Teil zu finden, mit dem
ver‐
eint er erst ein
Ganzes bilden würde,
er-
gänzt in
dem, was seines Einzel‐
poles
Eigenschwingung ihm nicht ge‐
ben
kann! ‒ ‒
Beklagenswert, wie manches
Andere
in dieser Erdenwelt, das gleicherweise
sich
behindert findet, die
Entfaltung
wirklich zu
erreichen, zu der
latent
die
Möglichkeit sehr wohl
gegeben
wäre...
Oft bietet
Sehenden in solchen Fällen
sich der
Anschein dar, als wolle selbst
Natur sich dieser armen, auf ihr uner‐
löstes,
halbes Menschtum nur Ver‐
wiesenen
erbarmen, indem sie ihre
schöpferische Phantasie erregt, sich
irgend ein
Idol des anderen Geschlechts
im
Außerweltlichen zu schaffen, das den
auf Erden hier vermißten
Ausgleich
durch den körperlichen Gegenpol, auf
kümmerliche Weise dann
ersetzt. ‒ ‒
Wer die Geschichte der
Ekstase und der
Mystik kennt, wird unschwer
Beispiel
hier auf
Beispiel häufen können...
Gewiß wird dann das so Erlebte
umge‐
deutet und als sublimste
geistige Er‐
fahrung aufgewertet, allein, was solcher‐
art erfahren werden
kann, ist
immer
nur aus
körperlicher Regung und Er‐
regung zu erklären! ‒ ‒ ‒
Kein Mensch der Erde ‒ mag er
Mann
sein oder
Weib ‒ der
körperlich zur
Ehe
tauglich, und nicht durch unerbitt‐
lich hartes
Schicksal oder
unbehebbar
schweren Grund von ihr sich
ausge‐
schlossen sieht, wird hier auf Erden
schon sein
Geistiges in
letzter Klar‐
heit zu
erleben fähig, solange er
aus
freien Stücken den realen, hier
natur‐
gegebenen Ausgleich der Geschlech‐
ter flieht! ‒ ‒ ‒
Hier ist nichts „
abzuhandeln”,
nichts
zu drehen und zu deuteln!!
Keiner derer, die sich selbst auf Erden
zu „
vollenden” wähnen, und die
Ehe
als
Behinderung im Vorwärtsschreiten,
oder gar als etwas
zu Vermeidendes
betrachten, kann sein Ziel
erreichen, ‒
sei es, daß nur verkappte
Eigensucht
ihn zu verblenden weiß, ‒ sei es, daß
„
religiöser”
Wahn ihn zu dem irren
Glauben führt, ‒ hier, wo
die Gottheit
sich zutiefst zu ihm herabneigt,
müsse er sich vor des „
Teufels”
Schlin‐
gen hüten, um einer „
Heiligkeit” teil‐
haft zu werden, die nur als
tolle Aus‐
geburt phantastischer Asketenhirne
Scheindasein genießt, und leider hier in
dieser Scheinwelt
wahrlich unheil‐
bringende Verehrung fand, ja stets
noch findet! ‒
Dem
Wüstling wird
das heiligste
Mysterium des
Menschen nur zum An‐
laß,
Nervenreiz zu schaffen, und in
Be‐
friedigung des Reizes:
Lust zu suchen.
Er ist ein
Verirrter, der
die Würde
seines Menschtums nicht erfühlt, und
Heiligstes mit
Schmutz besudelt! ‒
Verirrte aber sind nicht minder
alle
jene, die auf dem Wege zur Vollkom‐
menheit
vorangelangen wollen, ohne
zu
erkennen, daß sie des
Gegenpols
bedürfen, sollen sie ein
Ganzes wer‐
den! ‒ ‒ ‒
Verirrte sind die
töricht Überhebli‐
chen, die gar in ihrer Ehelosigkeit
Ge‐
währ zu haben glauben, daß sie auf dem
rechten Wege seien, und die sich
hoch
erhaben wähnen, weil sie, ‒
vermeint‐
lich um des „
Himmelreiches” willen, ‒
auf der Ehe Einung mit dem ande‐
ren Geschlecht verzichten! ‒ ‒ ‒
Wohl kann zwar auch der
Ehelose
seinen
Weg zur Vollendung wahrlich
allein durchmessen und sein höchstes
Ziel auf
seine Art dereinst erreichen,
auch wenn ihm
während seiner Er‐
dentage niemals
die Erfüllung werden
kann, die nur die
Ehe ihm
erreichbar
machen würde. ‒ ‒
Stets kann er nur
als Teil sich
Teilvoll‐
endung zu erringen suchen, und wird im
Erdenleben nie zu jener
Klarheit kom‐
men, die nur erreicht wird, wo der Mensch
die neue Einheit eines Ganzen, ‒
aus
Männlichem und
Weiblichem ver‐
eint, ‒ in einer wahren
Ehe schuf. ‒ ‒
Doch wird
der Ehelose
dann nur sich auf
seine Weise
Teilvollendung schaffen
können, wenn wirklich
Gründe, die nicht
Menschenwahnwitz erst ergrub,
vor
Gott die
Ehelosigkeit als
nicht ge‐
wollt bezeugen! ‒ ‒
Weit seltener jedoch als
Wahn es will,
sind
solche Gründe vor dem
Urteil Got‐
tes aufzufinden...
Keiner möge sich
auf sie berufen, der
nicht
in tiefster Einkehr mit sich
selbst zu Rate ging, und nicht
gewiß
ward, daß er
Gottes Stimme, in der
Stille ruhevoller Selbstversenkung,
hör‐
te! ‒ ‒ ‒
Keiner aber möge andererseits
Verei‐
nigung mit einem Gegenpole ande‐
ren Geschlechts nur aus
Begier erstre‐
ben, und
bevor er
in sich selber sich
belehrt fand, daß solche Einigung
nur
dann ihm
Heil verheißt, wenn er sich
willig weiß,
allein für sie
die ewige
Verantwortung zu tragen, ‒
ganz
einerlei, ob auch der
andere Eheteil sie
für sich selber tragen will, oder von
solcher Pflicht
nichts ahnen mag! ‒ ‒
Der
Irrwahn ist
alt, daß: „
heiraten
gut” sei, „
nichtheiraten” aber „bes‐
ser”, ‒ und der ‒ vor solcher Torheit
nicht geschützt ‒
ihn erstmals aus‐
sprach, hatte wahrlich hohe Einsicht in
gar manche geistige Verborgenheiten, so
daß hier
geistiges Gewicht von unge‐
heuerlicher
Schwere seitdem
auf den
Gewissen aller Nachgeborenen
lastet...
Es ist an der Zeit, daß
endlich hier
der
Wahn des Weisen seine
Macht ver‐
liere!
Es ist an der Zeit, daß endlich nun die
Ehe, die man als „
Sakrament”, zu
deutsch ‒ als Mittel, seine
Heiligung
sich zu erwirken, ‒ betrachtet sehen will,
obwohl man
Ehelosigkeit als unver‐
gleichbar „
heiligmäßiger” erklärt, der
Schändung enthoben werde, die
darin
ausgesprochen ist, daß man: ‒ das reife
Weib, dem höchstes, heiligstes
Erfüllen
seines Weibtums
fremd bleibt,
höher
stellt, als jede Frau die ihre
Mutter‐
würde zu erlangen wußte, ‒ den ste‐
rilen
Selbstling aber, der seine
Man‐
neskraft in sich
verzehrt und seines
Blutes Wert der Erde
raubt, im Wahn
befangen,
über jeden Mann zu stellen
sucht, der hier auf Erden
Vater neuen
Lebens wurde! ‒ ‒ ‒
Es ist wahrhaftig
an der Zeit, daß sich
die
Ehe ihres
Heiligsten zu
wehren
wisse, wenn man den Zeugungsakt: „
Be‐
fleckung” nennt, so daß man sich nicht
scheut, der alten „
Heiden” Wundermär
zu übernehmen, um die Geburt des
Gott‐
erhabensten der Menschen, nach alter
Mythen Weise, einer „
Jungfrau” zu‐
zuschreiben, ‒ nicht ahnend, daß die
alten Mythen von der Gottgeburt
im
Menschenherzen tiefverhüllte Kunde
geben, ‒ der Geburt des „Gottessohnes”
in der
Seele, die nur der
Gottesgeist
befruchten kann...
Hoch aller Ehrung würdig ist wahr‐
haftig
jene Frau, die
Mutter eines
Sohnes werden konnte, dessen
lichte
Lehre aller Welt das
Heil bereiten wür‐
de, wollte man nach ihr zu
handeln sich
bequemen, soweit man sie noch wahrhaft
kennt! ‒
Allein, nicht minder sollte man den
Vater
eines solchen Sohnes ehren, denn: wer
den
Sohn hier sieht, der sieht auch
den,
der ihn
erzeugte, da Bluteserbe sich be‐
reits
im Dasein finden muß, bevor es
Erbe werden kann! ‒ ‒ ‒
Hier ist die
Ableugnung der Zeugung
aus des Vaters Blut nur Ausdruck je‐
ner
Mißachtung, die anderenortes auch
die
Ehelosigkeit für „
heiligmäßiger”
erklärt, als
Ehe! ‒ ‒ ‒
„
Ehe” heißt mir freilich
nicht: ein
dumpfes, triebversklavtes
Beieinander‐
leben, um gegenseitig
seiner Sinne
trübe Glut zu löschen! ‒ ‒
„
Ehe” heißt mir nicht die Mischung der
Geschlechter, die im
Kinde nur das
Übel
sieht, das ihre
Lust bedroht! ‒ ‒
„
Ehe” aber ist auch nicht:
die unver‐
antwortliche Zeugung neuen Le‐
bens,
dem die Bedingungen zu se‐
gensreicher Selbstentfaltung nicht
gegeben werden können! ‒ ‒ ‒
Wahrhaftig: es gibt auf dieser Erde
keinen Lebenszustand, der
mehr Be‐
herrschung seiner selbst,
mehr Mit‐
empfinden mit dem Anderen,
mehr
Verantwortungsbewußtsein for‐
dern würde, als die rechte
Ehe! ‒ ‒ ‒
Nur, wer hier
alle hohe Forderung
er‐
füllt, darf hoffen, daß er auch das
Glück
der Ehe finde, das doch so viele
suchen,
und so wenige
erfahren, da es die
allermeisten
heischend ‒ als ihr „
gutes
Recht” ‒ erlangbar glauben, statt ein‐
zusehen, daß es der Mensch ‒ wie
alles
Glück ‒ sich selber
auferbauen, sich
selber
schaffen muß! ‒ ‒ ‒
In diesem Buche wird nunmehr von
dem
die Rede sein,
was wahre Ehe ist, und
was sie
fordert.
Ich werde zeigen, daß es zwar
unbeirr‐
bare Bereitschaft,
geschulten Willen
und
erzogene Kraft verlangt, die
Ehe,
wie sie sein muß, aufzurichten, ‒ daß
es jedoch
viel leichter ist,
die wahr‐
haft gute Ehe und ihr Glück zu schaf‐
fen, als die vielen
unglücklichen Ehen
glauben machen möchten...
Für alle, die noch
vor der Ehe stehen,
möge das Folgende zur
Vorbereitung
dienen.
Die längst
in einer Ehe leben, ‒
sei sie nun
glücklich, oder
getrübt, ‒
mögen aus meinen Worten wählen, was
ihnen noch nützen kann!
Wer aber vor der furchtbar ernsten Frage
keinen Ausweg sieht, ob er die
Ehe, die
er einst in froher Glückserhoffung
schloß,
nun
lösen soll, da alle Glückes-
Mög‐
lichkeit ihr längst erstorben scheint, der
frage sich nach der Lektüre dieses Buches,
ob er zu solcher Lösung wirklich sich
berechtigt weiß, und ob er die
Ver‐
antwortung dafür auch
vor dem An‐
gesicht der Ewigkeit noch
tragen
will?! ‒ ‒ ‒
Gewiß soll unrettbar
Zerrüttetes nicht
jedem
neuen Glück im Lichte stehen
bleiben!
Gewiß soll man in einem Lebensbunde,
der
Enttäuschung an
Enttäuschung
reihte, und nun Tag für Tag nur
Gram
und
Unheil schafft, nicht bis zum
letz‐
ten Fluch verharren!
Allein: ‒ gar manche Ehe wurde unter
Menschen schon
gelöst, obwohl sie
keineswegs
vor Gott die
Schäden
zeigte, die zur Lösung die
Berechtigung
gegeben hätten...
Gar oftmals hätte ernster
Neubeginn
der Ehe, auch zu
neuem und nun
dau‐
erbaren Glück den Grund gelegt, wären
nicht
vorschnell alle Brücken zuein‐
ander abgebrochen worden, da man
bereits nach neuem Glück an eines
an‐
deren Menschen Seite schielte. ‒ ‒ ‒
Wer da hören will,
und fühlt,
daß
es ihn angeht, ‒
möge hören!
Der aber der Ehe
fernbleiben muß, ‒
sei es nun
Schicksal, daß sie ihm
ver‐
sagt bleibt, oder werde er durch
Pflicht
gezwungen,
ehelos zu bleiben, weil er
Verantwortung für eine
Ehe niemals
tragen könnte, ‒ ‒
der lege dieses
Buch zur Seite, denn nicht für
ihn ist
es geschrieben worden! ‒
Ich schreibe hier für Menschen, die durch
keinen unabänderlichen und
vor Gott
gegebenen Grund
behindert werden,
die Vollendung
in der Einheit einer
Ehe zu erstreben. ‒
Nur diesen gilt, was hier zu
Worte
wird!
Wohl sind mir auch
die Truggespen‐
ster irren Fühlens sehr bekannt, die
an dem Heiligtum der Ehe
rütteln wie
an altersgrauen Mauern, die man
stür‐
zen müsse, wolle man den
Weg zur
Freiheit finden.
Hier aber ist nicht eindringlich ge‐
nug zu warnen,
vor verhängnis‐
voller Täuschung!
Aus wilder
Herdengemeinschaft, in
der sich ‒ kurz und derb gesprochen ‒
jedes Weib noch
jedem Mann
ergeben
mußte, der es zu
bezwingen fähig war,
führte
unsagbar weiter Weg den
Erdenmenschen endlich zu dem
hohen
Tempel in der Geisteswelt, der
einen
Mann dem
einen Weibe eint. ‒ ‒ ‒
Die
Tierheit ward dem
Geiste unter‐
tan, auch wenn sie sich noch immer
sträu‐
ben mag, ihm
willig zu
gehorchen. ‒ ‒
Und wenn es auch noch heute
Millionen
gibt, die
nicht auf solcher Stufe stehen,
‒ wenn auch noch
ganze Völker in
dem Weibe einzig die
Gebärerin und
das Gefäß der Lust erblicken, oder gar
das
Arbeitstier, das man
erhandelt
wie das liebe Vieh, so daß
die Anzahl
Frauen, die der Mann „besitzt”, zum
Zeugnis seines
Reichtums wird, wie
seine Herden auf der Weide, ‒ so ward
auf
höherer Stufe doch auch längst er‐
kannt, daß nur die
Ehe, die das
eine
Weib dem
einen Mann
verbindet,
geistig-
göttlichem Gesetz ent‐
spricht. ‒ ‒ ‒
Wehe denen,
die in unbezähmter
Gier die eigene Ehe unterwühlen, ‒
nicht fähig,
einen Menschen anderen
Geschlechts zu sehen, ohne seiner zu
begehren! ‒ ‒
Man nenne es nicht „
Zufall”, sondern
fühle einen
Willen hier am Werke, wenn
die von jeder
anderen Geschlechtsver‐
mischung
sorglichst reingehaltene
Ehe,
aus dem Geschlechtsverkehr
her,
unerreichbar bleibt für jene fürch‐
terliche
Seuche, die aus kurzer Augen‐
blicke unbezähmter
Lustgier:
Fluch
und Unheil über Generationen
bringt! ‒ ‒ ‒
Hier zeigt
Natur mit aller
Deutlichkeit,
was sie, auch schon
von sich aus, von
dem Erdenmenschen dieser Tage
for‐
dert!
Wer es auch sei, und welche
Gründe
ihn bestimmen mögen, ‒:
der Mensch,
der an der
Ehe, die das
eine Weib dem
einen Mann verbindet, freventlich zu
rütteln wagt, indem er solcher Ehe
Bin‐
dung und
Verpflichtung nicht beachtet,
ladet
schwerste Schuld auf sich: ver‐
sündigt sich
an aller Erdenmensch‐
heit, und schafft
kosmische Verwirrung,
‒ ‒ ganz abgesehen von der
unge‐
heuerlichen Schändung eines Tem‐
pels, der dort, wo eine
Ehe sich voll‐
zieht,
im reinen,
wesenhaften Geiste
aufgerichtet wurde! ‒ ‒ ‒
Nur hohe Gnade kann den so mit
Frevelschuld beladenen Verbrecher
an der Ehe noch entsühnen, und nur:
wenn
selber er
die Sühne sucht! ‒ ‒
Doch,
nicht viel kleiner ist auch
jene
Schuld, die jeder auf sich bürdet, der
sich vermißt, hier eine
Form zu
spren‐
gen, die ihm „
überlebt” erscheint, da
er sie nicht mit wahrem Leben zu
er‐
füllen weiß! ‒ ‒
Vergeblich bleibt auf dieser Erde alles
Streben, etwa eine
neue,
bessere Form
der Einung der Geschlechter zu gestalten,
denn: ‒
was die Menschheit in der
Ehe eines Mannes mit dem einen
Weibe zu erringen wußte,
gründet
in der Gottheit innerster Gestal‐
tung! ‒ ‒ ‒
Wer hier
zerstören will, was hohe Ein‐
sicht
auferbaute, der ist sich nicht der
Folge seines Tuns bewußt!
Ein Sanktuarium des Geistes würde
so vernichtet, an dem
Jahrtausende die
Weisesten der Erde
bauen sahen!
‒ ‒ ‒
Es müßten
kommende Jahrtausende
vergehen, sollte es dereinst
erneut
errichtet werden, so dies
möglich wäre,
läge es in seinen Trümmern! ‒ ‒ ‒
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
*
SO, wie der
Ehe heilighoher Bund,
wie ich ihn sehen lehren will, vor
allem in der
Liebe sich vollendet, und
ohne Liebe nicht bestehen
kann, ‒ so
sei auch hier, vor allem Anderen, nun
der
Liebe ein Betrachtungswort geweiht.
Es wird die Rede sein zuerst von einer
Form der
Liebe, die zwar im
Irdischen
zur
Wirkung kommt, doch tief im
Geiste gründet. ‒
Auch
im Tiere ist diese
Liebe zu finden,
wie
in allem,
was lebt!
Jedoch, das Tier
vermag es nicht, die
Geistbegründung dieser Art der
Liebe
zu
erfühlen, und so bleibt es beschränkt
auf
Trieb und
Brunst, ‒ auf dumpfes
Suchen seiner
Mutterschaft und
Sorge
für den „
Wurf”. ‒
Nur allzuoft ist aber leider auch der
Mensch der Erde ganz in
gleicher Weise
seiner Tierverhaftung Sklave: ohne
jede Sehnsucht, sich als
Herr und Mei‐
ster seiner Tierheit zu bewähren...
Erbarmen faßt den
Sehenden, erblickt
er
solche Schmach an
Wesen seiner
Art, ‒ sieht er die jämmerliche
Selbst‐
erniedrigung, die sich genügen läßt an
geiler Lust und
viehischem Behagen,
wo
Macht gegeben ist,
die göttlich
reinsten Freuden zu erleben! ‒ ‒
So mancher aber, der zwar
nicht die
tiefsten Gründe allen Daseins offen sah,
jedoch in sich die Ahnung von der
Würde
seines Menschtums trug, ward seines
Ekels nicht mehr Herr, sah er den Men‐
schennamen solcherart
entweiht. ‒
Er wähnte nun, daß alle
Liebe, die der
Tierheit Kräfte auslöst um sich zu er‐
leben, auf
gleicher abgrundtiefer
Stufe stehen müsse, und konnte nicht
mehr fassen, daß auch der
Tierheit
Trieb
dem Geiste Anlaß eigenen Er‐
lebens werden kann...
Fluchend grollte er dem Schicksal, das
ihn zwang, in seinen Adern „
Tierisches”
zu fühlen, dem er sich niemals ganz ent‐
winden konnte. ‒ ‒
In solcher Wirrnis qualbefangen, über‐
gab er sich alsdann dem Wahn, daß alle
Liebe, die sich in ihm irdisch-tierhaft
äußern wolle, eine
Ausgeburt der Hölle
sei, und seine
Seele zu
vernichten
drohe. ‒
Wo hätte er auch die
Belehrung suchen
sollen, die seiner Selbstqual
Auflösung
geschaffen hätte durch
Erkenntnis?!?
Die
Einen suchten nur sein Wähnen
zu
bestärken, da sie selbst im
gleichen
Wahn befangen waren, ‒ die
Anderen
‒ ‒
verlachten ihn...
Die aber selbst das Glück des seligsten
Gewährens
kannten, ‒
das Glück der
Liebe,
die das „
Tier”
der Gottheit
eint: die alle „Ächtung” von ihm nimmt,
indem sie seine Triebe
läutert und
zum
Dienste seelischen Erlebens schult,
‒ wußten nur selten über das zu
reden,
was ihnen
heiligste Erfahrung war.
‒ ‒ ‒
Wo aber wird Belehrung
mehr ent‐
behrt, als auf den Wegen durch
der
Liebe irdische Gefilde, da allenthalben
giftgeschwängerte Gewächse in den
gleichen gluterfüllten
Farben sprießen,
wie jene reinsten Blütenkelche, die in
ihrer Tiefe
Tau des Himmels bergen!?
‒ ‒
Man wird nicht lange suchen, will man
Menschen finden, die nur
ironisch‐
bitter lächeln können, hören sie die
Liebe preisen...
Man wird die
Ehen leichthin
zählen
können, in denen Mann und Weib in
solcher Art die
Liebe kennen, wie sie
jede Menschenehe
kennen sollte! ‒ ‒
Die Einen glauben, wahre
Liebe müsse
sich allein im
Seelischen erschöpfen
lassen, und ihre
Leiber werden ihnen
gegenseitig fast zum
Greuel, da sie eben
doch noch
Anderes heischen...
Die
Anderen aber glauben ihre
Liebe
nur in der
Befriedigung der Triebe
zu genießen, bis sie zuletzt in
Über‐
sättigung sich voneinander wen‐
den. ‒ ‒
Beides ist freilich
nicht die rechte Art,
um jene Form der
Liebe zu erleben, die
eine wahre Ehe
braucht!
Die Liebe, die allhier allein
Erfüllung
geistigen Gesetzes schafft, will
weder
Geistiges,
noch Tierhaftes in ihrer
Auswirkung
entbehren.
Das durch die Tiernatur des Erdenmen‐
schen aber einmal nun Gegebene, soll
keineswegs nur
tierisch, „
viehisch”,
ausgekostet werden, sondern, vom Gei‐
stigen
durchdrungen und dadurch
ver‐
wandelt: ‒
selbst ins Geistige er‐
hoben, ‒ zu Bewußtsein kommen.
So sollen
Mann und Weib,
in geistig‐
körperlicher Einung, sich
ineinander
nun
erkennen, wie
Mann und Weib
im Göttlichen vereinigt waren, einst
vor dem „Fall” in diese physisch-sinn‐
liche Erscheinungswelt, ‒ und wie das
Männliche dem Weiblichen
erneut ver‐
einigt wird, sobald erst beide Mensch‐
tumsteile die
Erlösung sich erwirkten
in der
Geisteswelt...
Für diese Worte wird dem geilen
Wüst‐
ling ganz in
gleicher Weise das
Ver‐
ständnis fehlen, wie dem
Asketen, der
in jeder Regung seiner ‒ durch
ihn
selbst allein beschmutzten ‒ Tiernatur,
nur „
teuflische”
Versuchung wit‐
tert. ‒ ‒
Die aber Ähnliches, wie das, was meine
Worte
darzustellen suchen, auch nur
einmal in sich selbst
erfahren haben,
werden wahrlich
wissen, was die Worte
meinen! ‒ ‒ ‒
Wer aber auch
nicht aus
Erfahrung
weiß, von welchem
heiligen Myste‐
rium, ‒ erlebbar in der körperlichen
Leibvereinung, ‒ ich hier rede, der wird,
so er nur
reinen Herzens ist,
erahnen
können, was er
dann erst wissen kann,
wenn er es selbst
erlebt! ‒
Jegliches Weib, und
jeder Mann, wird
nur in diesem, hier auf Erden
höchsten,
körpersinnlich-
geistigen Erleben
neuer Einheit die
Erfüllung finden,
die ‒
ohne jeden schalen Rest an
unbefriedigter Empfindung ‒ erst
völlig jenes heiße
seelisch-
körper‐
liche Sehnen stillt, das die Geschlech‐
ter, ‒ wo nicht
Tierbrunst nur Befrie‐
digung erheischt, ‒
in Liebe bis zum
Selbstvergessen,
zueinander zieht!
‒ ‒ ‒
Doch nur in einer wahren
Ehe, die Mann
und Weib in neuer
Einheit faßt, und ‒
mindestens dem
ernsten,
festen Wil‐
len nach ‒ für beider
Lebenszeit ge‐
schlossen wurde, kann sich Geschlechts‐
vereinigung
zu solcher Höhe heben,
da
hier nur jene
Einheitsform im we‐
senhaften Geiste sich
gestaltet fin‐
det, die so
erlebbar wird. ‒
Immer aber wird nur höchste Zucht
der Sinne,
höchste Zucht der Phan‐
tasie,
das Unbegreifliche:
Ereignis
werden lassen im Erleben! ‒ ‒ ‒
Gewiß ist
das Kind jeder wahren Ehe
Ziel und
Wunsch!
Und dennoch ist,
nach geistigem Ge‐
setz, das durch die
Ehe zur
Erfüllung
kommen will, ‒
die Zeugung und Ge‐
bärung neuen Lebens erst der
zweite
Zweck der ehelichen Einung! ‒ ‒ ‒
Ihr
erster ist die Bildung einer neuen
Geisteseinheit, in der sich Teil und an‐
derer Teil zu jenem
Ganzen ineinander‐
schmelzen, das nur auf
geistig-
kör‐
perliche Weise für den Menschen dieser
Erde
noch empfindbar ist, ‒
dann
aber auch, in
Auswirkung des so Er‐
lebten, ‒ dem ganzen Dasein einen
Kräftezuwachs schafft, den nur das
geistige
Ganze spenden
kann, und den
kein Teil, wie immer er sich strebend
recken mag,
für sich allein erreicht!
‒ ‒ ‒
So ist die
Ehe, schon um der
in ihr
allein nur möglichen Erfüllung allen
Sehnens reiner geistig-
körperlicher
Liebe willen,
eine hohe Hilfe auf dem
Wege zur Vollendung, ‒
eine tief
geheimnisvolle Vorbereitung auf
die Rückkehr in das Reich des we‐
senhaften Geistes, ‒
eine Pforte,
die zu seligstem Erahnen überer‐
denhaften Lebens alle jene führt,
die willens sind,
den Schlüssel zu
gebrauchen, der ihnen hier in diesem
Buche
dargeboten wird! ‒ ‒ ‒
Wäre der Erdenmensch
nur wesenhafte
Geistgestaltung, so würde wahrlich
alles, was die
Ehe ihm
erlebnisnahe
bringt, auch nur in seiner
Geistgestalt
erlebbar sein.
So aber ist der Mensch, der einst aus sei‐
nem hohen, göttergleichen „
Leuchten”
fiel, um sich in
physisch-
sinnlicher Er‐
scheinungswelt nun zu erleben, ‒ ‒
wie er vermeinte:
als sein eigener,
seinem Ursprung nicht mehr einge‐
borener „
Gott”, ‒ ‒ allhier dem
Tie‐
rischen verhaftet worden, so daß ihm
alles, was er noch im
Geistigen emp‐
finden will, nur
faßbar wird in
leib‐
hafter Empfindung durch der
Tierheit
ihm vertraute Kräfte. ‒ ‒
Und fühlt er sich, ‒ obwohl ihn nur des
Erdentieres Körper
trägt, solange er auf
Erden lebt, ‒ in eitlem Wahn dem Tier‐
haften
enthoben, so
trügt er nur sich
selbst und hindert seine eigene Ent‐
faltung, vermeintlich „
geistiges” Er‐
leben kennend, das ‒ ‒:
nur des
„
Tieres”
irrgeleitetes Empfinden
ist! ‒ ‒ ‒
Nichts aber
schützt vor solcher
Irre‐
leitung tierhaften Empfindens
wir‐
kungsvoller, als die rechte
Ehe, in der
die
geistig-
körperliche Liebe ihre
reinste,
höchste Form gefunden hat!
Doch ist die
Liebe, die in einer wahren
Ehe
alles lenkt und leitet, keineswegs
allein darauf verwiesen, sich ausschließ‐
lich nur in
geistig-
körperlicher Art
zu zeigen: ‒ gebunden an die Sehnsucht
der Geschlechter, sich zu einen.
Bleibt diese
geistig-
körperliche Liebe
auch stets
Vorbedingung einer ehe‐
lichen Einung, ansonst ein „Ehebund”
zum eklen
Spottbild seiner selbst her‐
abgeschändet wird, so überstrahlt doch
auch zu gleicher Zeit die
Liebe noch in
anderer Form das Leben zweier Men‐
schen, die sich in der
Ehe fanden und um
ihre
Zweieinheit im
Geiste wissen...
Ich rede hier jetzt von der Liebe
ohne
Gegenstand der Liebe: ‒ von einer
Form der Liebe, die des
Gegenstandes
nicht bedarf! ‒
Auch sie wird
Irdischem nur dann
empfindbar sein, wenn sie durch Ir‐
disches
vermittelt wird...
Wenn aber
geistig-
körperliche Liebe,
wie sie zur
Einung der Geschlechter
in der Ehe führt, stets ihren Liebes‐
Gegenstand benötigt, um sich in Ver‐
einungsglut zu fühlen, ‒ ja, wenn selbst
jene Liebe, die das
Kind umhegt, und
rückstrahlt auf das
Elternpaar, nicht
ohne
Gegenstand der Liebe ist, so han‐
delt es sich
hier nun um die
völlig los‐
gelöste Liebe, die
nichts im Äußeren
begehrt, und auch nicht
Gegenliebe
fordert, da sie
Erfüllung findet in sich
selbst, wo immer sie im Dasein ist. ‒ ‒
Nicht allzuvielen ist
diese Liebe
bekannt!
Nicht allzuoft wird sie im
Erdenleben
ausgewirkt!
Und doch ist sie
weit häufiger zu fin‐
den, als jene
höchste Form der
ehe‐
lichen Liebe, die es vordem zu um‐
schreiben galt!
Schon
darum, weil sie
durchaus nicht
nur in der Ehe sich allein
Erfüllung
schaffen kann...
Es darf jedoch die
Ehe, soll sie wahr‐
haft
glücklich sein, auch diese Liebe
ohne Gegenstand der Liebe nicht ent‐
behren müssen! ‒
Nicht nur im heilighehren Tempel
ehelicher Lagerstätte, ‒ zu dem die
kleinste, engste, arme Hütte wird, in der
sich Mann und Weib vereint in jener
höchsten Form der
geistig-
körper‐
lichen Liebe finden, ‒ wirkt sich das
Leben zweier Ehegatten aus!
Die wahre
Ehe ist
Gemeinsamkeit des
Lebens in der
weitesten Bedeutung
dieses Wortes!
Es läßt sich aber dieses Erdenleben nicht
gemeinsam führen, ohne beiden Teilen
stets auf Schritt und Tritt zu zeigen, daß
sie
trotz aller geistig-
körperlichen
Einung, doch in der Außenwelt
noch
zwei getrennte Teile eines
Geistes‐
Ganzen bleiben, deren
jeder von Na‐
tur aus
eigenen Gesetzen unterordnet
ist. ‒ ‒
Zwei
Eigenleben stehen sich auf solche
Weise gegenüber, und sollen doch
in
einem neuen Leben der Gemein‐
samkeit vereinigt werden!
Sie müssen
diese Einung
ebenso er‐
reichen, ‒ wollen sie ihr
Glück nicht
von sich jagen, wie sie in ihrer
geistig‐
körperlichen Liebe eine neue Einheit
wurden...
Hier aber ist die
geistig-
körperliche
Liebe
nicht mehr tauglich,
Einung zu
bewirken, ‒ und so liegt hier die Wur‐
zel jenes Wahnes bloß, der da vom an‐
geborenen „
Hasse der Geschlechter”
zu orakeln weiß. ‒
Ach nein,
meine Freunde, ‒
wahr‐
lich,
solcher Haß ist nicht begründet
im Geschlecht an sich, wenn er zu‐
weilen
dort sich zeigt,
wo Menschen
im Zusammenleben sich begegnen,
die
verschiedenen Geschlechtes sind!
‒ ‒
Stets handelt es sich dann nur um
den
Widerstreit erotischen Vereinungs‐
willens gegen jenen
anderen Willen,
der den
Teil allein als
Ganzes aner‐
kannt, und
seines Eigenlebens Norm
allein in Geltung sehen möchte!
Aus solchem Widerstreit kann dann ein
Haß erstehen, den man
sehr zu Unrecht
so zu deuten sucht,
als sei er schon
naturgegeben im Geschlecht!
Ihn aber zu
besiegen ist nur
jene Art
der
Liebe fähig, die
nicht durch einen
Gegenstand der Liebe erst
entzündet
wird, und die sich
auswirkt, ohne einen
Gegenstand zu
suchen, da sie
in sich
selbst Erfüllung ist. ‒ ‒
Nur diese
Liebe um der Liebe willen
lehrt auch stets
die rechte Weise fin‐
den, nach der sich
Teil und anderer
Teil in einer Ehe immerdar zu for‐
men und zu schleifen suchen müssen,
wollen sie
in Lebenseinheit zuein‐
anderpassen! ‒ ‒
Selbst manche
sogenannte „Ehe”, die
von der wahren Ehe nur den
Namen
borgt, wird oftmals noch zu einer leid‐
lichen Gemeinsamkeit geformt, wenn in
dem
einen dieser Ehegatten, oder gar
in
beiden, etwas von der
Liebe um
der Liebe willen wirkt, ‒ auch wenn
die
geistig-
körperliche Liebe nie zu
ihrer höchsten Form gefunden hatte, ja
wenn sie selbst in
niederen Formen
kaum vorhanden war...
Sprichwörtlich ist die „
heiße Liebe”,
die dann später zum „
Erkalten” kam!
Doch: ‒
echte Liebe
kann niemals „
er‐
kalten”, weil sie nur dort
entzündet
wird, wo ihre helle Lichtglut
uner‐
schöpflich reiche Nahrung findet! ‒ ‒
Sie kann zum
wilden Feuer werden,
aber
niemals, ‒
möge man sie auch
mit allen Mitteln zu ersticken su‐
chen, ‒ kann sie
verlöschen: kann sie
zum
Erkalten kommen!
Was
solcher Glut der Liebe aber
nicht
entspricht, mag
sinnlicher Rausch sein,
oder
eine künstlich aufgestachelte
Erotik, ‒ mag
Freundschaft miß‐
verstehen, mag
Bewunderung,
mag
Dankbarkeit vielleicht in „
Liebe”
fälschen, ‒ ‒ mit
echter Liebe aber hat
dann dieses Fühlen nur
das Wort ge‐
mein...
Niemand soll sich viel verwundern,
wenn hier
Pseudo-Liebe früher oder
später zum „
Erkalten” kommt!
Nie aber darf derartig aufgenährtes
Scheingefühl in einem Menschen so zur
Macht gelangen,
daß er sich selbst
betört und überredet,
als sei der Un‐
terbau gegeben,
eine Ehe aufzurich‐
ten! ‒ ‒
Unsägliches Unglück würde auch
ver‐
mieden, wollten Mann und Weib, die
sich im Leben irgendwie begegnen,
nicht
gleich aus jeder leisen Regung der
Erotik einen Fetisch machen, den sie
ihre „
Liebe” nennen!
Es ist
naturbegründet, daß zwischen
jedem Mann und
jedem Weibe
Schwin‐
gung der Erotik stets vibriert, und sei
auch
dieses feine,
stetige Vibrieren
unsichtbarer Kräftewellen, ‒ wie
bei allen Menschen
seelisch reiner Art,
‒
so leise,
daß es im Bewußtsein
völlig unbeachtet bleibt.
Gefahr liegt hier nur
dadurch vor, daß
ungefestigte Naturen,
deren Phan‐
tasie nicht ahnt,
was Zucht und Herr‐
schaft eines reinen Herzens heißt,
an solcher leisen Schwingung schon
die
Freude der Berauschung suchen,
von
sich aus stetig dann
die Schwingung
steigern, und nicht eher ruhen, als bis
aus Übersteigerung: ‒
Begehren wird...
Dieses
Begehren aber nennen sie dann
„
Liebe”, und leiten gar das Recht, ein
eheliches Bündnis zu erstreben, aus
solcher Ausgeburt
haltloser Phanta‐
sie-
Entartung ab, ‒ um Wüstenweite
ferne jeglicher Oase des
Verantwor‐
tungsbewußtseins, ‒ fast monoma‐
nisch nach
Erfüllung des Begehrens
strebend, ‒ um schließlich, nach
Errei‐
chung ihres Zieles, dem einst so heiß
begehrten
anderen Teil der so erstreb‐
ten „Ehe”
jede Neigung zu entziehen,
da ja längst schon wieder
anderes Be‐
gehren lockt...
Ich brauche kaum zu sagen, daß es sich
in solchen Fällen meistens nur um
Män‐
ner handelt, die das
Weib begehren,
denn
selten nur ist auch die Phantasie
des
Weibes so
entartet, daß sie das
Weib die
gleichen Wege gehen heißt.
Wer
anders über Weibesart Bescheid
zu wissen glaubt, der möge sich erinnern,
daß seine Weisheit
solchenfalles
sicherlich von ‒ ‒
Männern stammt,
die allzuunverhohlen
ihre Wesensart
am liebsten auch im
Weibe wiederfinden
möchten, ‒ es sei denn, daß er
selber
nur die
Dirne kenne, und
Dirnenart
in
jedem Weibe wittere! ‒ ‒
Gar vielfach aber läßt sich leider auch
das Weib verleiten eine „Ehe”
ohne
Liebe anzustreben, um später in die
Klage auszubrechen, daß es „
kein Glück”
in seiner „Ehe” finde.
Doch schafft
das Weib sein Unheil meist
aus
anderen Gründen, und vielfach sind
sie
weit verzeihlicher als die des
Mannes. ‒
Ehrgeiz, den Mann, den es
bestaunt
in irgend einer Leistung,
sich vor an‐
deren zu erringen, ‒ der Wunsch,
„
versorgt” zu sein, oder
dem allzu‐
strengen Elternhause zu entfliehen,
‒ das sind
zumeist die Gründe, die
das
Weib bestimmen können, eine „Ehe”
einzugehen, ohne
Liebe zu empfinden,
wenn nur
die Schwingung der Erotik
soweit
steigerbar erscheint, daß sie
ihm einen sinnlich-äußeren
Ersatz für
Liebe bildet. ‒
Auf welcher Seite aber auch die Schuld
am schwersten lasten möge: ‒ stets
wird ein solcher „Lebensbund”, der oft
kaum
Jahre schlecht und recht noch
überdauert, nur arges
Zerrbild einer
wahren Ehe sein! ‒ ‒
Das
geistige Gesetz, das unerbittlich
fordert, daß man
ihm genüge, wo sich
Mann und Weib zur
Ehe einen wollen,
ist
nicht zu „
biegen” und zu „
brechen”,
wie man eine „
Ehe” biegt und bricht,
die da in Wahrheit keine
ist, und nie‐
mals eine
war, wenn solches sich ereig‐
nen kann, ‒ auch
wenn die beiden Ehe‐
gatten einstmals
glaubten, daß sie
die
Ehe eine, und es
solange glauben
mochten, bis dann
Prüfung dieser Ehe
Unterbau erprobte. ‒ ‒ ‒
Wo darum wahre
Ehe werden soll,
dort frage man vor allem nach der wahren
Liebe! ‒ ‒ ‒
Sie ist
gar leicht zu
erkennen, und
unmöglich wird es ihr, sich zu
ver‐
bergen! ‒ ‒ ‒
Man kann sich aber niemals
früh genug
aus Träumen reißen, die eine
Pseudo‐
Liebe hätscheln wollen, und niemals
kann man
streng genug sich selber
jedes Tun verweisen, das einen Ne‐
benmenschen, der,
gefühlsbetört, in
solcher
Pseudoliebe sich gefällt, auch
noch in seinem Wahn
bestärken
könnte...
Doch, wahre
Liebe ist nicht nur „
Ge‐
fühl”, und nicht im
Fühlen läßt sie sich
erschöpfen! ‒
Liebe ist vor allem
Kraft! ‒
Wer sie mißbraucht, kann diese gleiche
Kraft im ‒
Hasse kennenlernen!
Dort wirkt sie dann in ihrer
Selbst‐
verzerrung...
Wer
aber Liebeskraft
in ihrer höchsten
und erhabensten Entfaltung in sich
selbst
empfindet, der
strahlt Liebe
aus und wird sie sicherlich auch dort
erwecken, wo sie noch im
Schlafe ruht,
sobald er fühlt, daß ihm der Mensch be‐
gegnet ist, den ihm sein Schicksal zube‐
stimmte, um in einer wahren
Ehe sich mit
ihm zu
einen. ‒ ‒ ‒ ‒
Wo beide Teile fühlend voneinander
wissen, daß sie echte
Liebe eint, dort
soll wahrhaftig aus der Liebe auch die
Ehe aufgerichtet werden!
Glückselig jede Ehe,
die auf solchem
Fundamente baut!
Sie wird durch keinen Sturm, der sie um‐
tost,
erschüttert werden, und keine
Brandung kann sie jemals
unter‐
wühlen!
* *
*
AUCH das allerengste
Beieinander‐
leben zweier Eheleute schafft noch
lange nicht
Gemeinsamkeit, während
sie
dort gar oft besteht, wo Mann und
Weib ‒
sehr gegen Wunsch und
Willen ‒
gezwungen sind, meist lange
Zeit
in äußerer Entfernung zu ver‐
harren: nur kurz und selten unter glei‐
chem Dach vereint. ‒
Wenn aber auch Gemeinsamkeit nicht
abhängt von der steten Bindung an die
gleichen Räume, so wird doch jede wahre
Ehe
Raumgemeinschaft zu
erstreben
suchen, wo immer dies mit der gebotenen
Sorge für des Lebens Notdurft, mit den
Pflichten, die Beruf und Stand erheischen,
zu vereinen ist.
Aber ein Anderes ist das
Beieinander‐
leben in den gleichen Räumen, nur weil
man
das Alleinsein nicht erträgt: die
Gegenwart des Anderen
nicht missen
möchte, ‒ und wieder ein Anderes ist
Gemeinsamkeit! ‒
Gemeinsamkeit ist Einung zweier
Menschen,
auch in allem Denken,
al‐
lem Fühlen,
allem Handeln!
Sie wird nicht durch das nahe Beiein‐
anderleben etwa erst
erzeugt!
Wo innere und äußere Gemeinsamkeit
nicht schon bestand,
bevor man Raum‐
gemeinschaft suchte, dort kann das enge
Beieinanderwohnen, statt Gemeinsam‐
keit zu
fördern, ihr
die grimmigsten
Gefahren schaffen. ‒ ‒
Es ist darum für Alle, die sich in der
Ehe
einen wollen,
bitter nötig, nach
Ge‐
meinsamkeit, im hier gemeinten Sinn
zu streben, noch
bevor sie ihre Ehe
schließen! ‒
Wie vieles
Unheil wäre schon
verhü‐
tet worden, hätte man zur rechten Zeit
erkannt, daß diese Forderung sich
nicht
umgehen läßt, statt sorglos sich dem
falschen Glauben hinzugeben, daß
Ge‐
meinsamkeit, wie sie
vonnöten ist in
jeder wahren Ehe,
sich ganz von selbst
im Eheleben finde! ‒ ‒
Das Streben nach
Gemeinsamkeit in
allem Denken, allem Fühlen, allem Han‐
deln, wird aber niemals zu Erfolgen füh‐
ren, dort, wo der
eine Teil den anderen
stets
durch Wort-
Turniere überzeu‐
gen will, daß er nur
seiner Ansicht sich
bequemen müsse, um allsogleich „Ge‐
meinsamkeit” mit ihm zu haben...
So kann der
eine Teil gewiß den anderen
ermüden, und ihn dann endlich
zwin‐
gen, um des lieben Friedens willen, sich
zu fügen, allein, was so zustande‐
kommt, ist
alles andere eher, als
Ge‐
meinsamkeit, und früher oder später
hinkt die böse Folge nach!
Nie kann ein
Zwang, ‒ und sei es selbst
der „
süße Zwang der Liebe”, ‒ in
einer Ehe die
Gemeinsamkeit begrün‐
den, die ihr
nicht minder nötig als die
Liebe ist!
Willst du, o Liebender,
Gemeinsam‐
keit zu schaffen suchen, die dich mit dem
geliebten Menschen, dem du in der
Ehe
dich vereinen willst, hinfort nun auch
in allem
Denken, allem
Fühlen, allem
Handeln einen soll, dann wirst du dich
vor allem
selbst an straffem Zügel
halten müssen!
Du mußt dich selber in die „hohe Schule”
nehmen, damit du zu
Beweglichkeit ge‐
langst und dich auch
anderer Gangart
anzupassen lernst!
Bisher warst du dir selbst das Maß
der Dinge!
Ob du vom
Elternhause her die Art
des
Denkens,
Fühlens, und des durch
Beides dann bestimmten
Handelns,
übernommen haben magst, die dir nun
eignet, oder ob
du selbst dich
Schöpfer
der Maximen deines Lebens weißt, ‒
stets bist du nur zu sehr geneigt,
dein
eigenes Ermessen sehr zu überwer‐
ten, und alles, was dir auch entgegen‐
treten mag,
durch deine selbstgefärb‐
te Brille zu betrachten. ‒ ‒
Hier aber steht, mein Freund, nunmehr
ein
zweiter Mensch vor dir, dem es
kaum
anders gehen mag, und der in
gleicher Weise alles nur durch
seine
Brille sehen möchte!
Ihr werdet
beide euch entschließen
müssen, eure „Brillen”
abzulegen, auch
wenn sie euch bisher die Dinge
in den
denkbar schönsten Farben zeigten,
so daß ihr jetzt kaum glauben wollt,
daß man sie offenen Auges auch noch
anders sehen könne...
Ihr werdet aber nicht erwarten dürfen,
daß ihr
von heute auf den anderen
Tag euch schon
verstehen lernen könn‐
tet, denn: wenn ihr auch die gleichen
Worte braucht, so redet ihr doch stets
von anderen
Dingen, weil jeder noch
die Dinge nur nach
seiner Weise sieht,
und nur nach
seiner Weise sie bezeich‐
nen kann!
Es wird euch ja noch kaum recht glaub‐
haft scheinen, daß wirklich jedes Ding
in
jedem von euch beiden
anders zu
Bewußtsein kommt!
Noch glaubt ihr,
von dem gleichen Ding
zu reden, und redet doch
von völlig
Anderem, da jeder nur
von seinem
Bild des Dinges redet! ‒ ‒
Hier ist
Geduld vonnöten, die sich
nicht
erschüttern läßt, wenn man sich einstens
in der
gleichen Weise des Betrachtens
finden will!
Es wird hier
jeder Teil erst zur
Er‐
kenntnis kommen müssen, daß
seine
Art zu sehen, ‒ mochte sie ihm auch
bisher als
Norm erscheinen, ‒
keines‐
wegs die einzige,
ihm mögliche Be‐
trachtungsweise darstellt...
Auch wird man nicht allein die
Worte
hören dürfen, sondern stets auch zu er‐
fühlen suchen müssen,
was der Andere
mit
seinen Worten
meint, und ob sich
dies auch ganz mit jenen Dingen
decke,
die man
selbst mit
gleichen Worten
meinen würde. ‒
Zu oft nur hört man Menschen bitter
streiten, weil sie
Gegensätze zu er‐
kennen glauben, die als
unvereinbar
gelten, wo nur das falsch gewählte
Wort
den
Anschein schafft, als
seien Gegen‐
sätze aufzufinden.
Und oftmals glauben Menschen sich durch
eine „
tiefe Kluft” getrennt, wo nur
die
Nacht der Nichterkenntnis solchen
Trug ermöglicht, weil sie
zu sehen hin‐
dert, daß die scheinbar „tiefe Kluft” nur
ein willkürlich, und mit sehr bezweifel‐
barem Rechte, ausgehobener
seichter
Graben ist, den man mit Leichtigkeit
zu
überschreiten wüßte...
Mit unbeirrbarer
Gelassenheit und
liebevollem
Geltenlassen aber, wird
man
auch dort zuletzt doch zuein‐
anderfinden, wo
wirklich Gegensatz
besteht: wo wahrhaft eine „
tiefe Kluft”
für immerdar zu
trennen schien, weil
man erst
lernen mußte, sie zu
über‐
brücken. ‒ ‒ ‒
Gemeinsamkeit in allem Denken, al‐
lem Fühlen, allem Handeln, schafft jeder
Ehe eine hohe Mauer sicherster
Be‐
schützung!
Ehe
verträgt es nicht, daß sie im Außen‐
leben
ohne sichere Umhegung bleibe!
Die Lebenseinung zweier Menschen in
der
Ehe darf niemals
allen Winden,
jedem Wetterwüten,
jeder Überflu‐
tung offenstehen! ‒
Wie immer auch zwei Menschen, die sich
in der
Ehe fanden,
Geselligkeit und
heiteren Verkehr mit anderen Men‐
schen suchen mögen, ‒ stets muß die
sichere
Umhegung ihnen
fühlbar blei‐
ben, und
niemals darf der heilige Be‐
zirk, der ihnen nur
allein gehört, vor
Anderen
eröffnet werden! ‒ ‒ ‒
Auch hier ist, ‒ wie bei
jeglichem Ver‐
hältnis menschlicher Verbundenheit, ‒
das
Schweigenkönnen eine rechte
„Kunst”, die jeder zu
erlernen hat, der
sie
noch nicht beherrscht! ‒ ‒ ‒
Was nur
die Eheleute selber angeht,
hat
niemals laut zu werden
vor den
Ohren Anderer, und wenn die Ande‐
ren auch
die nächsten Freunde und
Verwandten, ‒ ja selbst
die Eltern
wären! ‒ ‒ ‒
Sehr
zweifelswürdig bleibt die
„
Hilfe”, die man vielleicht auf solche
Weise finden mag, ‒ auch
wenn die
Menschen, denen man sich so
vertraut,
den redlichsten und reinsten Willen
haben,
wahre Hilfe darzubieten!
‒ ‒
Weit öfter, als man wirklich
Hilfe fin‐
det, wird das Unheil, dem man wehren
wollte, nur
genährt, so daß es erst
zum
Wachsen und zum rechten Wuchern
kommt, obwohl es anfangs schnell
im
Keim erstickt gewesen wäre, hätte man
sich selbst bemüht, es zu ersticken, und
nicht
den Anderen vorgeklagt, wie
sehr man schon darunter
leide! ‒ ‒ ‒
Doch auch sein
Glück soll man für sich
verwahren und nicht in eitler Rede
zum
Verströmen bringen! ‒
Auch nicht
in Worten soll man es
mit
Anderen teilen wollen! ‒ ‒
Es geht nur
beide Eheteile an, wenn
sie, als geistgeeintes Ganzes,
sich ihr
Glück zu schaffen wußten...
Vor allem aber sei man auf der Hut, den
Neid zu wecken, der ‒ oft nur
künst‐
lich eingeschläfert ‒ sich
gar leicht
erwecken läßt, wenn eine redefrohe Zunge
allzusehr ein
Eheglück lobpreist! ‒
Man schädigt sonst den Neider, wie
sich selbst, da Neid stets
eine Kraft
zur Wirkung bringt, die das
verneint,
was Neid
erregte, und die sich
gegen
Neider und Beneideten in gleicher
Weise richtet, da sie
den Wert ver‐
nichtet sehen will, den der Beneidete
besitzt, der Neider aber
nur zu gern
besitzen möchte...
Ist aber schon bei Glück wie Unheil‐
drohung:
Schweigen angezeigt, so
schweige man
erst recht, wo platte,
widerliche
Witzelei und ein im „Hän‐
seln” Anderer sich sielendes Behagen,
die
Ehe in den seichten, trüben Tüm‐
pel kläglich-armer Geistverlassenheit
herabzuziehen suchen, um meckernd
ihre Hintertreppenweisheit anzubringen
und in Bierbankblödigkeiten sich genug‐
zutun!
Jeder der dies liest, wird unschwer wis‐
sen, was ich meine...
Nur glaube man nicht,
daß solche öde
Witzelei doch wohl zu dulden wäre,
wenn sie Menschen üben,
die sich
gewiß nicht vorzuwerfen haben,
daß sie je im Ernst die Heiligkeit
der Ehe angetastet hätten!
Das Heilige darf
nie zum Stoff des
schalen
Witzes werden, wenn es der
Meltau der
Zersetzung nicht berühren
soll, und selbst
der gütigste Humor
wird sich hier
Zügelung gefallen lassen
müssen, auf daß er nicht
zerstöre, was
er
nicht zerstören
will! ‒ ‒
Heilig bleibt dem Menschen
nur, was
er als „heilig” noch
empfinden kann:
‒ was stets
bewahrt bleibt
vor er‐
niedrigenden Worten, und
unan‐
tastbar aller Lebensäußerung ent‐
rückt, die nicht mit
Ehrfurcht ihm zu
nahen weiß...
Der heilige Bezirk, den
nie ein ande‐
rer Mensch betreten darf, als
nur
die beiden Ehegatten, ist aber wahr‐
lich
weiter ausgesteckt als ihres
Schlaf‐
gemaches Wände!
Es wird von ihm so manches noch um‐
schlossen,
was durchaus nicht an und
für sich schon Verborgenheit erfor‐
dern würde...
Gemeinsamkeit will manches vor der
Außenwelt
verborgen wissen,
auch
wenn es nicht die Ehe selbst be‐
trifft. ‒
Gemeinsamkeit braucht
unverbrüch‐
liches Vertrauen, und fordert, daß man
jederzeit
vor dem vereinten Men‐
schen stehen könne,
wie vor sich
selbst! ‒ ‒ ‒
Gemeinsamkeit kennt keinen
Spott
und kein
Verhöhnen!
Gemeinsamkeit weiß nichts von liebe‐
leerem, überheblichen
Verlachen!
Gemeinsamkeit ist stets darauf be‐
dacht, daß man sich gegenseitig
schone:
‒ seine Schwächen zu
bedecken suche,
und sich
Hilfe biete!
Ein Leben in
Gemeinsamkeit ist nur
zu führen, wenn beide Ehegatten
wis‐
sen, daß
keiner etwas,
das er vor sich
selbst gesteht, dem anderen
verber‐
gen muß. ‒ ‒ ‒
Nur so kann die
Gemeinsamkeit zu
einer
äußeren Schule innerer Voll‐
endung werden!
Liebe und
Nachsicht werden aber
we‐
nig nur vermögen, solange nicht
die
absolute Sicherheit besteht, daß dieser
Schule Pforte stetig
fest verschlossen
bleibt, und sich
nur beiden Menschen
öffnet,
die in ihr sich gegenseitig
durch ihr Leben zu belehren suchen!
Es muß erst völlig alle Furcht verschwin‐
den, daß eines Tages unbehütet leichte
Rede
Andere von Dingen
hören lassen
könne, die man
in Gemeinsamkeit be‐
schlossen glaubte!
Niemals darf die
Gefahr bestehen, daß
Anderen zu Ohren kommen kann,
was
Ehegatten gegenseitig sich ver‐
trauten!
So manche werdende Gemeinsam‐
keit ist schon durch unbedachte Rede
früh vernichtet worden! ‒ ‒ ‒
Gemeinsamkeit erstreckt sich aber end‐
lich auch auf alles
Ungemach und
Leid,
von dem man seinen anderen Eheteil be‐
troffen findet, auch wenn man selbst
nicht
mitbetroffen ist und auch den
Anlaß
der Bedrückung
nicht in gleicher Weise
wertet, ‒ sei es,
daß man den Um‐
fang seiner Auswirkung nicht kenne,
sei es,
daß man anders ihn empfin‐
den möge.
Hier ist das
Tragenhelfen oftmals
gar‐
nicht möglich, aber
immer wird das
Tragenhelfen-
Wollen möglich sein und
dem von Leid Betroffenen
Erleichte‐
rung gewähren. ‒ ‒ ‒
Man sage sich nicht los von solcher
willigen Bereitschaft, auch wenn man
sicher weiß, daß man nicht helfen
kann,
denn schon der
Wille, Hilfe
darzu‐
bieten, wird dem Anderen Hilfe
bringen
helfen! ‒ ‒ ‒
Auch läßt sich nicht
Gemeinsamkeit er‐
halten, solange
einer beider Eheteile
bitterlich empfindet, wie er mit seiner
Last, ‒ sei sie nun
wirklich, oder nur
in seiner Vorstellung so drückend
schwer ‒
allein zu Berge gehen muß,
und daß der andere Eheteil an solcher
Not kaum Anteil nimmt. ‒
Es ist gewiß nicht mehr als
selbstver‐
ständlich, daß man des Leides Last
ge‐
meinsam trägt,
dort, wo das Schicksal
sie auf
beider Ehegatten Schultern bür‐
det, allein,
sehr oft verkennt auch
tiefste Liebe ihre Pflicht zur Anteil‐
nahme, wenn sie sich
außerstande
sieht, das Leid, dem nur der
Andere
verhaftet ist, in gleicher Weise
mitzu‐
tragen oder auch nur zu
verstehen..
Suchst du das
Glück der Ehe, dann
strebe nach Gemeinsamkeit in
allen Din‐
gen dieses Erdenlebens, die
gemein‐
sam sich erleben lassen, und ziehe
diese Grenze
weiter, als
der erste
Anschein dich bestimmen könnte, sie
zu ziehen! ‒
Es ist für
jeden Teil der Ehe
ratsam,
daß er
auch dort wo ihn des
anderen
Eheteiles Angelegenheiten
nicht von
allem Anbeginn her interessieren,
in sich
Interesse dafür wecke...
Es ist jedoch
nicht minder nötig, daß
man den
anderen Eheteil für die ihm
fremden Angelegenheiten
einzuneh‐
men suche und ihm
den Zugang öffne,
so daß er sie
verstehen lerne...
Doch wisse auch, daß jede Seele ihre
eigenen Bereiche hat, die auch der
aller‐
nächsten anderen Seele sich nicht öffnen
können!
Wisse auch, daß oftmals
Pflicht gebietet,
gewisse Dinge in Verborgenheit zu hal‐
ten, und
ehre dann,
vertrauend, was
deinem Miterleben sich entziehen muß! ‒
Du wirst vertrauen
können, wenn
in
allem,
was Gemeinsamkeit verträgt,
das lauterste Vertrauen zwischen
dir und deinem,
in der Ehe dir ge‐
einten Gegenpole herrscht! ‒ ‒
Hüte dich vor der
Neugier, die so gerne
dich verleiten möchte,
dich in Bereiche
des Erlebens einzudrängen, zu deren
Pforte man den
Schlüssel nicht be‐
sitzt, oder
durch Pflicht gehalten ist,
ihn dir nicht darzureichen! ‒
In einer wahren
Ehe wird auch
dort, wo
sich
das eigene,
gesonderte Erleben
der Gemeinsamkeit
nicht öffnen läßt,
der so Erlebende gewiß den anderen
Teil hinlänglich noch zu
unterrichten
wissen,
von welcher Art das jeder
Mitteilung Entrückte ist, so daß auch
hier
kein Riß durch innigstes Gemein‐
samkeits-Erleben geht...
Wo gegenseitiges
Vertrauen herrscht,
dort wird sich niemals
Argwohn zu er‐
heben suchen, auch wenn nur ganz im
Allgemeinen
angedeutet wird, um was
es sich bei jenen Dingen handelt, die
nicht ausgesprochen werden
können,
oder die durch
Schweigepflicht der
Mitteilung entzogen bleiben müssen, ‒
und wahre
Liebe wird gewiß nicht
wei‐
terforschen wollen, wo sie erfühlt,
daß
ernste Gründe die Verhüllung for‐
dern...
Doch treibe man auch nicht mit Dingen,
die sich nicht in Worte fassen
lassen,
oder die
Verpflichtung ein für allemal
dem Wort verwehrt, unnötige und
künstliche
Geheimniskrämerei, um so
die
Neugier stetig wach zu halten, oder
gar sich selbst mit einem Nimbus des Ge‐
heimnisvollen zu umgeben!
So handelt ärgste
Torheit nur, und sol‐
ches Handeln
straft sich selbst durch
Folgen, die gewiß
sehr weit von seiner
eitlen
Absicht liegen...
Wenn wirkliche
Gemeinsamkeit be‐
stehen und
erhalten werden soll, dann
muß man
ehren, und zuweilen auch
ver‐
ehren können, was der Andere ‒ auch
wenn er gerne davon reden würde, so
er könnte ‒
verborgen halten
muß!
‒ ‒ ‒
Dann aber läßt man sich an dem
ge‐
nügen, was man sich gegenseitig offen‐
baren
kann, und wahrlich:
es wird mehr
sein als genug um einer
Ehe auch im
innersten Erleben beider Teile die
Ge‐
meinsamkeit zu sichern, die sie braucht,
da ohnehin noch
keine Seele hier auf
Erden restlos alles
auszusprechen
wußte, was in ihr
Erlebnis war! ‒ ‒ ‒
* *
*
ES gab noch niemals eine
Ehe, die –
allzeit jedem Leid entrückt –
nur
Freuden kannte.
Leid und Freude mischen dieses Er‐
denlebens ‒ nicht jedem bekömmlichen
‒ Trank, und doch ist es
an uns: die
Art der Mischung zu bestimmen, auch
wenn wir leider nicht verhindern können,
daß sich nun einmal
Leid mit Freuden
mischen
muß!
Besonders aber in der
Ehe wird es
tief
bedeutsam sein, wie weit sich
unsere
Kraft bewährt, das
Leid zu
mindern
und die
Freude zu
vermehren...
Gewiß bleibt Leid stets
Leid, auch wenn
so manches Wort uns trösten möchte,
als könne
Leid sich selbst in
Freude
wandeln.
Hier weiß das Wort der Rede nur von
Aufeinanderfolge: ‒ von Leid-
Ver‐
drängung durch
der Freude Wieder‐
kehr!
Allein, wir haben
Macht, der Freude
Wiederkehr zu
fördern, ‒ wir haben
Macht, der Erde Freuden zu
vermeh‐
ren!
Es ist gewiß nicht nötig, daß man einen
Menschen etwa lehre,
Leid zu schaffen,
‒ und auch wenn
nie ein Mensch dem
anderen
Leid bereitet hätte, wäre
wahrlich
Leid genug auf Erden anzu‐
treffen, denn alles,
was in dieser
Außen‐
Welt:
Erscheinung bildet, hat
Da-
Sein
nur durch
Leid: ‒ vermag sich nur im
Da-Sein zu
erhalten, indem es seinet‐
wegen
Anderes leiden läßt...
Nur dort, wo Güte: ‒
träumendes
Verlangen, Mitleid: ‒
Wahnwitz
zeugte, kann sich des Erdenmenschen
Denken so
ver-
messen, daß es die
Weise findbar glaubt, das
Leid aus
dieser
Außen-Welt, ‒ in der es Folge
ihrer Raum
verdrängenden und Eigen‐
Raum
verschließenden Struktur ist, ‒
zu verbannen. ‒ ‒
Wo immer
Außen-Welt den
an sich
homogenen Raum
zerstückelt, dort
ist
Leid, ‒ und Menschenmacht ver‐
möchte
dann nur dieses Leid zu
tilgen,
wenn sie imstande wäre, alle „
Außen”‐
Welt für immer zu
vernichten, womit
jedoch
zugleich auch alle „
Innen”‐
Welt Vernichtung fände...
Ist aber diese
äußerste der „Außen”‐
Welten, die wir, in tierverhafteter Ge‐
staltung, durch den
Tier-Sinn wahrzu‐
nehmen uns gezwungen fühlen, auch
erfüllt von
Leid, und sind auch weite
unsichtbare Reiche dieser „
Außen”‐
Welt noch ganz in gleicher Weise ‒
manche sogar
mehr ‒ dem
Leide aus‐
geliefert, da auch
dort noch alles
Da‐
Sein nur besteht in Raum-
Verdrän‐
gung und in Eigen-Raum-
Verschlie‐
ßung, so stehen doch dem gegenüber
unzählbare „
Innen”-Welten, in denen
alles
Sein, ‒ dem
homogenen Raume
keineswegs etwa
entrückt, ‒ sich
gegenseitig
öffnet und
durchdringt,
so daß hier jede
Möglichkeit des Lei‐
den-
Könnens völlig
fehlt. ‒ ‒ ‒
Nie aber läßt sich eine Welt vom Leid
befreien, die nur
bestehen kann durch
Leid, ‒ und alles Mühen Einzelner,
durch Da-Seins-
Unterdrückung und
Verzichtleistung auf Da-Sein, dieser
Erde
Leid zu
mindern, bleibt
ergeb‐
nislos: ist nur des
Mit-
Leids tröstende
Betäubung...
In diesem Erdenleben ist des Menschen
ganze Macht darauf allein beschränkt,
daß er zwar dieser Erde
Leid ins
Un‐
gemessene und
niemals Nötige zu
steigern fähig ist, ‒ doch
ebenso ver‐
mag, das Leid
zurückzudrängen in die
urgegebenen Bereiche, aus denen es nicht
lösbar werden
kann, wenn diese „
Au‐
ßen”-Welt ‒ und mit ihr jede „
Innen”‐
Welt ‒ bestehen bleiben soll, und wahr‐
lich „
sollen” sie bestehen! ‒ ‒ ‒
Es kann sich
jeder Mensch von vielem
Leid
befreien, das er in törichter Ver‐
blendung
selbst sich schuf, ‒ und
vieles Leid kann er
vermeiden, macht
er nur Gebrauch von seiner Kraft!
In
gleicher Weise aber hat er
Macht,
gar manches
Leid von seinen
Neben‐
menschen abzuwenden!
Wo immer Menschen sich begegnen
mögen, dort wird es ihnen
Pflicht, ihr
eigenes wie des
Nebenmenschen
Leid zu mindern! ‒ ‒
Wenn aber Menschen, die sich nie im
Leben sahen, niemals wiedersehen wer‐
den, hier ein
Pflichtgebot erkennen
müssen, so gilt es
heiliger und
bin‐
dender fürwahr noch für die
innigste
Vereinung zweier Menschen, die in der
Ehe eine neue
Lebenseinheit bilden,
um sich gegenseitig durch
Er-
gänzung
zu vollenden! ‒ ‒ ‒
Und wo ist
leichter Leid von seinem
Nebenmenschen
abzuwenden, als hier,
wo Weib und Mann in einem Leben der
Gemeinsamkeit von allen Leidgefahren
wissen, die ihnen
gegenseitig und
ge‐
meinsam drohen können!? ‒ ‒
Die Ehe kann
ein Born der Freude
sein, ‒ man kann sie aber auch
zu
einem Pfuhl des Leides wandeln!
Wer nicht des
anderen Eheteiles
Glück
in seiner
Ehe als sein höchstes Ziel er‐
strebt, der wird gar leicht sich um sein
eigenes Glück
betrügen, ohne es zu
ahnen! ‒ ‒
Wer aber wirklich
in der Liebe ist, der
wird weit eher
selber leiden wollen,
als daß er
je den anderen Eheteil im
Leide sehen könnte. ‒ ‒ ‒
Es wird ihm nichts beschwerlich fallen,
wenn er weiß, daß er des
anderen Tei‐
les
Leid dadurch
vermindern kann...
Nun aber
ist es keineswegs damit
getan, daß man sich nur darauf be‐
schränke,
allem Leid zu wehren, dem
man
wehren kann! ‒
Erst dort ist höchste, schönste Menschen‐
pflicht
erfüllt, wo man das
Leid des
Anderen durch
Freude, die man in sein
Leben bringt, verdrängt!
Wo aber läßt sich
schöner noch, als in
der
Ehe, solche Liebespflicht erfüllen?! ‒
Es sind im Leben einer Ehe
viele Dinge
aufzufinden, die der
Freude Anlaß wer‐
den können, sich zu äußern und ein
großes
Leid im Keime zu
ersticken...
Doch ist es hier vonnöten, daß man zu
erfühlen suche,
was der Andere
er‐
sehnt: was
er als Freude zu
empfin‐
den weiß, denn allzuleicht kann hier
auch
bester Wille irren, wenn er dazu
verleitet, nur das
eigene Empfinden und
Ersehnen als das allgerechte Maß der
Dinge anzusehen. ‒ ‒
Was
dir gewißlich
höchste Freude
wäre, kann deinem Gegenpole
kaum
beachtsam scheinen, und
seine Freude
mag vielleicht
nur dort erstehen, wo
dein Empfinden völlig
unberührt ge‐
blieben wäre...
Wie aber dem auch sei, und wie gar sehr
du auch „
daneben greifen” magst, so
darfst du doch in
keinem Falle eine
„
Kränkung” darin sehen, daß dein Be‐
streben nicht zum Ziele führte, weil deine
liebevoll erdachte
Freude für den An‐
deren
nicht als solche
aufgenommen
wurde! ‒ ‒
Soll dir
Erfahrung wirklich
Nutzen
bringen, dann wirst du mit dir selbst zu
Rate gehen müssen, um am Ende zu er‐
kennen, daß du verabsäumt hattest, dich
in
anderes Empfinden
einzufühlen,
denn wenn auch
innigste Gemein‐
samkeit euch beide eint, so bleibt doch
jeder von euch beiden noch in seinem,
ihm nur eigenen Empfindungs-Leben,
und dessen Ablaufsrhythmus wird be‐
stimmen, was er, im jeweils sich erge‐
benden Moment,
als Freude werten
kann...
Suche also nicht
dich selbst, in deinem
Willen,
Freude für den Anderen zu
bereiten! ‒
Wer
sich stets
Freude schaffen will, der
suche stetig
seine Freude
darin: Ande‐
ren
auf ihre Weise Freude zu bereiten!
‒ ‒ ‒
Vergeblich aber wirst du
Freude
spenden wollen, solange du noch
Zweifel hegst an deiner
Kraft, die
Freude zu
erzeugen! ‒
Nie darfst du etwa glauben, daß dir
nicht gelingen könne, was dir, aus
irgend einem Grunde, leider
oftmals
nicht gelang!
Du mußt
dich selber aber erst zur Freude
„
stimmen”, bevor du dem mit dir ver‐
einten Menschen Freude
bringen willst!
‒ ‒
Nur, wer im Überflusse „
hat”, kann
Freude
überfließen lassen
in den An‐
deren! ‒
So suche denn vor allem eine Quelle
steter Freude
in dir selber zu erschür‐
fen, so daß du
unabhängig wirst von
allem äußeren Geschehen, und nicht der
Freude
Anlaß erst von außenher
er‐
warten mußt,
auch wenn du solchen
Anlaß, wo er sich auch immer
bieten
mag, stets
nützen sollst! ‒
Du wirst jedoch am besten
jene Freude
übertragen können, für die du
keinen
Grund im Außenleben anzugeben weißt!
Durch
solche Freude wirst du
mehr be‐
glücken können als durch jede
andere
Art der Freude, die
von außenher ver‐
anlaßt wird! ‒ ‒ ‒
Vergesse aber trotzdem auch die
klei‐
nen Freuden nicht, zu denen
jeder Tag
dir ja so manchen
Wink und
Hinweis
bringt!
Achte nichts als
zu gering, wenn es dir
dazu dienen kann, auch nur die
aller‐
kleinste Freude zu bereiten! ‒ ‒
Oftmals gebar die kleinste Freude
schon ein großes,
lang ersehntes
Glück! ‒ ‒ ‒
Im Leben einer
Ehe gibt es täglich „tau‐
send” Möglichkeiten,
kleine Freuden
zu
er-
finden, die gegenseitige
Be‐
glückung bringen, und sei es auch für
kurze Augenblicke nur...
An
keiner solchen Möglichkeit darf man
vorübergehen,
ohne sie zu nützen! ‒ ‒
Wo immer du das
Glück in einer Ehe
dauernd heimisch weißt, dort wirst du
auch bemerken, daß man sehr erfinde‐
risch die
kleinen Freuden zu gestalten
sucht, zu denen jede Stunde neuen An‐
laß bringt...
Der gute Gärtner wird in seinem Blüten‐
garten auch die
allerkleinsten Blüm‐
lein niemals
übersehen, mögen sie auch
recht bescheiden scheinen, neben jenen
hochgestielten Farbenwundern, deren
Beet sie rings umfassen.
So aber ist auch in der
Ehe: selbst der
kleinste Freuden-Anlaß
nicht bedeu‐
tungslos, und darf nicht
übersehen
werden, will man des ehelichen Blüten‐
gartens schönste
Harmonie gestalten!
‒ ‒ ‒
Ist aber
Ehe einer Zweiheit wahre
Ei‐
nung, und muß
Leid ertragen werden
im Verlauf des Lebens, das oft nur in
Vereinung zweier Willen noch ertrag‐
bar ist, ‒ so bleibt auch
Freude zu er‐
streben, wie sie die Zweiheit
dann nur
schaffen kann, wenn sie
Verschmelzung
fand in
neuer Lebenseinheit. ‒ ‒
Hier ist dann
jeder Teil der
Schen‐
kende und der
Beschenkte, und beide
nur
gemeinsam sind imstande,
diese
Freude, die der
Einheit Farbe trägt, zu
mehren!...
Nur wo der
Wille beider Teile völlig
sich
geeinigt findet, ist solcherart dem
Leide zu begegnen, und kann in gleicher
Weise höchste
Freude aus der Einung
sprießen! ‒
Die Ehe, die hier
weiß um ihre Macht,
und sie
gebraucht, wird
nie im Leide
Schaden nehmen können, und
nie an
Freude Mangel leiden! ‒ ‒ ‒
Sie kennt die Kunst, das
Leid in seine
engste Grenze einzubannen!
Sie weiß von einer
Freude, die auch
alles
Leid nicht mehr
verdunkeln kann!
Und solche
Freude, solche
Kraft der
Leidverdrängung wird aus dieser
Ehe
auch auf alle
anderen Menschen über‐
strahlen, die mit den Ehegatten in Be‐
rührung kommen...
So wird dann diese Ehe
segensreiche
Wirkung schaffen,
weit über ihren
eigenen Bereich hinaus, und wahrlich
unvergleichlich
mehr an Gutem för‐
dern als so mancher andere Ehebund,
in dem die beiden Ehegatten längst
ver‐
lernten, sich noch
gegenseitig Freude
zu bereiten, und von der Freude, die
aus
ihrer Einung kommen könnte,
keine
Ahnung haben, ‒ weil sie vor lauter
Sorge,
anderen Menschen
in geschäf‐
tiger Betätigung zu
helfen, nicht mehr
die
erste Pflicht erkennen,
ihre eigene
Ehe erst harmonisch zu gestalten.
‒ ‒ ‒
Im stärksten
Gegensatz zu einer sol‐
chen
irrig überwerteten Geschäftig‐
keit, die ihre Pflicht zur „
Nächsten‐
liebe” bei den
Allerfernsten erst be‐
ginnen fühlt, und
Andere beglücken
will, derweil sie
alles Glück aus ihrem
eigenen Hause scheucht, ‒ wird eine
Ehe, die das Glück der Einheit
in der
Freude aus der Einung kennt, kaum
wissen, daß sie
Anderen hilft, indem
sie, nur
in ihrem eigenen Bereich,
das
Leid der Erde mindert, und das den‐
noch
unvermeidbar bleibende
durch
Freude zu verdrängen sucht. ‒ ‒ ‒
Solche Ehe aber ist ein wahres
Heilig‐
tum der Freude, aus dem noch fernsten,
kommenden Geschlechtern
Segen strö‐
men wird! ‒ ‒ ‒
Ein Heiligtum der
Freude in der Welt
des
Leides aber sollte
jede Ehe hier
auf Erden sein, und eine
jede Ehe
kann
zu solcher Höhe sich erheben, so es nur
nicht am
Willen beider Eheteile fehlt,
die reine, hehre Freude zu gestalten, die
nur in der geeinten Zweisamkeit der
Ehe sich gestalten
läßt! ‒ ‒
Soll diese Erdenmenschheit einst zu der
Vollendung kommen, die ihr auch hier:
in dieser „
Außen”-Welt schon werden
kann, ‒ dann wird allein die wahre
Ehe
dieses Wunder wirken müssen: ‒
die
Ehe,
die sich selbst in Freude zu
vollenden weiß! ‒ ‒ ‒
Damit sie es auch wirken
könne, muß
sie
vertausendfacht erstehen,
wis‐
send um die hohe Macht, der Erde
Leid
zu
bannen und der Erde reinste
Freu‐
den zu
vermehren! ‒ ‒ ‒
* *
*
WO
Liebe eine
Ehe schuf, dort ist
die
Einheit beider Eheteile so
gegründet und
umhegt, daß
selten
nur von außenher noch
Störung gegen‐
seitigen Empfindens kommen kann...
Und doch bleibt
keine Ehe
so geschützt,
daß ihr
Versuchung nicht zu nahen
wüßte!
Stets aber wird es sich beim Nahen der
Versuchung
zeigen, ob eine Ehe
wirk‐
lich in der echten
Liebe wurzelt, oder
ob nur
Neigung Mann und Weib zu‐
sammenführte, ‒
Neigung, die auf bei‐
den Seiten auch sehr leicht durch
andere
Neigung wieder zu
verdrängen ist...
Wo eine Ehe wurzelfest in echter
Liebe
gründet, dort wird auch
heftigste Ver‐
suchung ihr nicht
Schaden bringen
können!
Selbst wenn Versuchung nur durch
schweren
Kampf sich noch besiegen
läßt, wird doch zuletzt die
Liebe Sieg
erringen, denn alle Kräfte der Versu‐
chung sind nicht fähig, weiter
Wider‐
stand zu leisten, sobald sich echte
Liebe
ihrer
Kraft bewußt wird, und aus dieser
Kraft heraus
bekämpft, was sie be‐
drohen will! ‒ ‒
Trotz allem aber sollst du
wachsam
sein, und nicht erst warten, bis Versu‐
chung so
erstarkt, daß sie
nur noch
durch schweren Kampf besiegbar ist!
Du kannst dich selbst zu solcher Wach‐
samkeit
erziehen, so wie du dich auch
leichten Sinnes der Versuchung
über‐
lassen kannst, bis sie dich
hart be‐
drängt und
starke Gegenwehr er‐
fordert. ‒ ‒
Versuchung kann dir
allerorten nahen,
auch wenn du sie gewiß
nicht suchst,
ja
dann auch, wenn du sorglichst deine
Wege wählst, um ihr nur ja nicht zu be‐
gegnen, da sie deine
Furcht erregt. ‒
Versuchung aber ist
noch keine
„
Schuld”!
Erst, wenn du anfängst,
ihr Gehör zu
schenken, ‒ sie dir
zu nahe kommen
läßt, ‒ sie
hegst und
mit ihr spielst,
‒ wirst du dich wahrlich
nicht mehr
schuldfrei wähnen dürfen! ‒ ‒
Auch wenn du noch zu gutem Ende
Sieger bleibst, hast du dich doch mit
schwerer Schuld beladen, und wirst
nunmehr nicht ruhen dürfen, bis alle
Folge dieser Schuld aus deinem Leben
schwindet! ‒ ‒ ‒
Vielleicht wirst du dir selbst gestehen
müssen, daß du gar oft
nicht wachsam
warst, wo
Wachsamkeit von dir
ge‐
fordert werden konnte? ‒
Vergeblich wäre es, wenn du dich nun
in
Selbstqual winden wolltest!
Du wirst nun jetzt mit allen
Selbstvor‐
würfen nichts mehr
ungeschehen ma‐
chen können, und deines Fehlers
Spu‐
ren kannst du nur aus deinem Leben
tilgen, wenn du dafür sorgst, daß alles
Übel, das aus ihm entstand und noch
entstehen könnte,
an seiner Auswir‐
kung verhindert wird. ‒ ‒
Aus jeglicher
Erfahrung sollst du
Lehre
ziehen, und so wird dich dein
Strau‐
cheln lehren können, wie du durch
Wachsamkeit dich künftig
frei von
Schuld erhalten kannst, auch wenn du
nicht imstande sein wirst, der
Versu‐
chung immer auszuweichen...
Die leiseste Empfindung mußt du
kontrollieren lernen, mußt sie
wägen,
und
im selben Augenblicke von dir
weisen, in dem du fühlst, daß sich in
ihr bereits
Versuchung zu verbergen
trachtet!
Erkennst du so das Feindliche
so‐
gleich,
wenn es sich naht, dann wird
es immer
leicht sein, es zu
überwin‐
den, und niemals wirst du wirklich ‒
in des Wortes letztlicher Bedeutung ‒
„in Versuchung
fallen”! ‒ ‒ ‒
Nur, wenn du
Wohlgefallen an der
ersten Regung der Versuchung findest,
wird
Versuchung dir zur
Schuld!
Es kann dir großer
Kraftzuwachs aus
der Versuchung kommen, wenn du stets
wachsam bleibst und sie in jeglicher
Verkleidung zu
erkennen suchst, um ihr
den Zugang in dein Inneres zu wehren.
‒ Ein jeder Mensch hat irgendeine
„
schwache Seite”, und stets wird die
Versuchung
seine Schwäche auszu‐
spüren wissen. ‒
Begegnest du jedoch
dem ersten Na‐
hen schon mit
Abwehr, und mit einem
„
Nein”, das kein
Paktieren kennt, dann
wirst du immer mehr, ‒ gerade dort, wo
Stärkung dir
vonnöten ist, ‒
erstar‐
ken! ‒ ‒
Du wirst durch deine
Wachsamkeit dich
gänzlich
wandeln, so daß dir jegliche
Versuchung
ungefährlich wird, weil
Abwehr dir
Gewohnheit wurde, und
die Versuchung dann
vergeblich eine
unbewachte Pforte sucht, durch die sie
Einlaß zu dir finden könnte!...
Dann aber erst bist du
geborgen, und
dann erst darf man dir
Vertrauen
schenken!
Dann erst wird deine
Ehe so
behütet
sein, daß sie dir alles geben
kann, was
sie,
in unerschöpflich reicher Fülle,
Mann und Weib, die
wert sind, ihr My‐
sterium zu
erleben, stetig neu zu geben
hat! ‒ ‒ ‒
Du trägst nicht nur
für dich allein die
heiligste
Verantwortung, sobald du
dich dem Anderen verpflichtet hast, mit
ihm die Geisteseinheit einer
Ehe aufzu‐
richten!
Die
Ehe ist auch nicht nur: ‒ „
mensch‐
licher Vertrag”, obwohl der
andere
Eheteil ein
un-
bedingtes Recht an dich
erlangte, und du ihm
dann selbst noch
die „
Treue” schuldest,
wenn er be‐
trügerisch sie bricht. ‒ ‒ ‒
Ein jegliches Gelöbnis zwischen Mann
und Weib, in dem sich beide Teile
ehe‐
liche Einung dargeloben, stellt vielmehr
ein kosmisches Geschehen dar, und
bindet nicht nur
beide Ehegatten, ‒
bindet nicht nur
aller Menschheit ge‐
genüber, sondern reicht mit seinem
„
Jawort” auch hinein
in höchste Gei‐
steswelt! ‒ ‒ ‒
Es
wird nur
lösbar, wenn der „
Tod”
die beiden Eheteile scheidet, oder, wenn
‒
durch triftigste und schwerste
Gründe ‒ beide Teile sich gezwungen
sehen, sich gegenseitig voneinander zu
befreien, indem sie, ‒
ebenso gemein‐
sam,
wie es einst geschlossen wur‐
de, ‒ ihr
Gelöbnis vor einander,
vor aller Menschheit, wie auch
vor
dem wesenhaften Geiste wider‐
rufen, ‒ es sei denn, daß der
eine Teil,
auch
ohne solchen Widerruf,
den an‐
deren verlasse, oder
sonstwie ihm
unmöglich mache, das Gelöbnis
auf‐
rechtzuerhalten...
Solange also dein Gelöbnis noch
zu
Recht besteht, bist du
in dreifacher
Verpflichtung, aus der
kein „
Gott”
dich zu befreien wüßte! ‒ ‒
Es wird
Verantwortung von dir ge‐
fordert werden, auch wenn du während
dieser kurzen Spanne Zeit, ‒ die auch
das
längste Erdenleben darstellt vor
der
Ewigkeit, ‒ dich jeglicher Verant‐
wortung
entzogen wähnst! ‒ ‒ ‒
Daß
Andere Versuchung
suchen und
ihr keinen Widerstand entgegensetzen,
kann niemals
dich von
deiner Schuld
entlasten!
In deiner Ehe bleibst du
für dich selbst
verantwortlich, und
Niemand kann dir
helfen die Verantwortung
zu tragen,
‒
Niemand kann sie von dir neh‐
men, ‒ wenn man dich hier auf Erden
auch
entschuldbar finden mag!
Auch
vor dem Angesicht der Ewig‐
keit magst du vielleicht „
entschuld‐
bar” sein,
und doch bleibst du verhaftet
der
Verantwortung, so daß du
alle
Folge deiner selbstgeschaffenen Im‐
pulse tragen mußt, bis auch der letzte
seine
Auswirkung erreichte in der
Kette des Geschehens! ‒ ‒ ‒
Einst lehrte Einer, der dies wahrlich
aus dem Geiste lehren durfte, daß da
ein Jeglicher schon
Ehebruch begehe,
der durch den Anblick eines Weibes sich
verführen lasse, es auch leiblich zu
be‐
gehren.
Man hat an diesem Wort vielfach sehr
wenig Wohlgefallen, und suchte es zu
drehen und zu deuteln, da es so manchen
nicht behagen will. ‒
Ich aber muß
dir sagen, daß auch schon
jedes Hegen und
geflissentliche
Steigern der naturbedingten
Schwingung der Erotik zwischen
Mann und Weib, ‒ sobald es einem
anderen Menschen, als dem
eigenen
Ehegatten gilt, ‒ die Ehe
schändet,
auch wenn sich solche Steigerung noch
keineswegs dem leiblichen
Begehren
nähert, und somit noch
nicht zum
Ehe‐
bruch im Unsichtbaren führt! ‒ ‒ ‒
Selbst wenn du durch ein
Abbild dich
verleiten läßt,
geschlechtsbewußte
Regung zu empfinden und dich ihr
zu überlassen, ‒
schändest du die
Ehe! ‒ ‒ ‒
Du mußt dich selbst dazu erziehen,
Schönheit auch am anderen Ge‐
schlecht bewundernd zu betrachten,
ohne auch die leiseste Erregung der
Erotik ins Bewußtsein einzulassen!
Jeder wahre
Künstler, dem die mensch‐
liche Gestalt zum Vorbild seiner Schöp‐
fung wird, muß
solcherart sein Vor‐
bild sehen lernen und kann dir sagen,
daß in seinem,
von Erotik völlig los‐
gelösten Schauen,
wundersame see‐
lische Beglückung möglich ist, die
jedem sich versagt,
der hier ge‐
schlechtsbewußte Regung hegt,
und
niemals dem Begehrenden erreich‐
bar wird...
Daß du auch Künstler finden kannst, die
selbst ihr Können noch zum Makler
der Begehrlichkeit erniedrigen, kann
dir nur zeigen, daß auch
Künstlertum
nicht
schützt vor
niedriger Verskla‐
vung an die Tiernatur, wenn sich der
Mensch nicht selbst aus solcher Skla‐
verei befreien
will. ‒ ‒ ‒ ‒
Du kannst
nicht streng genug dich
selber
kontrollieren, willst du dich
lösen aus der
Hörigkeit, und dein
Geschlechtliches
beherrschen lernen!
‒ ‒ ‒
Jede dich umschleichende Empfindung,
die vor
allerstrengster Prüfung
nicht
bestehen kann, mußt du entweder
von
dir weisen, oder aber sie in Bahnen
zwingen, die sie völlig der Geschlecht‐
lichkeit
entziehen!
Laß' dich nicht irreführen durch die laxe
Art, in der man meistens diesen Dingen
gegenübersteht und sie als leichthin läß‐
lich „
Menschliches” betrachtet, ohne
sich der
Schmach bewußt zu werden,
die man
schon durch das Wort allein
auf seinen
Menschennamen wirft! ‒ ‒
Wo immer du es
nicht vermagst, die
Anderen aus ihrer Tiergebundenheit in‐
soweit loszulösen, daß
sie selbst zu
Willen kommen um sich
völlig ihr
dann
zu entwinden, dort sollst du
Nach‐
sicht üben, bis auch einst noch
ihre
Stunde schlagen wird!
Wo sie jedoch
dich selbst behindern
wollen, deine
Freiheit zu erringen,
dort ist
Abkehr heilig-hohe
Pflicht!
‒ ‒ ‒
Ich lehre nicht, daß man Versuchung
immer
meiden könne, sondern zeige,
wie man ihrer sich
erwehren kann!
Auch wenn du aus der Welt
entfliehen
wolltest, würde dich Versuchung
noch
in deiner fernsten Einsamkeit zu
finden wissen...
Du mußt dich so erziehen, daß du ihr
allerorten und zu jeder Zeit begeg‐
nen kannst, ‒ des
Sieges schon im
voraus
sicher, ‒ nicht mehr
erregbar,
mag sie auch mit allen Künsten locken:
‒
gelassen in der Abwehr,
und be‐
stimmten Willens!
Dann wirst du nicht nur deine
Ehe heilig
halten und vor jeglicher
Beschmutzung
wahren, sondern dir und dem mit dir
vereinten Menschen auch
gar vieles
Leid ersparen, selbst wenn es nur das
Leid
vorübergehender Betrübung
wäre, was der nächste Tag schon wieder
wenden könnte. ‒ ‒ ‒
Noch
andere Gefahr jedoch, ‒ kaum
minder groß als die
Versuchung, die
von außenher zu kommen
scheint, da
du im Äußeren den
Anlaß ihrer Aus‐
lösung gewahrst, ‒ kann aus Empfin‐
dungstiefen her der Ehe
Glück bedrohen.
Auch hier ist
Warnung nötig, und auch
hier ist vieles Unheil leicht noch
abzu‐
wehren, wird
sogleich erkannt, daß
Pflicht besteht,
Gefahr zu bannen...
Es gibt in jedem Menschen dieser Erde
einen inneren Bereich, den er
kaum sel‐
ber kennt, und den er noch viel weniger
vor irgend einem Nebenmenschen
völlig
offenbaren kann, ‒ nicht, weil hier
Heimliches verschwiegen werden
müßte, oder
zu Erhabenes sich nicht
in Worte fassen ließe, ‒ sondern:
weil der Mensch hier selbst zu we‐
nig von sich selber weiß...
Nun kann es kommen, daß die Einung
zweier Menschen in der
Ehe sie
ver‐
leitet, auch noch dort nach gegenseitiger
Entschleierung zu streben, wo unab‐
weisliches Gebot:
Verhüllung heischt,
‒ und daß sie dann urplötzlich in Ent‐
setzen sich vor einer gegenseitigen
Ent‐
täuschung sehen, die sie selbst herauf‐
beschworen haben, und der nur
selbst‐
geschaffene Phantome, die das Eigen‐
bild in wahrheitswidriger
Verzerrung
zeigen,
mehr als fragliche Gewähr
verleihen. ‒ ‒
Man glaubt, man müsse sich einander
bis ins Innerste enthüllen, und
schreckt alsdann zurück, wenn man sich
endlich
seelisch nackt zu sehen meint,
‒ nicht ahnend, daß man vor einander
gegenseitig nur
Popanze schuf und
ihnen nun
mehr glaubt als aller Wirk‐
lichkeit. ‒
Zwei Menschen, die sich stets im Aller‐
tiefsten nur als
Eines fühlten, werden
sich nun
fremd, weil sie in
Worten wahr
sein wollten, dort, wo Worte nie die
Wahrheit
wissen können...
Ein äußeres Geschehen, ein Begegnen,
oder sonst ein Anlaß, der von außen
kam, läßt unversehens
Zweifel keimen:
ob man sich noch ganz „
gehöre”, und
allsobald
mißtraut man aller Sicher‐
heit des Fühlens, um in sich zu wühlen
und zu bohren, bis man sich endlich nun
in Herz und Nieren
aufgefunden wähnt.
Lebendigen Leibes hat man sich
seziert,
und da man sich auf diese Weise nie‐
mals finden
konnte, formte man aus
eigenen Eingeweiden
das Phantom, in
dem man so recht eigentlich
sich selbst
zu
haben meint. ‒
So
zeigt man nun einander diese Aus‐
geburt des Wahns, und, schreckerfüllt,
fühlt man sich von dem Anblick
abge‐
stoßen. ‒ ‒
Gar arges
Unheil ist auf solche Art aus
reiner
Torheit nur geschaffen worden,
und manche
Ehe, die vor Gott
bestehen
bleiben sollte, wurde so
zerstört durch
einen
Wahrheitswillen, der zum
Irr‐
tum führen
mußte, da er
den Worten
mehr vertraute, als der inneren
Ge‐
wißheit fühlenden Erlebens, in der
allein die
Wahrheit für ihn
auffind‐
bar gewesen wäre...
Es ist jedoch nicht nur
nicht nötig, daß
man alles voreinander auszukramen
suche, was dort, wo man sich selbst kaum
kennt,
als dunkle Regung das Ge‐
fühl beirren will: ‒ es ist vielmehr in
jedem Fall
verderblich, diese Dinge,
die im Lichte eigenen Bewußtseins noch
molluskenhafte Formen zeigen, und
bald hell, bald dunkel,
in der wider‐
streitendsten Verfärbung schillern,
geflissentlich
hervorzuzerren, um sie
in die Form bestimmter
Worte einzu‐
pressen! ‒ ‒
Schnell ist ein Wort
gesprochen, dessen
Folgen selbst in einem langen Menschen‐
leben
nicht mehr auszumerzen sind!
Bei solchen
dunklen Regungen jedoch,
die keine klarbestimmten Formen zeigen
können, wird außerdem das
Wort stets
fälschen, wird
vergröbern und
ver‐
stärken müssen, soll es das noch
Un‐
sagbare,
Ungeformte formen und zu
sagen suchen...
Es werden Worte dann gesprochen, vor
denen man
erschrickt, noch während
sie die Zunge schrill hervorzustoßen sich
gezwungen fühlt, als hetzten sie Dä‐
monen...
Im nächsten Augenblicke möchte man
das so Gesagte auch schon
widerrufen,
hätte man nicht,
ungewollt, schon wie‐
der
weit verletzenderes Wort auf
seinen Lippen...
Worte die man gar nicht sagen
wollte, tauchen aus Tiefen auf,
um die
man niemals wußte, und diese Worte
haben
überzeugende Gewalt, für
uns, wie für
den Andern, obwohl sie
alles Andere eher, nur nicht der
Wahr‐
heit Zeugnis sind...
Wurden sie jedoch nun einmal
ausge‐
sprochen, so holt sie keine Macht der
Erde wieder
in das Unerkennbare zu‐
rück, und selbst dem späteren, ernsten
Widerruf wird man nur
zögernd
schwachen Glauben schenken können.
‒ ‒
Und doch hat man sich gegenseitig nur
aus einem tollen Wahn heraus
belo‐
gen, ‒ derweil man sich nun endlich,
‒ so als ob es
nie geschehen wäre, ‒
„
die Wahrheit” sagen wollte! ‒ ‒
Besonders dann, wenn gar noch
Zorn
und
Heftigkeit den Worten
Wirkungs‐
kraft zu sichern suchten! ‒ ‒ ‒
Bei ruhigem Betrachten wird man
bald bemerken, wie der
Schein der
Wahrheit solchen Worten
schwindet,
‒ ja, oft wird man entdecken, daß nur
das Gegenteil von dem,
was man in
seinem Wahn als „
wahr”
empfun‐
den hatte, der Wahrheit
unverfälschte
Darstellung geschaffen hätte...
Nun aber kommt Erkenntnis leider
viel
zu spät, und
Reue wird jetzt
wenig
ändern können. ‒ ‒
Will man das
Unheil, das sich aus zu
früh geborenen Worten immer neue
Nahrung saugt, dann
wieder aus der
Welt zu schaffen suchen, so hat man
wahrlich seine bittere Not, ‒ und
schafft
man es auch endlich fort, so wird es
doch
noch immer
Spuren hinterlassen, die
niemals gänzlich zu verwischen
sind. ‒ ‒
Unendlich leichter aber wäre es ge‐
wesen,
sich die Rede vorher zu ver‐
wehren, und Dinge, die
kein Recht be‐
saßen,
Wort zu werden,
niemals aus‐
zusprechen! ‒ ‒ ‒
Was sich in jenem inneren Bereich, in
dem der Mensch sich selber
fremd
bleibt,
zu verbergen trachtet, das hat
guten Grund, Verborgenheit zu for‐
dern, und niemals soll man es gewalt‐
sam
in das grelle Licht des Tages
zwingen wollen!
Was
Ruhe braucht, wird man am besten
stets in seiner Ruhe lassen, damit es
nicht in wilder Wut
zerstöre, was es
auferbauen soll! ‒ ‒
Auch in dem Streben,
seine eigene
Tiefe zu ergründen muß man sich
be‐
meistern lernen, damit man nicht ver‐
sucht wird, Tiefen auszuloten, die
grund‐
los sind, ‒ und
dort das Leben störe,
wo es erst nach Formung drängt,
die nur
in steter Ruhe sich gestalten
kann...
Dann aber wird sich
jede dunkle Re‐
gung innerer Beirrung als ein
Durch‐
gangsstadium völlig andersartiger
Empfindungsbildung zeigen, ‒ denn
stets, wenn sich Empfindung
feste Form
erschaffen will, bedarf sie eines
Gegen‐
satzes, den sie
sich selber setzen
muß, um ihn zu
überwinden! ‒ ‒ ‒
Zwei Menschen, die in ihrer Ehe
ihrer
Liebe sicher sind, und
doch sich täglich
neu
erproben wollen, um sich auch
in
Worten ihre Liebe zu „
beweisen”,
begeben sich nur in
Gefahr, das
Glück,
das sie sich schaffen sollen, zu
zerstö‐
ren, noch bevor es sich aus seinen Fun‐
damenten frei erheben kann! ‒
Was dir dein innerstes
Gefühl beweist,
dem sollst du nicht noch
Wortbeweis
zur Seite stellen wollen!
Auch dann nicht, wenn dich eine dunkle
Regung unklar wogenden Empfindungs‐
webens
in dir selbst beirrt, so daß,
was vorher im Gefühl
gesichert war,
dir nun zur
Frage wird! ‒ ‒
Warte gelassen in dir selber Ant‐
wort ab, und übe
Schweigen, bis du
sie
erhalten hast!
Im
Schweigen wirst du alle Störung
deines Fühlens
sicher meistern!
Im
Schweigen wird dir
deine Ruhe
wiederkehren, und bald wirst du erneut
auch wieder
deines Fühlens sicher
sein!
Dann aber wirst du dich
vor jedem
Wort entsetzen, das da
vordem schon
auf deiner Zunge schwebte!
Dankbar wirst du deinem Schwei‐
gen sein!...
Vor vielem Unheil hat es deine Ehe
dir
behütet. ‒ ‒ ‒
Jetzt aber wirst du wahrlich
reden
dürfen!
Glück und
Freude hast du
neu errun‐
gen, und
von Glück und Freude wird
nun jedes deiner Worte zeugen!
Nur schaudernd denkst du noch zurück
an jenen dunklen Tag, der dich schon in
Versuchung und Gefahr sah, zu
verflu‐
chen, was du nunmehr aus ganzer Seele
segnen mußt! ‒
Wahrhaftig: ‒ daß du
schweigen konn‐
test, wo die Rede
Fluch gewesen wäre,
‒ das wird nun
deiner Ehe Segen!
‒ ‒ ‒
* *
*
UNZÄHLIG sind die „
unglückli‐
chen Ehen”, in denen sich einst
beide Teile als
zu allem Glück berech‐
tigt glaubten, bis dieser Traum in
Reue
und
Verzicht sein armes Ende fand. ‒ ‒
Es gibt ja leider
nur zu viele Gründe,
die zu so bitterer
Enttäuschung führen
können! ‒
Doch geht man sicherlich nicht fehl, wenn
man
sehr vieler Ehen vornehmlich‐
stes Unglück darin grundverankert
sucht, daß beide Teile
in der Ehe die
Erfüllung eines Lebenswunsches zu
erreichen glaubten, der, ‒
durch Ver‐
stiegenheiten töricht-
lebensferner
Vorstellung genährt, ‒ im Glück der
Ehe sich
ein Glück des steten fest‐
lichen Erlebens vorbehalten sah. ‒ ‒
Die
Ehe aber ist gewiß
kein ewiger
Feiertag und läßt sich niemals aus dem
Zwang des Alltags lösen!
Man kann in ihr nicht immer
Feste
feiern und,
beglückt im Liebesrausch,
die Welt vergessen! ‒
Gedeihliches Leben braucht seinen
Rhythmus: braucht
Steigerung und
Senkung seines Ablaufs,
ohne Unter‐
laß! ‒
So aber muß auch in der
Ehe steter
Lebensrhythmus herrschen!
Auch dort, wo aller
Reichtum dieser
Erde zur Verfügung steht, kann eine
Ehe nur
gedeihen, wenn sie,
außer
ihren
Festen, einen
Alltag kennt! ‒
So aber ist auch da,
wo sich die Not
des Daseins solchen Alltag zu er‐
zwingen weiß, durchaus kein Grund
gegeben, einer Ehe Glück
gefährdet zu
erachten, wenn nur die beiden Ehegatten
diesen
Zwang des Alltags so zu
nützen suchen, daß er dem inneren Le‐
bensrhythmus ihrer Ehe
Kräfte bringt,
aus denen ihm auch
Feste einst erstehen
werden. ‒ ‒
Wohl ist es freilich
leichter, sich im
Festgewande zu gefallen, als im
All‐
tagskleide! ‒
Und
leichter ist es, sich gemeinsam
heiterem Genießen hinzugeben, als
des Alltags schwere Forderungen
zu erfüllen! ‒
Die
Ehe aber kann kein stetes „
Arm‐
in-
Arm”, ‒ kein stetes
Liebeskosen
sein und wenn auch jeder Eheteil dem
anderen
nur zu gerne stete Zärtlich‐
keit bezeigen möchte, so wird gar oft
die Sorge um des Lebens Notdurft, oder
sonstige Verpflichtung,
Anderes erhei‐
schen, und Liebesstunden werden
Feier‐
stunden bleiben! ‒ ‒
Hierfür fehlt aber allzuoft das rich‐
tige Verstehen!
Man möchte auch den
Alltag in der Ehe
nur als
Fest erleben, und fühlt sich „
um
sein Glück betrogen”, wenn er sich
als Alltag zeigt. ‒ ‒ ‒
Zu allem Überfluß läßt es sich meistens
nicht verhüten, daß
jeder Eheteil in sei‐
nem Alltag einem
anderen Bereich des
Lebens dienen muß.
Nun kann es sich ereignen, daß der
eine
nach getanem Werke
sich auf einer
Wellen-
Höhe des Empfindens fühlt,
indessen sich der
andere in einer Nie‐
derung weiß, die er erst
überwinden
muß, um
seine Höhe wieder zu
er‐
reichen.
Wenn man sich nun begegnet, und nicht
liebendes Verstehen alsbald aus‐
zuspähen sucht,
wie es dem ande‐
ren Teil zumute ist, dann
müssen
beide Teile
aneinander leiden, ob‐
wohl sich dieses Leid so leicht
vermei‐
den ließe, würde man nicht gar zu sehr
von seinem
eigenen Erleben einge‐
nommen sein. ‒ ‒
So mancher
Zwist wird nur hervorge‐
rufen, weil der
eine Eheteil nur
seinen
Alltag kennen will, und
für den Alltag
seines Gegenpoles kein Verstehen
zeigt!
Man spricht da
aus verschiedenen Er‐
lebnishöhen zueinander, und ist „
ge‐
kränkt”, wenn man sich
nicht ver‐
standen sieht, statt erst einmal
des
Anderen Erlebnislage zu
erfassen...
Dies alles aber ist nur Folge einer Sucht,
den Alltag um sein Recht zu brin‐
gen: ‒ sich
seinen Forderungen
möglichst zu entziehen! ‒ ‒ ‒
Die Sitte, seine Ehe, nach erfolgter äuße‐
rer Bestätigung, sogleich mit einer
Reise
zu beginnen, mag manches
für sich
haben, und doch trägt sie recht oft die
Schuld daran, wenn
glückliches Be‐
ginnen in
Enttäuschung endet. ‒ ‒
Frei von Alltagspflicht, und nur allein
dem heiteren Genießen hingegeben, be‐
ginnt ein Ehepaar auf solcher Reise sein
Gemeinsamkeitserleben unter Vorbedin‐
gungen, die selten oder nie im Leben
wiederkehren.
Zu leicht wird man verführt, in diesem
ungestörten Beieinandersein nunmehr
des Ehelebens Inbegriff zu sehen.
‒ ‒
Die Tage dieser Reise schaffen eine holde
Täuschung, der man gerne sich ergibt,
und die man nie beendet sehen möchte. ‒
Doch, ist das Ehepaar, das nun schon
glaubt,
die Ehe recht zu kennen, end‐
lich
heimgekehrt, so meldet sich zu‐
meist auch schon der
Alltag an und
heischt die Pflicht
gesonderten Er‐
lebens.
Die eigenen vier Wände sind der jungen
Gattin fremd wie eine Gasthofstätte, ‒
nur ist
der eigene Haushalt jetzt da‐
zugekommen und macht das Leben nicht
mehr ganz so leicht, wie es erschienen
war, solange auf der Reise
Andere für
alles sorgten, was man zum Behagen
brauchte. ‒
Zum erstenmal ist in der jungen Ehe
viele Stunden währende, ja oftmals
tagelange Trennung beider Ehegatten
nötig, und jeder Teil sieht sich vor Auf‐
gaben gestellt, die dem bisherigen Er‐
leben seiner Ehe völlig fremd geblieben
waren. ‒ ‒
Schon hier beginnt zuweilen
die Er‐
nüchterung des ersten Liebesrau‐
sches, und wahre
Liebe sieht sich schon
vor ihrer ersten Probe stehen...
Es ist nicht gar so leicht, sich aus der
Übersteigerung der Freuden seiner
Reisetage nun zu
lösen und den „
All‐
tag” zu bezwingen! ‒ ‒
In vielen Fällen hätte sicherlich sich
Besseres ergeben, wenn die Ehe erst
im Alltag aufgerichtet worden wäre,
bevor man sie in stetem
Feiertage,
und
losgelöst von jeder Alltagspflicht,
erlebte. ‒ ‒ ‒
Wie aber dem auch immer sei, so läßt
sich doch hier sagen, daß recht Erheb‐
liches gelungen ist, wenn sich das junge
Paar allmählich auch vertraut mit seinem
Alltag zeigt, denn
Ehe findet stets
erst
dann sich in
Bewährung, wenn sie den
Alltag zu bemeistern weiß. ‒
Ihr, die der
Ehe heilig-hehre Bindung
nun
vereint, wart euch vielleicht vor
gar nicht langer Zeit noch völlig
fremd!
Jeder von euch Beiden lebte noch sein
eigenes Leben, und der Kreis von Men‐
schen, der ihn dort umgab, war ihm ver‐
traut, wie er dem Kreise...
War es bisher das
Elternhaus, das euch
umhegte, dann mag auch innigstes Ver‐
bundensein euch täglich neu umfangen
haben, und treue Eltern- und Geschwi‐
sterliebe war um euer Wohl besorgt.
Vielleicht jedoch wart ihr schon längst
dem Elternhaus
entwachsen und eure
Freunde waren in der
Fremde euch er‐
standen?
Jetzt aber habt
ihr Beide euch gefun‐
den, und damit trat ein
neues Fühlen
nun in seine Rechte, das
anderer Ar‐
tung ist als
Eltern-
und Geschwister‐
liebe, ‒
anderer Artung als die tiefste
Freundschaft, und das
allein euch
Beiden gegenseitig gilt:
niemals mit
Anderen zu teilen ist...
Glaubt nicht, daß dieses neue Fühlen nur
bedingt sei durch das erdenhafte Glück
des
körperlichen Angehörens!
Wenn echte
Liebe euch vereint, dann
ist hier wahrlich
Anderes in euch er‐
blüht, das euch zwar nun auch
körper‐
lich vereint, zugleich jedoch die körper‐
liche Einung
überstrahlt mit über‐
erdenhaftem Lichte! ‒ ‒ ‒
Nun seid ihr
für das Erdenleben, ‒
zumindest eurem
Willen nach, ‒
ver‐
einigt, ‒ doch noch sind hier
zwei
Leben, die sich keineswegs von einem
Tage auf den anderen so
verschmel‐
zen lassen, daß sie schon wirklich jenes
eine neue Leben auch im äußeren Da‐
sein bilden könnten, das höchstes
Ziel
und hehrste
Hoffnung eurer jungen Ehe
ist! ‒ ‒
Vorerst müßt ihr euch noch
gedulden,
und alles Streben muß darauf gerichtet
sein, in gegenseitigem Gewähren zu
er‐
fühlen, wo sich: ‒ die
Trennungs‐
punkte eurer beider Lebensläufe zeigen,
und: ‒ wo etwa der eine schon dem
anderen
Einungspunkte darzubieten
habe...
Der Zwang des Alltags wird euch
hier ein guter Lehrer sein! ‒
Ihr werdet sicher
sehr viel mehr an
Trennendem gewahren,
als euch lieb
und wünschenswert erscheint, ‒
doch, wenn die
Liebe eure Augen schärft,
dann werdet ihr auch bald bemerken, wo
das eine Leben sich dem anderen am
ehesten
vereinen kann...
Was aber eure Leben bisher
trennte,
‒ in der ganzen
Auffassung des Le‐
bens, ‒ das sollt ihr klug, und völlig
eures Tuns
bewußt, stets mehr und
mehr zu
übersehen suchen, ‒ doch,
was zur
Einung eurer Beider, bis vor
kurzem noch getrennten Leben führen
kann, muß ebenso bewußt
gesucht und
gegenseitig dargeboten werden.
‒ ‒ ‒
Der Alltag wird euch manche harte
Probe
bringen, die ihr nur dann
bestehen
werdet, wenn ihr euch
Beide in dem ste‐
ten Streben findet: ‒ das
Einigende
eurer Beider Art, dem Leben zu begeg‐
nen, in und an euch
aufzusuchen, das
bisher
Trennende jedoch zu
ignorie‐
ren!
Die neue
häusliche Gemeinsamkeit
schon bringt so manche, oftmals nicht
ganz leichte Probe, die
bestanden
werden will...
‒ Solange ihr im
Einzel-Leben wart,
bewohnte jeder von euch Beiden seinen
eigenen Raum, den er nach
seiner Weise
schmückte, und in dem er alles, was ihm
lieb und wertvoll war, nach
seiner Weise
unterbrachte.
Jetzt aber lebt ihr in den
gleichen Räu‐
men, und wenn auch äußere Bedingungen
es euch erlauben sollten, daß dennoch
jeder außerdem sich einen
eigenen Be‐
reich für sich allein gestalten kann, so
wird
auch das gewiß
nicht ganz das
Gleiche sein, wie
eure frühere Allein‐
herrschaft in dem euch zugemessenen
Raum...
In allem seid ihr Beide
aufeinander
angewiesen, und eure
Liebe schon
wird euch bewegen, euer Heim doch
wohl zu
gegen-seitigem Gefallen aus‐
zubauen. ‒
Manche liebgewordene Gestaltung wird,
‒ aus welchen Gründen immer es ge‐
schehen möge, ‒ letzten Endes doch
dem
Anderen zuliebe aufgegeben werden
müssen, und manche alte Neigung wird
zu
wandeln sein, wenn eure Räume
wirklich eurer
Beider Heimstatt werden
sollen, in der sich
jeder Eheteil „
zu‐
hause” fühlt! ‒ ‒ ‒
Nicht minder wichtig als die Woh‐
nung ist die Speise!
Ich rede
nicht hier von der Frage, ob
man
Tierisches genießen solle, oder
alles, was vom Tiere stammt,
zu meiden
habe, ‒ und auch nicht von
anderen
„Reformen” der Ernährung!
Wer sich
der Sünde fürchtet, ‒ ein
Tier zu schlachten, oder zu erjagen, der
unterlasse solches, aber er glaube nicht
etwa, ein
besserer Mensch zu sein,
und öde Andere nicht an mit Lehren,
die allzubillig sich erhandeln lassen
auf dem bunten Jahrmarkt mensch‐
licher Verstiegenheiten! ‒ ‒ ‒
Ich aber rede hier nunmehr nur von der
Zubereitung dessen, was dem Erden‐
körper neue Aufbaustoffe bieten soll.
Ihr stammt aus zwei verschiedenen El‐
ternhäusern, vielleicht sogar aus von ein‐
ander weit entfernten Heimatsgauen, ‒
und in jedem dieser,
schon durch Lan‐
desart vielleicht bestimmten Eltern‐
häuser herrschte eine
andere Art der
Nahrungszubereitung.
Was jeder aber stets
gewohnt war,
schätzt er über alle Maßen, ‒ und wie
die Speise
zubereitet wurde, die man
ihm von Kindheit auf zu reichen wußte,
so will er sie
auch weiter zubereitet
sehen...
Auch hier gibt euch der Alltag reich‐
liche Gelegenheit euch anzuglei‐
chen!
Mag man auch lächeln, finde ich hier diese
Dinge der Erwähnung wert, so wird
doch manche Ehe leider
aus Erfahrung
wissen, daß schon oft ein sorglichst
wohlbereitetes Gericht
die Zwietracht
an den Tisch des Hauses brachte. ‒ ‒
Ihr seid nunmehr
zu Zweien, und ver‐
pflichtet,
euch einander anzupassen,
obwohl da jeder nur auf
seines Eltern‐
hauses Küche schwört, und jeder
seine
eigenen Vorlieben und Abneigungen
gegenüber manchen Speisen hegt.
Sehr oft jedoch ist
eines Ehegatten
„Lieblingsspeise”
darum nur
dem an‐
deren ein Greuel, weil sie im Aufbau
seines Körpers
nicht die gleiche Wir‐
kung zeitigt, ‒ und manche
Ableh‐
nung der Zubereitung resultiert aus
instinktivem Fühlen,
daß sie dem
physiologischen Bedürfnis eigener
Natur
zuwiderläuft...
Da man jedoch
gemeinsam speisen will,
so ist es oft recht schwer, weit ausein‐
anderstrebendes Bedürfnis zu befriedi‐
gen, zumal, da vielfach der
Geruchsinn
schon durch diese oder jene, nicht der
eigenen Natur gemäße Speise
bis zur
Unerträglichkeit gefoltert wird. ‒
Hier wird nun jeder Eheteil erst zu
er‐
fühlen suchen müssen, was dem ande‐
ren
Gewohnheit lieb zu machen wußte,
oder was er
aus Instinkt begehrt, und
aus dem gleichen, gut begründeten In‐
stinkt,
zu meiden strebt. ‒
Auch hier wird jeder von euch Beiden
auszuspüren haben, wo die „
Tren‐
nungspunkte” liegen, und wo ihr euch
von selbst
beim gleichen Wählen und
Verwerfen findet!
Glaubt nicht, daß
solches gegensei‐
tige Verstehen etwa
überflüssig wäre,
oder, daß ich gar
von jenen wunder‐
lichen Ehen rede, in denen nur des
Mannes Gaumenlust bestimmt, was auf
den Tisch des Hauses aufgetragen wer‐
den darf! ‒ ‒
Der
Zwang des Alltags: stetig wieder
neue
Nahrung darzubieten, gibt für
beide Teile einer Ehe reichliche Gele‐
genheit,
sich gegenseitig Freude zu
bereiten und die eheliche Harmonie
zu fördern, ‒ denn
körperliches
Wohlbehagen löst auch
seelisches Be‐
hagen aus! ‒ ‒ ‒
So mag man, wo es
möglich ist, auch
zu gewissen Tagen dafür Sorge tragen,
daß
nicht nur Allernötigstes den
Tisch des Hauses decke, obwohl ich
weit
davon entfernt bin, hier etwa der
Es‐
sens-
Schwelgerei das Wort zu re‐
den...
Es läßt sich aber oft mit
kleinen Dingen
recht viel Freude schaffen, ‒ beson‐
ders wenn aus ihrer Darbietung ersicht‐
lich wird, daß man sich gegenseitig
Freude
bringen wollte, durch
Erfül‐
lung irgend eines kleinen Lieb‐
lingswunsches, der sich mit Leichtig‐
keit erfüllen ließ. ‒ ‒
Wie hier die
Frau des Hauses
ihres
Gatten Neigung liebevoll erspähen
wird, so möge aber auch
der Mann ver‐
suchen, ihr
die kleinen Überraschun‐
gen zu bieten,
die Frauen meist so
sehr zu schätzen wissen! ‒ ‒
Ein wenig „
Überfluß” ‒ und halte er
sich auch
in sehr bescheidenen Gren‐
zen ‒ wird in der
Ehe, wie auch sonst
in diesem Erdendasein, stets das Mit‐
einanderleben
freudiger und
leichter
machen, so daß man dort, wo er sich ir‐
gend noch
bereiten läßt, gewiß nicht
von „
Verschwendung” reden darf!
‒ ‒ ‒
Hier aber führt ein Schritt nur uns zu
einer gegensätzlich
anderen Art, den
Zwang des Alltags in der Ehe zu
empfinden, ‒ und wahrlich: ‒ hier ist
bitterer Zwang!
Ich denke an den oft so
schweren
Kampf, um auch nur
unentbehrlichste
Ernährung aufzutreiben, ‒ an den
Zwang zu
unerbittlichster Erschöp‐
fung aller Kraft, um soviel zu verdie‐
nen, daß man die
dringendsten Er‐
fordernisse seines Lebens
gerade noch
bestreiten kann. ‒ ‒
Wahrlich: ‒ die
Ehe, die mit
solchem
harten
Zwang des Alltags rechnen
muß, sieht beider Eheteile
Liebe täglich
neu vor
ernster Prüfung stehen! ‒ ‒ ‒
Zugleich ist aber beiden Teilen hier ‒
wie nirgends sonst ‒ Gelegenheit ge‐
schaffen, sich ihre
Liebe zueinander
täglich neu zu offenbaren durch die
Tat: ‒ sich gegenseitig
Hilfe darzu‐
bieten, und sich das Allzuschwere ge‐
genseitig zu
erleichtern, wie nur
Liebe
hier erleichtern
kann. ‒ ‒ ‒
‒
Mehr noch, als in
erfreulicheren
Lebenslagen, werdet ihr euch
seelisch
ineinanderschmiegen müssen, wenn
sich der
Zwang des Alltags eurer
Ehe
in so
harter Weise fühlbar macht!
Gebt
nicht dem leisesten Empfinden
in euch Raum, das euch gerade
hier die
innere Gemeinsamkeit
verlieren lehren
könnte, wo sie
am allernötigsten ge‐
fordert wird, wollt ihr als
Sieger einst
aus solchem Kampfe schreiten!
Auf Schritt und Tritt könnt ihr euch
hel‐
fen, ‒ selbst, wenn es nicht
von
außen her geschehen kann, wenn nur
der
eine Eheteil auf
seine Weise stets
des
anderen verbrauchte
Kraft in Liebe
zu
erneuern: ‒ des anderen Teiles
schon gesunkenen
Mut aufs neue
auf‐
zurichten sucht! ‒ ‒ ‒
Vergeßt
jedoch auch nicht, daß ihr euch
zum
Verhängnis werden könnt, wenn
beide Teile, ‒ statt sich aneinander im‐
mer wieder zu
erheben, ‒ einander
niederziehen, weil euch die
Not ver‐
führt, zu glauben, daß sie
leichter trag‐
bar sei, wenn man sie stetig sich
vor
Augen halte, und auch Sorge trage,
daß
der Andere sich
ja nicht etwa da‐
zu aufzuschwingen wisse,
seiner Last
zu spotten! ‒ ‒ ‒
Ihr könnt euch
dann nur wirklich hel‐
fen, wenn
Einer stets im Anderen
lebt, und ihr die Zwangslast, die der
Alltag auf euch bürdet,
gemeinsam zu
ertragen sucht, ‒
verbergend,
daß
sie euch in gleicher Weise wie den
Anderen drückt! ‒ ‒
Nichts ist törichter, als
einen Zustand
zu bejammern und durch stete Kla‐
gen unerträglich zu gestalten, den
man
durch eigenes Tun nicht ändern
kann!
Ist man jedoch
imstande, ihn zu
än‐
dern, dann wird
erst recht die stete
Klage
nichts verbessern, sondern nur
den Antrieb hemmen, der
in ganzer
Kraft vonnöten ist, will man aus sei‐
ner üblen Lage sich
befreien. ‒ ‒ ‒
In welcher Weise aber auch der
Zwang des Alltags sich in eurer Ehe
äußern mag: ‒ er kann in
jeder Form
euch
Segen bringen, wenn ihr ihm
richtig zu genügen wißt!
Und ist auch
anderes Leben in ihn ein‐
bezogen, so wird auch
dieses Leben
Segen oder
Fluch erfahren, je nach
eurer Art, dem Alltag
zu begegnen...
Man kann nicht
segnen und
zugleich
auch an der gleichen Stelle
fluchen, ‒
und so auch kann man
anvertrautes
Leben nicht mit
Segen und mit
Glück
erfüllen, wenn man zugleich sein
eige‐
nes Leben ‒ durch das eigene Verhal‐
ten ‒ nur mit
Fluch belädt, und ihm
auf solche Weise
jede Glückesmög‐
lichkeit entzieht! ‒ ‒ ‒
Erfüllung aller eurer Wünsche aber
wird euch werden, wenn ihr dem
Zwang des Alltags so Genüge leistet,
daß ihr zuletzt ihn ganz
beherrschen
lernt!
Dann werdet ihr auch
Feste feiern kön‐
nen, so, wie sie zu feiern
sind, soll
euch aus ihnen wieder neue Kraft er‐
stehen, um den Alltag zu
ertragen,
‒ ‒ den gleichen
Alltag, der doch
letzten Endes immer wieder eurer
Feste frohen
Anlaß schafft! ‒ ‒ ‒
* *
*
ES
könnte so unendlich viel mehr
Glück in mancher Ehe sich entfalten,
würde man sich mehr
bemühen, stets
nach
Einigkeit zu streben! ‒ ‒
Man
unterschätzt gar sehr
den Wert
der Eintracht,
als Erhalterin des
Glückes, sonst würde man sie nicht so
oft um eitler Dinge willen
stören: ‒
um „
Meinungen” und „
Ansichten”
zum Sieg zu bringen voreinander, die
wahrlich
wenig wiegen, wägt man in
der anderen Hand sein
Glück! ‒ ‒ ‒
Durch jegliche
Lappalie bringt man
seiner Ehe
Eintracht in Gefahr, ‒ und
wenn sich alle Eheleute, die ihr Glück in
Scherben gehen sahen,
fragen wollten,
was der dann folgenden Zertrümmerung
einst
ersten Anlaß dargeboten habe,
dann würde sich, weit öfter als man
glauben möchte, zeigen, daß meist
ganz
lächerliche Störungen der Einigkeit
Vernichtung ehelichen Glückes
wirkten, ‒ auch wenn man
später dann
noch
andere Gründe schuf,
die nie
geschaffen worden wären, hätte man
sich vorher nicht entzweit. ‒ ‒ ‒
Ich rede nicht nur von „
Rechthaberei”
und „
Eigensinn”, die beide nur als
Wehr der Dummheit, oder als das
kläglich armselige Schild
verknöcher‐
ter Erstarrung anzusehen sind, als
welche sie bekanntlich ja in
allen
Lebensbindungen zum „Schrecken” aller
Denkbeweglichen und
seelisch
Freien werden: ‒ zu einem „Schrecken”
den nur
Mitleid bannt und
Ironie ver‐
scheucht! ‒ ‒
Ich rede hier vielmehr von
jener Art
der
Eintrachtstörung bei der die
Gegensätze tatsächlich
bedeutsam sind,
und dennoch
Ausgleich möglich wäre,
würden
Klugheit und
Vertrauen
liebevoll versuchen,
die Basis der
Vereinungsmöglichkeit zu finden, ‒
und schließlich rede ich von einer
Tor‐
heit, der ihr Weltbild schon vernichtet
scheint, wenn um der
Eintracht willen,
Weiß als „
Schwarz” und
Schwarz
als „
Weiß” bezeichnet werden soll!
‒ ‒
Selbst wenn ganz unbestreitbar alles
„
Recht” auf
deiner Seite ist, wirst
dennoch du versuchen müssen, einen
Ausgleich herzustellen, ‒ auch wenn
der Augenblick erfordert, daß du
um
der Eintracht willen auf dein „Recht”
verzichtest, bis es der Andere
aus
freien Stücken dir dann später viel‐
leicht
zugesteht!
Betrachte,
was dein eheliches
Glück dir
gilt, und wäge dann
den Wert der
Dinge,
die es in Gefahr zu bringen
suchen! ‒
Dann wähle, was dir
mehr am Herzen
liegt! ‒ ‒
Sehr selten wird es sich um Dinge
handeln,
die so bedeutsam sind, daß
sie dich in Bereitschaft finden
müssen,
selbst dein
Eheglück zu opfern,
wenn
sie nicht
in solcher Weise zwischen
euch Entscheidung finden, daß ihre
strenge Forderung
auch im Bestehen
deines Glücks erfüllbar bleibt. ‒
Zu allermeist wird eheliche Eintracht
nur gestört durch Streiten über Fragen,
die sehr wohl
Antwort der ver‐
schiedensten Gestaltung finden
können...
Es kommt nur darauf an, daß du den
Anderen alsdann
gewähren läßt, wie
er nun einmal
will, und ruhig
wartest,
bis er seinen Irrtum einsieht, oder
‒ ‒
bis du selbst erkennst,
daß du
im Irrtum warst. ‒ ‒ ‒
So wird dann
Harmonie erhalten und
euer
Eheglück wird durch ein wenig
Selbstbeherrschung der Gefahr ent‐
zogen.
Wille zur Einigkeit muß euch
zur
unbedingten Forderung des
Glückes werden, und
keiner beider
Teile darf sich dieser Forderung
ent‐
ziehen wollen!
Es hängt zu viel von ihrer stetigen
Erfüllung ab! ‒ ‒
Bei jeder
Möglichkeit, die zur
Ent‐
zweiung führen
könnte, ‒ und sei es
auch Entzweiung nur für eine kurze
Stunde, ‒ müßt ihr euch klar zu machen
suchen, daß doch
der Mensch vor
allen Dingen steht, so daß die Auf‐
fassung der
Dinge, die in Frage
kommt, doch wahrlich erst in
zweiter
Linie der Beachtung würdig bleibt, wenn
sie nicht
ganz und gar belanglos
wird, wo
Menschenglück Beachtung
heischt!...
Ihr dürft auch
nie vergessen, daß diese
Auffassung der
Dinge, die euch heute
„
wichtig” scheinen will, zu einer
anderen Zeit ganz
in Bedeutungs‐
losigkeit versinken kann! ‒ ‒
Vor allem aber lernt erkennen, daß
Gegensatz nicht
aus der Welt zu
schaffen ist durch
Streit! ‒ ‒ ‒
Auch dort, wo ihr empfindlich
leiden
möget, weil euch plötzlich
Gegensätze
zu Bewußtsein kamen, die als
völlig
unvereinbar gelten, werdet ihr mit
allem
Streiten, allem
Überzeugen‐
wollen nichts gewinnen! ‒ ‒
Ihr werdet euch nur selbst auf solche
Weise schließlich um die Möglichkeit zu
bringen wissen, eine
Brücke aufzu‐
richten,
auf der ihr euch begegnen
und erneut vereinen könntet...
So manche Ehe wäre heute
nicht zer‐
stört, wenn man den Gegensatz, der zur
Zerstörung führte, einst
in sich be‐
ruhen hätte lassen, ‒
der Zeit und
ihrer Ausgleichswirkung sich ver‐
trauend, ‒ statt sich in Kämpferstellung
aufzurecken und sein
vermeintlich
oder
wahres „gutes Recht” in Wort
und Tat zu suchen, ‒ Verletzung
durch
Verletzung fordernd, ‒ bis das
letzte Fünklein
Liebe sich in
Haß ge‐
wandelt hatte. ‒ ‒ ‒
Ihr aber, die ihr eure
Ehe erst
be‐
ginnen wollt, ‒
ihr habt die Macht
noch in den Händen, die so mancher
anderen Ehe längst
verloren ging: ‒
‒ die Macht, euch bitterste Enttäuschung
zu
ersparen! ‒ ‒ ‒
So hütet euch denn vor dem ersten
Streit! ‒ ‒ ‒
Sobald ihr
einmal nur im
Streite
euch begegnet seid,
habt ihr schon
viel von eurer Macht verloren!
Zwar mag der Streit durch eure
Liebe
bald
geschlichtet werden, aber in den
dunklen Schächten
unbewußten Füh‐
lens bleibt
Erinnerung zurück, auch
wenn
im Denken alles längst ver‐
gessen wurde...
Bei jedem
neuen Anlaß, der zum
Streite führen
könnte, fühlt ihr euch
aus dem Unbewußten nun zur
Wieder‐
holung aufgefordert, und ihr
erliegt
dem dunklen Raunen, ohne recht zu
wissen, wie euch das geschieht...
Wo
einmal Streit war,
will er immer
wiederkehren, wie sehr der Mensch
sich auch
dagegen sträuben mag, ‒
und stetig wird er
neue Gründe auszu‐
heben wissen, aus denen er gespenstig
sich beleben kann, wenn man ihn nicht
begräbt,
noch während er versucht,
aufs neue zu erstehen! ‒ ‒ ‒
Darum: ‒ solange ihr den
ersten Streit
vermeiden könnt,
strengt alle eure
Kräfte an und sucht ihn zu ver‐
meiden! ‒ ‒ ‒
Es wird euch
weitaus schwerer,
seine
Wiederkehr ihm zu versagen,
als es euch schwer sein mag, ihm
seinen ersten Eintritt in das Leben
eurer Ehe zu verwehren!
Habt ihr ihm
einmal Rechte
zuge‐
standen, so wird er sie zu
wahren
wissen, ‒ und schließlich wird es euch
unmöglich scheinen, in eurer Ehe
ohne
Streit zu leben...
Es gibt genugsam Menschen, die es
niemals fassen können, daß auch der
kleine Streit, der ihnen längst
alltäg‐
liche Gewohnheit wurde, aus einer
Ehe zu
verbannen ist, wenn
beide
Teile ernstlich ihn verbannen
wollen!
So, wie dem Fuchs der Fabel jene
Trauben „sauer” heißen, die er sich nicht
holen kann, so suchen sie nun sich
und anderen Eheleuten einzureden, daß
eine
Ehe, die nur
Eintracht kennt, für
sie
ganz unerträglich wäre, und wohl
nur bei Menschen möglich werden könne,
die
zu keiner resoluten Lebens‐
äußerung befähigt seien...
So töricht solche Rede ist,
so frevel‐
haft ist es, den
Streit gleichsam
als
integrierenden Bestandteil ehe‐
lichen Lebens aufzufassen!
Wie
oft ward leider schon der
kleinste,
halb aus
Scherz geführte
Streit, zum
ersten Anlaß ehelicher Auseinander‐
setzungen, die endlich alles Glück
zer‐
rütten mußten! ‒ ‒
Wo solches aber
möglich ist, da ist
fürwahr die
Pflicht gegeben,
alle
Kräfte aufzubieten, um die
Eintracht
stetig in der Ehe zu
erhalten! ‒ ‒ ‒
Doch, auch das beste Wollen mag zu‐
weilen
unterliegen, wenn
Affekt es
plötzlich rücklings überfällt...
Ist so der Streit
hereingebrochen,
gleich einer Wasserflut, die ihre Dämme
brach und nun das blühende Gefilde
plötzlich in ein Schlammfeld wandelt,
dann muß es eure erste Sorge sein,
so bald als irgend möglich solchen
Zustand wieder aufzuheben, ‒ und
nie ist es zu früh, will man die alte
Ordnung
wiederkehren sehen...
Jetzt ist es
mehr als sonst noch nötig,
daß ihr Beide
guten Willens seid und
gegenseitig euch zu helfen sucht,
damit euch
Harmonie in eurer Ehe
wiederkehre!
Nie darf es dazu kommen, daß der
eine
Eheteil dem anderen
weiter grollt,
auch wenn er dessen Absicht sieht,
Ver‐
söhnung anzubahnen!
Doch sollt ihr euch auch jetzt nicht
vor‐
einander reinzuwaschen suchen,
ängstlich bestrebt, nur ja die liebe eigene
Eitelkeit vor Schaden zu bewahren!
Und noch viel weniger sollt ihr nun‐
mehr beginnen, festzustellen, wen die
Schuld an dem Zerwürfnis trifft: ‒ wer
etwa
mehr, wer
nicht so sehr im Un‐
recht war!
Es ist töricht, und kann nur zu leicht zu
neuem Streite führen, wenn ihr nunmehr
mit vielen Worten euch beweisen wollt:
‒ „
warum” ‒ „
weshalb” ‒ „
wie‐
so” ‒
ihr euch vergessen konntet!
Stets sucht dann nur die
Eitelkeit des
Einzelnen, ‒ und sei es auch nur völlig
unbewußt ‒ zu Wort zu kommen, und
will
um jeden Preis verhüten,
daß
sie bei dem Friedensschluß etwa
„
Terrain verliere”...
Oft ist der
eine Eheteil schon längst
bereit,
den Frieden anzubieten, und
nur die Furcht,
durch Abweisung in
seiner Eitelkeit gekränkt zu wer‐
den, hält ihn zurück, und läßt ihn nicht
zum
ersten guten Worte kommen. ‒ ‒
So steht ihr Beide euch dann gegenüber,
und keiner wagt,
sich selbst zu über‐
winden, ‒ keiner will „
der Erste”
sein, der sich
versöhnlich zeige...
In kindlich lächerlicher „
Pädagogik”,
wollt
ihr, die ihr euch eben noch so
unerzogen zeigtet, nun euch gegen‐
seitig
zu erziehen suchen, wobei ihr
ganz im Stillen hofft,
erneuten Streit
am besten
dadurch abzuhalten, daß
ihr euch jetzt, ‒ im Herzen längst ver‐
zeihend, ‒
nach außenhin recht un‐
versöhnlich zeigt, da so der Andere
sehen könne, wie es
schwer sei,
nach
dem Streite wieder
Frieden zu er‐
langen...
Ihr solltet euch fürwahr ein wenig vor‐
einander
schämen, ‒ vielleicht, daß
dann die
Scham euch schneller zu‐
einander führen könnte! ‒ ‒
In
eurer Art,
Versöhnung zu ver‐
suchen, werdet ihr euch gegenseitig nur
stets
weiter quälen und wenn kein
äußeres Geschehen euch zuhilfe
kommt,
das euch zu zwingen weiß,
euch wieder zu vereinen, dann könnt
ihr
tagelang so weiterschmollen, ohne
euch zu finden! ‒ ‒
Ihr
kompliziert das ohnehin euch nicht
ganz einfach Scheinende
in eurer Vor‐
stellung nur immer mehr, und
immer
schwerer wird es euch,
Nächst‐
liegendes zu tun, indem ihr gegen‐
seitig eines jeden Mund, ‒
der doch
nicht weiß wie er die erste Rede
formen soll, ‒ mit einem resoluten,
heißen
Kuß verschließen würdet...
Damit es aber
niemals euch begegnen
kann, daß ihr wie trotzig-ungezogene
Kinder aufeinander wartet: ‒ „
Wer
wird nun der Erste sein,
der nach‐
gibt?” ‒ so will ich euch raten, daß ihr
gegenseitig euch in
guten Tagen
streng
gelobt,
euch niemals abzuweisen,
wenn, nach einer Trübung eures Einver‐
nehmens, der
eine Eheteil
den anderen
versöhnen will! ‒ ‒
Ihr sollt euch dabei
feierlich ver‐
pflichten, daß eure Aussöhnung auch
niemals durch die liebe Eitelkeit
behindert werden darf, und daß
der
Erste, der Versöhnungswillen zeigt,
nicht etwa fürchten muß, sich durch sein
Wiedernahenwollen
als am meisten
schuldhaft zu bekennen! ‒ ‒
Ihr sollt euch weiter
streng geloben,
daß nach erfolgter
Aussöhnung, der
„
Grund” des beigelegten Streites
nicht
mehr Gegenstand erklärender Erör‐
terungen werden darf, und daß es
nie
für einen von euch Beiden etwa „
Unter‐
werfung” heißen soll, wenn er,
als‐
bald nach einem Zwist,
dem anderen
Teile in Versöhnlichkeit zu nahen
sucht! ‒ ‒
Wenn es euch schon unmöglich wurde,
stete Eintracht zu erhalten, so wird
euch wenigstens nun
das bestehende
Gelöbnis helfen,
Trotz und Eitel‐
keit zu überwinden, wenn sie euch
hindern wollen, euch
erneut in Eintracht
zu begegnen. ‒ ‒ ‒
Besser freilich ist es, ihr erzieht euch
gegenseitig durch das
Beispiel und die
Tat, und gegenseitig
wissend, daß ihr
euch dazu erziehen
wollt: ‒ zum
Wil‐
len zur Einigkeit!
Auch da muß aber
alle Eitelkeit von
vornherein beseitigt werden!
Es muß
unmöglich sein, daß einer von
euch Beiden etwa „
triumphiert”, weil
er den anderen
in Schwäche sah, und
nur durch
eigenes kluges Handeln
einen Streit vermied! ‒ ‒
Ihr sollt vielmehr, ‒ des Glückes einge‐
denk, daß ihr euch helfen
könnt, ‒ in
jedem Augenblicke eures Lebens euch
auch helfen
wollen, ohne aber jemals
euch zu
überheben, wenn ihr helfen
durftet! ‒
Der einen Streit
vermeiden half, weil
er in kluger Weise „
einzulenken”, ‒
„
nachzugeben” wußte und nicht noch
Öl ins Feuer goß, darf sich wahrhaftig
seiner Kraft der Mäßigung er‐
freuen, ‒ allein, in gleicher Weise
wird der
andere Teil, der sich
zur
Ruhe wenden ließ, auch wenn ihn
schon
Erregung fassen wollte,
sich
in Freude fühlen dürfen, weil es ihm
gelang,
sich selbst erneut in eigene
Gewalt zu bringen. ‒ ‒
Nur dann seid ihr in rechter Auffassung
der Dinge, wenn ihr euch
gegenseitig
immerdar zu danken wißt,
daß es
durch eurer Beider guten Willen
wieder möglich war,
die Glücksge‐
fahr zu bannen!
Es ist jedoch
auch hier nicht gut, etwa
nachher davon zu sprechen,
wie man
der Gefahr entronnen sei, ‒
wo
sich der Fehler finde, der sie immer‐
hin
heraufbeschwor, und wer wohl
richtiger gehandelt habe...
Auch
ohne jegliche Erwähnung
weiß
der Teil, der sich vorher „
vergessen”
hatte,
daß er fehlte.
Er wird dir
sehr zu
danken wissen,
wenn du es
ihm allein nun überlassen
willst, in sich die rechte Art und Weise
aufzufinden,
wie solches Fehlen künf‐
tig meidbar werden könne! ‒ ‒
Nichts aber rächt sich bitterer in
einer Ehe,
als ein Zwang,
sich ge‐
genseitig voreinander zu ernied‐
rigen!
Demütigungen voreinander sind
das
fürchterlichste Gift für eine jede Ehe,
und
nach Jahrzehnten noch kann die‐
ses Gift zur
Wirkung kommen! ‒ ‒ ‒
Ihr sollt euch gegenseitig nur
in Ehr‐
furcht sehen wollen, und
müßt ihr
euch zuweilen auch in euren Schwä‐
chen sehen, so dürft ihr doch die
Ehr‐
furcht voreinander
nicht verlieren!
Überseht,
bewußt, die Schwächen, ‒
redet
nie davon, ‒ und
zeigt einander
nicht, daß einer um des anderen Schwäche
weiß! ‒ ‒ ‒
Stärkt ständig gegenseitig euer
Selbstvertrauen, und lehrt euch, durch
die Art, wie ihr euch zu begegnen wißt,
die Achtung vor euch selbst! ‒ ‒ ‒
Verpflichtet euch, daß ihr allein das
Gute,
Starke und
Erfreuliche an euch
beachten, ‒ was
fehlerhaft und
schwach ist, aber
ignorieren wollt!
‒ ‒ ‒
In
keinem menschlichen Verhältnis ist
es so
verhängnisvoll, dem Neben‐
menschen
seine Fehler vorzuhalten,
als in einer
Ehe...
Was man sich in der Ehe gegenseitig
lehren kann, das muß für jeden beider
Teile
aus dem eigenen Erleben re‐
sultieren!
Nie darf man etwa gegenseitig sich „
be‐
lehren” wollen, so wie der
Lehrer
seinen
Schüler lehrt! ‒ ‒ ‒
Es ist zu tief schon im
Geschlechtlichen
begründet, daß jeder Teil vom anderen
nur in der denkbar schönsten Form
gesehen werden will, als daß ein stetes
Lehrenwollen, oder gar ein täppisch‐
tölpelhaftes stetes
Fehlerkorrigieren,
nicht die
unheilvollsten Folgen haben
müßte, selbst wenn sich diese Folgen
nicht im Augenblicke zeigen! ‒ ‒ ‒
Wie sollen in der
körperlichen Einung
sich
die Seelen einen können, wenn
stetig der Gedanke Störung schafft, daß
hier nur
körperlicher Trieb befriedigt
werden will, derweil dem anderen Teil
nichts recht an einem ist, ‒ es sei
denn eben dieser
Leib, der sich
miß‐
braucht fühlt, wird er nur
zum Spiel‐
ball der Begierde von dem Anderen
herabgewürdigt!? ‒ ‒ ‒
Kein Mensch ist ganz von allen Fehlern
frei, doch ist es nur
naturbedingt, daß
er sie dort, wo er
Geschlechtsverei‐
nung sucht, von seinem Gegenpole
übersehen wissen will! ‒
So mancher
Ehebruch ist nur begangen
worden, weil ein Mensch in seiner eige‐
nen
Ehe sich
um seiner Mängel wil‐
len so gering geachtet wußte, daß es
ihm wie „
Erlösung” schien, als er den
anderen Menschen
außer seiner Ehe
fand, der ihn ‒
trotz seiner Mängel ‒
schätzte, und ihn
in jener Art zu
sehen suchte,
wie er selbst gesehen
werden wollte...
Gewiß ist hier zu sagen, daß das Leben
einer
Ehe einen Menschen
anders zeigt,
als er sich
dort gibt, wo
kein rechter
Anlaß ist, der seine Fehler offenbaren
könnte!
Allein: ‒ gerade
so, wie er sich
ohne
seine Fehler gibt, will
jeder Mensch
von Anderen „
genommen” werden...
Da es nun in der
Ehe aber
unvermeid‐
bar bleibt, daß man sich auch
in seinen
Fehlern kennenlernt, so ist da nur zu
helfen, wenn man
gegenseitig sich
verpflichtet, daß man
mit aller Ab‐
sicht seine Fehler übersehen will.
‒ ‒ ‒
So nur wird man sich
vieles Leid er‐
sparen und sich gegenseitig wirklich
Glück ins Leben bringen!
Versteht ihr,
was es heißen will, ein
Glück der
Einheit als ein
Glück zu
Zweien in der innigsten Vereinung
aufzurichten, dann wird es euch gewiß
gelingen,
eure Ehe rein zu halten von
Verärgerung und Zwist!
Ihr werdet jeglicher Gefahr
begegnen
können, wenn ihr nur euch vereinigt
wißt im
Willen zur Einigkeit! ‒
Auch hier wird bloßer „
Wunsch” nur
wenig helfen können!
Es wird nur selten Menschen geben, die
nicht „
wünschen” würden, Einigkeit in
ihrer Ehe zu erhalten...
Wenn es nun
trotzdem so viel
Streit
und
Zank in manchen Ehen gibt, und
auch die scheinbar „guten” Ehen sich
noch
Überfluß an Leid durch manche
Trübung ehelichen Einvernehmens schaf‐
fen, so ist das
daran nur gelegen, daß
der
Wille mangelt! ‒ ‒ ‒
Meist ist man solchen Mangels
nicht
bewußt, da man den „Wunsch” schon
für den
Willen hält...
Wille zur Einigkeit lebt aber nicht, wie
jeder bloße „
Wunsch”, nur aus der
Hoffnung, daß
vielleicht gelingen
möge, was man wünscht!
Wille zur Einigkeit ist unverbrüchliche
Gewißheit, daß man Einigkeit erhal‐
ten
kann und Einigkeit erhalten
wird!
‒ ‒ ‒
Wille zur Einigkeit
kennt keine
Grenze des Vertrauens zu sich
selbst, und weiß sich
unbesiegbar
auch wenn ständig ihn
Gefahr um‐
droht! ‒ ‒ ‒
Von solchem
Willen aber, ‒ nicht von
„Wünschen” hängt es ab, ob eurer Ehe
stete
Einigkeit erhalten bleibt! ‒
So werdet ihr euch nun entschließen
müssen, diesen
Willen aus dem „Wun‐
sche” zu
erwecken und ihn stetig in
euch
wach zu halten! ‒ ‒ ‒
Seid ihr im wahren
Willen zur Einig‐
keit, dann wird
Zwietracht eure Ehe
nicht erreichen können!
Nichts wird euch
gleichen Wertes dün‐
ken, wie euer
Glück, das nur errichtet
werden kann, wenn Eintracht in der Ehe
unverletzlich bleibt! ‒ ‒ ‒
Dann aber wird die
Liebe erst in eurer
Ehe die
Erfüllung finden, die sie in
jeder Ehe finden sollte!
Dann ist die
Liebe eurer Ehe wahrlich
„
stärker als der Tod”, und
bleibt
bestehen,
wenn auch dieses Erd‐
balls Trümmer längst im Raum zu
Weltenstaub zermahlen wurden! ‒
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
* *
*
WO jemals hier auf Erden Glück
erstand, da mehrte es die Glückes‐
Möglichkeiten dieser Erde noch für
fernste Generationen!
Glück aber läßt sich in
gewissem Sinne
auch „
vererben”, und wie sich
erden‐
hafter Reichtum fortvererben läßt auf
Kind und Kindeskinder, so kann ein
Elternhaus sein
Glück: ‒
das Glück
der wahren Ehe, allem was aus ihm
hervorgeht,
hinterlassen...
‒ Von seinen frühesten Tagen an wird
es dem Kinde einer Ehe
fühlbar
werden, ob seiner Eltern Lebensbund
mit Glück gesegnet ist, wie es auch
fühlen muß, ob
Hader und
Zerwürf‐
nis beide Menschen trennt, die ihm sein
erdenhaftes Leben gaben. ‒ ‒
Wohl kommt es dem Kinde noch nicht
zu Bewußtsein, was es fühlt, und doch
ist es, ‒ noch
nicht imstande, sein
Empfinden sich
zu deuten, ‒
ge‐
zwungen,
jede Schwingung auf‐
zunehmen, die aus dem Blute
derer
kommt, die sich in ihm
auf Erden
irdisch weiterzeugten...
Man weiß sehr wohl, daß sich im Blute
Kraft wie
Krankheit fortvererben: ‒
Begabung und
Talent, wie stumpfes
Unvermögen, allein man ahnt zur Zeit
noch nicht,
daß Blut Aussender und
Empfänger feinster Strahlen ist, für
die das Instrument, das sie
bezeugen
könnte, noch nicht erfunden wurde, ‒
vielleicht auch nie erfunden werden
kann. ‒ ‒
So weiß man denn auch nicht,
daß
dieser Strahlen Schwingungsart
bestimmt wird durch das Eltern‐
paar, ‒ durch
Zeit und
Ort der väter‐
lichen
Zeugung, wie der mütterlichen
Schwangerschaft, ‒ und daß natur‐
gegebene
Verbindung zwischen Kind
und Eltern
bleibt, solange dieser Eltern
Erdenleben währt. ‒ ‒ ‒
Man weiß nicht, daß hier
steter
Schwingungsaustausch wirkt, durch
den der
Vater unbewußt des Kindes
Seele formt, die
Mutter aber
noch
weit stärker dieser Seele Formung
mitbestimmt vom ersten Tage an. ‒ ‒
Auch wenn das Kind
erwachsen ist,
bleibt dieser Schwingungsaustausch stets
bestehen, mag ihm dann auch des
Kindes
Eigenleben stärkere
Verdrän‐
gung schaffen, oder mag er nach wie
vor in
gleicher Weise
aufgenommen
werden. ‒
Nur dann ist eine Art der
Trennung
hier bewirkbar, wenn das Kind
bewußt,
durch eine neue intensive Einstellung
des Fühlens, sich einem
anderen Men‐
schen durch die Strahlungen des Blutes
zu verbinden sucht.
Dann wird der Austausch zwischen Kind
und Eltern zwar nicht völlig
auf‐
gehoben, jedoch
in seiner Wirkung
ausgelöscht.
Doch kann er jederzeit
erneut in Wir‐
kung treten, durch bloße
Willens-Ein‐
stellung. ‒
Von diesen Dingen wußten immer nur
sehr Wenige auf Erden, obwohl auch
Andere sie
erahnten, so daß man von
dem „
Band des Blutes” sprach, und
„
Blutsfreundschaft” besiegelt wähnte,
wenn zwei Menschen sich zusammen‐
fanden und symbolisch Tropfen ihres
Blutes mischten...
Soll ich hier aber geben, was zu geben
ist, so muß ich das Bestehen dieser
Strahlungen des Blutes vorerst zur
Erwähnung bringen, da auf ihnen jene
Möglichkeit beruht, das Kind vom ersten
Tage seines Daseins an
zur Glücks‐
gestaltung anzuregen, wie auch, der
Kindesseele Kräfte
umzukehren, so
daß sie dann in seinem ganzen Leben
triebhaft alles aufzusuchen streben, was
dem Kinde
Unheil bringen muß. ‒ ‒ ‒
Sobald das
Kind ins Dasein tritt, wird
einer Ehe
neue unerhörte
Pflicht er‐
wachsen,
durch Verantwortung für
neues Leben, dem man
Glück nur dann
„
vererben” kann, wenn man
sich
selber Glück zu schaffen wußte...
Während
irdischer Besitz dem über‐
lebenden Geschlechte aber
dann erst
„
Erbe” werden mag, wenn die Voran‐
gegangenen von dieser Erde
scheiden,
wird
Glück und
Unglück schon
vom
Mutterleibe her „
vererbt”. ‒ ‒
Und stets wird
dieses Erbe dann
ver‐
mehrt, und auch
vermindert werden
können, bis an der Eltern Lebensende
auf der Erde...
Ausschlaggebend aber bleibt, was
in
der Kinderzeit dem neuen Leben dar‐
geboten wurde!
Zwar kann das Kind auch später
gegen
dieses Erbe kämpfen, ‒ mag es
sein Glückeserbe
nicht zu schätzen
wissen, oder sich aus seinem Unheils‐
erbe
lösen wollen, ‒ allein, was ihm
die Eltern
in der Kinderzeit „vererb‐
ten”, wird
niemals gänzlich zu ver‐
nichten sein, ‒ ‒ wie mancher dank‐
bar anerkennen wird,
der sich sein
Glück zu schaffen wußte auf dem
Unterbau,
den ihm das Elternhaus
bereitet hatte, und was auch leider
mancher täglich neu bestätigt findet,
der
schwer zu kämpfen hat,
um sich
von seinem Unheilserbe zu be‐
freien. ‒ ‒ ‒
Ich muß jedoch ausdrücklich hier beto‐
nen, daß ich noch immer von dem „
Erbe”
rede, das
durch des Blutes Strahlung
jedem Kinde mitgegeben wird, und daß
es sich dabei
um weitaus Wichtigeres
und Bedeutenderes handelt,
als
alles darstellt,
was durch äußere Er‐
ziehung dargeboten werden kann!
‒ ‒ ‒
Wo eine
Ehe sich ihr
eigenes Glück
noch nicht zu schaffen wußte, dort ist
das Kind sehr in Gefahr, durch Strahlun‐
gen geformt zu werden in der Seele, die
aus dem Blute noch sehr
schwanken‐
der und
disharmonischer Erzeuger
kommen, so daß es dann ein „
Erbe”
mit durchs Leben schleppen muß,
das
ihm wahrhaftig nicht viel Segen
bringen kann...
Nicht unbekannt ist vielen Ehepaaren,
die arm an äußeren Gütern sind, die
Sorge, ob sie auch ein Kind
ernähren
könnten, ‒ und manches neue Leben
muß durch solche Sorge seiner Zeuger
schon im Mutterleib erfahren, daß es
unerwünscht ins Dasein treten wird.
Viel wichtiger jedoch als
diese Eltern‐
sorge, die ja doch dann meistens irgend‐
wie noch
zu beheben ist, muß stets
die Sorge bleiben um das
Glückeserbe,
das man seinem Kinde darzubieten hat.
‒ ‒ ‒
Doch ist auch
diese Sorge weitaus
leichter aus der Welt zu schaffen,
wenn man nur selbst sich zur Erkenntnis
durchzuringen weiß, daß man
ver‐
pflichtet ist, sein
Eheglück sich zu ge‐
stalten, wodurch man dann auch seinem
Kinde Glück „
vererben” kann. ‒ ‒
Wie aber Eheglück
zu schaffen ist, das
wurde hier in mannigfacher Weise
wahrlich schon genugsam dargelegt.
‒ ‒
Zwar weiß ich nur zu gut, daß dieses
Buch
nicht all'
die tausendfältigen
Gegebenheiten in Betrachtung zie‐
hen kann, die da
im Einzelfall von
denen, die es angeht, weise zu beachten
sind, ‒ doch sind hier
alle Einzelfälle
durchaus einbezogen, so daß sich jede
Ehe das, was ihren Sonderfall betrifft,
leicht aus des Buches Worten abzuleiten
wissen wird...
Ich aber weiß auch, daß es mir
unmög‐
lich bleibt, durch Worte der Belehrung
nun auf einmal
allen Ehen,
die bisher
ihr Glück versäumten,
ohne Zutun
der zunächst Beteiligten,
das große
Glück zu bringen. ‒
Bei
keiner menschlichen Beziehung hier
auf Erden
läßt sich von außenher so
wenig helfen,
Glück zu schaffen, als
bei der Ehe!
Hier finden
die nur Hilfe, die sich lehren
lassen wollen,
wie sie selbst sich hel‐
fen können! ‒ ‒ ‒
Ihnen nur ist dieses Buch gewidmet!
Wo wahres Eheglück
besteht, dort
wird das
Kind der Ehe aber nicht nur
jenes Glückeserbe mitbekommen, das
aus dem
Blut der Eltern auf das neue
Leben überstrahlt und
seinem Blute
Rat und Richtung gibt, sondern solches
Erbe wird auch
Zuwachs finden in dem
Außenleben eines Elternhauses. ‒
So wie das
Wort nur dann „
erzieht”,
wenn es durch
Beispiel die
Bestäti‐
gung empfängt, so wird, was
Gutes
aus dem
Blute überstrahlt,
verdoppelt
wirken, wenn das Elternhaus in dem ein
Kind heranwächst und in dem es selbst
als mitbeteiligt sich erlebt,
von Glück
und Frieden zeugt und ihm den Ein‐
druck in die Seele prägt,
daß eine an‐
dere Art zu leben,
als sie hier sich
auswirkt,
gar nicht möglich sei.
‒ ‒
Mag auch dann später arges Ungemach
in eines solchen Kindes Leben treten, so
wird es dennoch
über dem Geschehen
stehen, denn, was das Elternhaus ihm
mitgegeben hat,
bleibt starker Halt,
auch dann,
wenn alles Andere wankt!
Wer da aus eigener Erfahrung aus dem
Elternhause her noch weiß, wie reich die
Glückes-
Möglichkeiten dieses Erden‐
lebens sind,
der wird dem Leben nie‐
mals fluchen können, auch wenn, ‒
verschuldet, oder unverschuldet, ‒
bit‐
teres Leid durch Andere ihm wider‐
fahren mag! ‒
Er findet in sich selbst die Kraft zum
Neubeginn, und wird sich, ‒ selbst
aus Trümmern noch, ‒ sein
neues
Glück zu schaffen wissen! ‒ ‒ ‒
Alles Glückeserbe trägt ja dadurch in
sich selbst den hohen Wert, daß es den
„Erben”
lehrt,
sein eigenes Glück zu
schaffen! ‒ ‒
Es ist ein „
Erbe”,
das man nur ge‐
nießt,
indem man es benützt zu eige‐
nem Wirken! ‒ ‒ ‒
Vergeblich suchen
die nach
Glück, die
immerfort nach neuen Wegen Ausschau
halten, auf denen sie ihm wohl
begeg‐
nen könnten! ‒
Vergeblich wird man auch das Glück
erwarten, so als ob es eines Tages
kommen
müsse, weil man
ein Recht zu
haben glaubt auf Glück! ‒ ‒
Man hat kein „
Recht” auf Glück, ‒ wohl
aber hat ein jeder Mensch die
Pflicht,
sein Glück
zu schaffen, was schon das
Volkswort ahnt, wenn es von einem,
den es „glücklich” nennt, zu sagen weiß:
Er hat sein Glück „
gemacht”! ‒ ‒ ‒
Nirgends wird man wahres Glück
auf Erden finden, ‒
es sei denn,
daß es einer sich geschaffen hätte!
‒ ‒ ‒
Auch jenes Glückeserbe,
das dem Kinde
durch die Eltern werden kann, muß
erst
geschaffen werden
von den El‐
tern! ‒ ‒
Es wird erst dann dem Kinde
wirken‐
der Besitz, wenn sich das Kind, bereits
herangewachsen, nicht mehr nur an sei‐
nem Glückeserbe
freut, sondern er‐
kennt, daß ihm nun
Pflicht erwächst,
sein Erbe zu
gebrauchen, und auf ihm
sein eigenes Glück sich zu erbauen.
‒ ‒
Die aber werden es am besten bauen
lernen,
die schon im Elternhause mit‐
erlebten,
wie ein Glück sich aufer‐
bauen läßt...
Die werden nie die Kraft verlieren,
neues Glück zu schaffen, auf die in ihrer
Jugend einst die Kraft von Eltern über‐
strömte,
die da selbst das Glück zu
schaffen wußten! ‒ ‒ ‒
So wird das Glück der guten
Ehe noch
auf Kindeskinder überströmen, und
immer wieder
neue Glückesmöglichkeit
erzeugen!
Selig die Ehe, die auf solche Art zu
einem Schatzhaus wird, das seinen
Glückesreichtum
nie vermindert sieht,
wie überreich er sich auch in die Welt
ergießen mag!
‒ Und alles, was man sonst auf dieser
Erde finden kann, bleibt nur
ein klei‐
nes neben jenem
Glück, das in der
Ehe
aufgerichtet werden soll! ‒
Was hier auf Erden sonst noch als be‐
gehrenswert erscheint, ist selten in des
Menschen freie Macht gegeben.
Stets zeigt es sich bedingt durch
Außendinge: ‒
kann durch Andere
behindert und vernichtet werden!
Das wahre Glück der
Ehe aber ist im
inneren Leben nur zu gründen, und
ward es da auf festen Fundamenten
auf‐
erbaut, dann
kann nichts Äußeres
es jemals mehr zerstören, ‒ ja selbst
den
Erden-
Tod wird es zu
über‐
dauern wissen, wollen die es
sich er‐
halten sehen, die es sich einst schufen!
‒ ‒ ‒
So aber wird auch
eines Kindes
Glückeserbe aus der guten Ehe sei‐
ner Eltern tief verankert sein im
in‐
neren Leben, und keine Macht der Erde
wird dem Kinde je sein „Erbe”
rauben
können, das ihm
erhalten bleibt, selbst
in der
Ewigkeit! ‒ ‒ ‒
* *
*
ALLES Glücksverlangen, das hin‐
aufreicht über niederes irdisches
Begehren, ist nur
Sehnsucht nach Ver‐
einigung der Geister in dem Geistes‐
Urgrund, der sie ewig
zeugt, und ewig
sie
aus sich entläßt, um ewig wieder
sie in sich zurückzunehmen...
Noch aber ist der Menschengeist der
Erde
Irdischem verhaftet, das dort, wo
seine Sehnsucht
Einung will, nur
Tren‐
nung schafft. ‒ ‒
Freundschaft entsteht, und sucht die
Trennung
aufzuheben, ‒ aber siehe:
‒ Freund und Freund verbleiben den‐
noch
Einer nur und
Einer, die sich beide
nie im Innersten zu
Einheit ineinander‐
schmelzen können! ‒ ‒
Nur die
Ehe, die
das Männliche dem
Weiblichen vereint, schafft
wirklich
eine neue Einheit! ‒ ‒ ‒
Hier ist nun Mensch und Mensch zu
übererdenhaftem
Ganzen neu ver‐
schmolzen, so wie einst beide
vor dem
„Fall” in irdische Erscheinungswelt ver‐
einigt waren! ‒ ‒ ‒
Mag das auch den Vereinten
nur in sel‐
tenen hohen Fällen zu Bewußtsein
kommen, so ändert dies nicht, daß die
Einung nun erneut
im gleichen Ur‐
grund allen Seins Ereignis wurde,
in dem sie einstmals
urgegebenes Er‐
eignis war. ‒ ‒ ‒
Das
Allerwenigste von dem, was
wirklich ist, wird Menschen je „
be‐
wußt”, und was im
Un-
Bewußten,
Un-
Gewußten bleibt, ist dennoch
für
den Menschen mehr bestimmend,
als alles was ihm
zu Bewußtsein
kommt. ‒ ‒ ‒
Sobald auf dieser Erde
Mann und
Weib sich gegenseitig angeloben, ‒
im festen Willen,
ihr Gelöbnis immer‐
dar bis an das Ende ihres Erden‐
daseins aufrecht zu erhalten, ‒ er‐
steht im wesenhaften Geiste eine neue
Einheit: der
Form nach völlig
jener
Einheit gleich, in der einst
jeder dieser
beiden, auf der Erde nun geeinten Men‐
schengeister,
im Geistigen mit seinem
urgegebenen Gegenpol vereinigt
war.
Für diese Erdenzeit ist stets
der leib‐
lich sichtbare, dem anderen Teile
ehe‐
lich verbundene Gegenpol,
allein in
Wirksamkeit,
ganz einerlei,
ob es
sich, ‒ wie in äußerst seltenen Fällen,
‒
wirklich um zwei Pole handelt,
die dermaleinst vereint gewesen
waren und in der Zeiten Fülle wie‐
der sich für alle Ewigkeit vereinen
werden, oder um zwei
urgegeben
„
fremde” Pole! ‒ ‒ ‒
Jeder Eheteil hat darum
nur in dem ihm
hier auf Erden angelobten anderen
Eheteile seinen ihm vereinten Ge‐
genpol zu sehen,
da während die‐
ser Erdenzeit kein anderer sich ihm
einen kann...
Nur mit ihm hat er die
Geistes-
Ein‐
heit aufgerichtet, von der allhier die
Rede ist, und
niemals weiß hier auch
der Weiseste mit aller Sicherheit,
ob dieser,
für die Erdenlebenszeit
vereinte Gegenpol ihm nicht auch
ewig als sein urgegebener Er-
gän‐
zungsteil verbunden bleiben wird.
‒ ‒ ‒
Nur ganz bestimmte geistige Erfah‐
rungsfähigkeit kann da zuweilen, ‒
wenn auch nicht ganz leicht, ‒
den
Schleier lüften...
Um aber keiner Frage Raum zu lassen,
muß ich hier erwähnen, daß
auch dort,
wo sicherste Gewähr besteht,
daß
zwei im Urzustand einst in Verei‐
nung geistgezeugte Gegenpole sich
als
Erden-Menschen hier begegnet sind,
‒ die
neue Einheitsform von der ich
rede,
nur dann zu schaffen ist,
wenn
diese beiden Erdenmenschen sich in
einer wahren Ehe hier für dieses
Erdenleben einen. ‒ ‒ ‒
Es ist diese „
Einheitsform” eine gei‐
stige Gestaltung, die gleichsam
latent,
im Geiste stets
als Möglichkeit gege‐
ben ist, doch aber nur, wenn
Ehe‐
wille sie erneut „
erregt”, zur
Seins‐
wirkung gelangt, wonach sie dann
bestehen bleibt, solange dieser Ehe‐
Wille sich erhält. ‒ ‒
Erlischt er durch den
Tod des Erden‐
körpers eines beider Eheteile, oder
durch die
Lösung einer Ehe, so tritt
auch diese Einheitsform nun
in Latenz
zurück, um stetig wieder
neu zur
Seinswirkung zu kommen, wo
immer neuer,
anderer Ehe-
Wille sie
„erregt”. ‒ ‒ ‒
Man wähne nicht,
im Ewigen sei
solches Werden und Vergehen,
Ver‐
sinken und dann wieder
Auferstehen
bestimmter Formen doch „
unmöglich”,
da
Ewiges doch keinen „
Anfang” und
kein „
Ende” dulde! ‒
Hier tat der menschliche
Verstand dem
Menschen wahrlich
schlechten Dienst,
wenn er ihn zu verleiten wußte, sich nach
seinen,
nur im Irdischen begründeten
Gesetzen, ein
Bild des Ewigen zu
konstruieren!...
Da
hier auf dieser Erde, wie im gan‐
zen sichtbarlichen Kosmos, alles, was da
„
Anfang” nimmt, auch „
Ende” finden
wird, ‒ da
hier, was sich aus „Ele‐
menten” einst
zusammenfügte, auch
unerbittlich wieder
auseinanderfallen
muß, ‒ so glaubt der
irdische Verstand
sich sehr berechtigt zu dem billigen
Schluß: ‒ daß
Ewiges dann nur
im
Gegensatz zum Irdischen bestehen
könne, ‒ ‒
falls es überhaupt bestehe.
Und die in solcher Weise klügelnd kal‐
kulieren, ‒ ihrer „Weisheit” froh, die
sie in unerschütterbaren „
Denkge‐
setzen” felsenfest gegründet wähnen,
‒ ahnen nicht,
daß sie mit einem
Maße messen, das im Ewigen
nicht
existiert, da nur
der wesenlose
Schein gewisser Denkvorgänge ihm
den Schein des Daseins schenkt.
‒ ‒ ‒
Mag es für irdisch-menschliche Gehirne
aber auch als völlig „
unbegreifbar”
gelten, so bleibt doch
Ewigkeit, ‒ und
„Ewigkeit” ist nur
das Sein des we‐
senhaften Geistes ‒ anfang- und
endlos immerdar nur Sein
als stets
bewegtes Leben, von dem das
„Leben” dieser Erdenwelt, wie alles
physisch-kosmische Geschehen, nur
fer‐
ner,
letzter Abglanz ist,
getrübt
durch der „
Materie” rauhen, dunklen
Spiegel. ‒ ‒ ‒
In wesenhafter
Ewigkeit, ‒ im reinen
Geiste, ‒ ist die
Ehe zweier Erden‐
menschen nur allein
begründet! ‒ ‒ ‒
Wäre diese letztliche Begründung
nicht
gegeben, dann wäre füglich nicht von
„
Ehe” mehr zu reden, sondern nur von
der Verbindung der Geschlechter:
aus
eigenem Wohlgefallen aneinander,
und, um dieser Erdenmenschheit
Nach‐
wuchs zu erzeugen...
Dann bliebe freilich alles Miteinander‐
leben der Geschlechter auch am besten
freier Willkür überlassen, ‒ nur dort
etwa noch eingedämmt, wo Dämme auf‐
zuwerfen wären um der
Gesamtheit
Wohl nicht zu gefährden. ‒
Nun aber
ist es Erdenmenschen
mög‐
lich, in männlich weiblicher Verschmel‐
zung einen
Tempel aufzurichten, der
bis ins Innerste der Gottheit ragt!
‒ ‒ ‒
„
Mann und Weib und Weib und
Mann,
reichen an die Gottheit an”
‒ singt Weisheit wie aus Kindermund
in einem Texte, den ein naiver „Wissen‐
der” dem größten Künstlergenius seiner
Zeit zur Tongestaltung bot. ‒ ‒ ‒
Im
reinen Geiste wird die
Ehe zweier
Erdenmenschen
geistiges Geschehen!
Auf
solche Art, und
nicht etwa durch
Priesterwort, noch weniger gar durch die
Anerkennung staatlicher Behörden, die
allein der Ordnung
irdischen Geschehens
dient, empfängt die
Ehe ihre hohe
Weihe in der
Ewigkeit! ‒ ‒ ‒
Dunkles Ahnen dieses
wirklichen Ver‐
bundenwerdens in der Ewigkeit, spricht
Volksweisheit im Sprichwort aus, wenn
sie zu sagen weiß, daß „Ehen
im Him‐
mel geschlossen” würden...
Und selbst die machtbewußte
Kirche
Roms hat längst entschieden, daß
das
Versprechen zwischen Mann und
Weib,
einander bis zum Tode in der
Ehe zu gehören,
an sich bereits die
Ehe schließt, und daß der Weiheakt
des Priesters nur die so
geschlossene
Ehe
segnen könne, ‒ ‒ auch wenn
man es geflissentlich vermeidet, diese,
nach dem Dogma
durch den „
heiligen
Geist”
gegebene, Konzilsentscheidung
allem Volk bekanntzugeben. ‒ ‒
Noch wirkt die alte Weisheit Wissender
auch dort sich aus, wo man
den
Schlüssel längst
verloren hat, der
heutigen und kommenden Geschlechtern
uralt hehre Tabernakel öffnen
könnte...
Doch auch im innersten
Gefühl des
Menschen,
der die Ehe kennt,
wie
sie Gestaltung hier auf Erden finden
soll, wird leise zu ertasten sein, daß
ein
Mysterium in der wahren
Ehe sich
erfüllt, ‒ ‒ auch wenn man nicht die
letzte
Wirklichkeit erschaut, die strah‐
lend über jeder wahren Ehe auf zum
Himmel ragt. ‒ ‒ ‒
Diese
Wirklichkeit jedoch wird jedes
Ehepaar allmählich mehr und mehr
er‐
fühlen lernen müssen, wenn es er‐
kennen will, daß es
im Ewigen ver‐
bunden ist. ‒ ‒ ‒
Im
Irdischen herrscht Auswirkung des
kosmischen, unbeugsamen
Gesetzes,
und
Liebe kann hier nur
begrenzt ins
Dasein wirken. ‒
Was man auf Erden „
Liebe” nennt, ist
nur ein schwacher Wiederschein
der
Liebe, die
des Geistes Ewigkeit im
Sein durchflutet: ‒ der
Liebe, die
in
Gott und
Gottes Leben ist, ‒ die alles
was das kosmische
Gesetz erstrebt und
nie erreichen kann, erst zur
Erfüllung
bringt! ‒ ‒ ‒
Ihr
wirkungsvollster Wiederschein
auf Erden wird
Erlebnis in der wahren
Ehe!
Ihn zu
erleben und erlebend zu
emp‐
finden, ist der Ehe höchstes,
ihr allein
nur vorbehaltenes
Glück! ‒ ‒ ‒
Wo immer dieser reinste Wiederschein
der
Liebe, die da
Gottes Leben ist, in
Einheit geistigkörperlicher Ineinander‐
schmelzung zum
Erlebnis wird, dort
hat
das Reich des wesenhaften Gei‐
stes sich dem Irdischen verbunden,
‒ und ‒ wie einst
alle Menschen‐
geister sich in
Liebe einen werden in
der
Ewigkeit, so wurden
Mann und
Weib,
die solches heiligste Erleben
kennen,
hier auf Erden schon ge‐
eint. ‒ ‒ ‒
Wo aber diese
Geistereinigung ein‐
mal
besteht, dort wird sie auch
nicht
aufgehoben, wenn in der
Ewigkeit
dereinst sich
jene urgegebenen Pole
wiederfinden, die
hier getrennt und
meist
nicht umeinander wissend, im
Menschentieresleibe über diese Erde
schreiten. ‒ ‒ ‒
Im Geistigen
durchdringt das Ein‐
zelne sich gegenseitig, und so auch
lebt der Geistesmensch, der in Vereini‐
gung mit seinem Gegenpol den urgege‐
benen Zustand seines
Seins zurück‐
errungen hat,
in gegenseitiger Durch‐
dringung aller anderen erneut Ge‐
einten. ‒ ‒ ‒
Es ist nicht etwa so, daß eine
Ehe, die
sich hier auf Erden in der höchsten
Glücksvollendung fand, obwohl die
beiden Eheteile
keineswegs etwa
auch urgegebene Einheitspole wa‐
ren, nun in der
Geisteswelt durch un‐
gewollte
Trennung leiden könnte!
Nur, was getrennt sein
will, ist dort ge‐
trennt, und schon der Wille
eines Teils
genügt, um solche Trennung zu bewir‐
ken, bis einst
beide Teile auf der glei‐
chen
höchsten Stufe stehen, auf der es
keinen Trennungs-
Willen gibt...
Auf jenen
niederen Stufen geistig‐
wachen Seins jedoch, die nach dem „Tode”
dieses Erdenkörpers erst durchschritten
werden müssen, herrscht in gleicher
Weise
Trennungs-, wie
Vereinungs‐
wille. ‒
Wenn aber
Trennungswille wirksam
ist,
durchdringt das Einzelne einander
ohne gegenseitig seiner Gegenwart
bewußt zu sein, wogegen der
Ver‐
einungswille gegenseitiges
Erleben
im
Durchdringen schafft, das
über jede
erdenhafte Vorstellung erhaben ist,
und sich in Worten niemals schildern
lassen würde. ‒ ‒ ‒
Schwacher Abglanz solchen geistigen
Erlebens mag sich noch
erahnen lassen
in der Vorstellung, als könne man hier
auf der Erde seinen Erdenleib verlassen,
um in dem geliebten Menschen, ‒
mehr
noch als ihm selbst je zu Bewußt‐
sein käme, ‒
jegliche körperliche,
jede Seelenregung intensiv und
klarbewußt mitzuempfinden...
Höchstes Sehnen aller wahrhaft
Liebenden auf dieser Erde
findet so
im Geistes-
Sein Erfüllung! ‒ ‒ ‒
Es ist die wahre
Ehe wahrlich
niemals
lösbar, und auch
in aller Ewigkeit
wird sie
bestehen bleiben!
Jedoch ist sie auch keineswegs in einem
Menschenleben auf der Erde
einmal
nur erlebbar!
Wo „Tod” die irdische Verbindung schei‐
det, dort kann der Überlebende sehr
wohl auch eine
neue Ehe schließen, und
somit
eine neue Einigung im Geiste
schaffen, die der ersten keinen Abbruch
anzutun vermag. ‒ ‒
Die geistige Durchdringung derer, die
in
Liebe ewiglich verbunden bleiben,
kennt keine „
Eifersucht”, da
nichts im
Geiste ist, das sie
begründen könnte,
‒ wie denn alle Eifersucht der Lieben‐
den auf Erden
letzten Endes aus der
Seele banger Sorge kommt, erstrebte
Einung könne in
Gefahr geraten,
nicht
bewirkt zu werden...
Im Geiste aber
ist die Einigung
bewirkt
und
nichts kann sie gefährden!
In gegenseitiger Durchdringung ist
im Geiste
alles in
Ver-
Einung, was
sich nur jemals auf der Erde hier in wah‐
rer
Liebe fand! ‒ ‒ ‒
Was aber einmal in der
Ehe hier auf
Erden schon zur
Einung kam, das kann
durch Erdentod zwar
körperlich ge‐
schieden werden, doch ist es
niemals
mehr
im Geistesreich zu trennen!
‒ ‒ ‒
Dort
mehrt es nur den
Einungswillen,
der einst
aller Erdenmenschheit
Geist‐
vereinung schaffen soll, und
der in
jeder neuen wahren Ehe Mann und
Weib bereits zu solcher Einung
führt. ‒ ‒ ‒
So schafft die wahre
Ehe wahrlich
ewige Verbundenheit, ‒ und nicht
nur
zwischen beiden Menschenpo‐
len,
die sie geistig eint, sondern, in
anderer Weise, dann auch
zwischen
ihnen und den schon im wesenhaf‐
ten Geist Geeinten in der Ewigkeit!
‒ ‒ ‒
Wohl denen,
die hier fassen,
was
da zu erfassen ist!
Wohl denen, die es
in der Ehe zu er‐
leben wissen!
An allen Orten dieser Erde sollten „
Tem‐
pel der Ehe” sich erheben, ‒ Weihe‐
stätten, deren Priesteramt nur Menschen
führen dürften,
die um die Möglich‐
keit der Geisteseinung in der Ehe
wissen, und
gewillt sind,
sie mit
allen Kräften zu erstreben!
Hier sollten alle Dinge
würdige Bera‐
tung dann erfahren, die irgendwie ge‐
eignet scheinen, um in dieser Welt:
der
Ehe hehrer Heiligkeit zu dienen!
Von hier aus sollte man versuchen, allen
Ehen auch die
äußeren Bedingungen
zu schaffen, unter denen sie
gedeihen
könnten!
Von solchen hohen Weihestätten sollte
alle Sorge um die Jugend ihren Aus‐
gang nehmen!
Hier sollten
alle Liebenden die sich
zur Ehe einen wollen,
gütigen Er‐
fahrungsrat empfangen!
Hier sollte
allen denen Hilfe darge‐
boten werden,
die ihrer Ehe Glück
nicht schaffen konnten und sich vor
der
Lösung ihrer Ehe sehen!
Wahrhaftig, ‒ hier wäre
Großes
noch zu tun, und
aller Menschheit
würde
Segen über Segen kommen
aus dem Wirken derer, die
als wahre
Sorger um die Seelen, ‒
frei von
jeder Sucht nach Seelenfang für eine
Glaubensmeinung, ‒ hier zu helfen
suchen wollten,
daß die Ehe werde,
was sie hier auf Erden sein kann,
weiß man von ihrer geistigen Be‐
gründung vor dem Angesicht der
Ewigkeit!!
Noch hat die Erdenmenschheit aber
nicht
erkannt,
daß alles Heil ihr aus der
Ehe werden könnte...
Noch sucht man nur „
Verbesserung”
zu schaffen da und dort mit redlichstem
Bemühen, und niemand scheint zu sehen,
daß der Menschheit nur zu helfen
wäre,
würde diese Hilfe aus der
wahren Ehe sich von selbst erge‐
ben! ‒ ‒ ‒
Niemand scheint zu wissen, daß
die
menschliche Vereinung die das Leben
zeugt, natur- und geistgewollter
Aus‐
gangspunkt für seine rechte
Führung,
seine rechte
Lenkung ist! ‒ ‒ ‒
Wenn
Übel in der Menschheit zu be‐
kämpfen sind, ‒ und wer vermöchte
das zu leugnen? ‒ ‒ dann sind
die
Wurzeln dieser Übel dort zu suchen,
wo man nicht um die hehre Heilig‐
keit der Ehe weiß, ‒ oder
wo geile
Gier in Wort und Bild und Tat sie
schänden darf, ‒ oft noch des Beifalls
Solcher sicher, die ihre
eigene Ehe
rein zu halten wissen! ‒ ‒ ‒
Hier muß
Wandlung werden, soll die
Menschheit nicht in
Lüsternheit und
seichtem Wohlbehagen an der steten,
nur zu gern gesuchten
Überreizung im
Geschlechtlichen zugrunde gehen! ‒
Vor allem aber wird das
neue Leben, ‒
wird die
Jugend,
selbst sich schützen
müssen vor Verfall, und das kann
nur geschehen, wenn sie selbst
die Ehr‐
furcht vor der Heiligkeit der Ehe in
den Herzen zu erwecken sucht!
‒ ‒ ‒
Nur einer Generation
die um die Hei‐
ligkeit der Ehe weiß und so
in tief‐
ster Ehrfurcht vor dem hocherha‐
bensten Mysterium des Menschen
steht, kann
jene Menschheitszukunft
werden, die, von den Besten aller Völker
längst herbeigesehnt, gewiß
erreichbar
ist, ‒ jedoch
nur dann, wenn man sie
selber ‒ ‒
schafft! ‒ ‒ ‒
Der Wille nur, ‒
niemals der Wunsch!
‒ ‒ kann hier das hohe Wunder
wir‐
ken!! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Dann wird so manche „Frage”
lösbar
werden, die heute noch
unlösbar
scheint, ‒ und
großes Leid wird
aus der Erdenwelt verschwinden!
‒ ‒ ‒
Noch sind wir leider
allzuweit von
dieser
neuen Zeit die jedem Men‐
schen seines Menschtums heilig‐
hohe Würde zu Bewußtsein brin‐
gen wird! ‒
Und doch wird diese Zeit dereinst
erscheinen, ‒ wenn jeder Mensch der
hier
zur Einsicht kommt, in sich die
Pflicht empfindet, alles was an
seinen
Kräften liegt
daranzugeben, um so
bald als möglich
sie herbeizuführen!
Keiner glaube etwa, daß an
seinen
Kräften
allzuwenig nur gelegen sei!
Hier wird Jeder zum Verstärker
eines
Willens, der schon in der Welt
vorhan‐
den ist, und dieser so geeinte
Wille
wird sich seine Wege
schaffen, um den
Willen
Aller zu erreichen! ‒ ‒ ‒
Heilig wird dann
allen heißen: ‒
der
Geschlechter Inbrunst,
sich zu
einen! ‒ ‒ ‒
Heilig: ‒
das Mysterium des Zeu‐
gens und Gebärens! ‒ ‒ ‒
Heilig, ‒
dreimal heilig: ‒
die Ver‐
einung die das Weib dem Manne
eint,
zu engverschmolzener Ge‐
meinsamkeit für Zeit und Ewigkeit!
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
* *
*
ENDE
EWIGE WIRKLICHKEIT
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASEL
UM DEN FORDERUNGEN DES URHEBERRECHTES
ZU ENTSPRECHEN, SEI HIER VERMERKT, DASS
ICH IM ZEITBEDINGTEN LEBEN DEN NAMEN
JOSEPH ANTON SCHNEIDERFRANKEN FÜHRE,
WIE ICH IN MEINEM EWIGEN GEISTIGEN SEIN
URBEDINGT BIN IN DEN DREI SILBEN:
BÔ YIN RÂ
BASLE 1934
COPYRIGHT BY
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
Die mich „
verstehen” wollen,
Werden schwerlich jemals
Meine Worte fassen,
Denn was ich gebe,
Will
Erlebnis werden, ‒
Nicht verlierbares Verstandesgut!
Worte, die in dem, der sie empfängt,
Nicht in die Tiefe sinken
Und im Allertiefsten
Seine Seele
wandeln können,
Mögen dienstbar sein
Dem irdisch hirnbedingten
Denken,
Auch wenn sie dem, der sie empfängt,
Kein geistiges Erleben schenken.
Meine Worte aber werden dem, der sie
Empfängt, erst dann verstandeseigen,
Wenn sie
Wandlung wirkten
In der Seele allertiefsten Tiefen:
Dort, wo geistlebendige Gebete
Nach
Erlösung aus den Fesseln
Hirnbedingten Denkens riefen.
*
Offen liegt vor aller Augen,
Was ich gab und gebe:
Sichtbar, bin ich selber Weg
Zu Dem, in dem ich geistgeboren lebe.
Unsichtbare aber
Spielen manchem in die Hände:
Was ich niederschrieb
Auf daß es Finder fände.
Gewahren des Erprüften Sinne
Solche Zeichen,
So wird er wachend auch dereinst
Den Weg erreichen.
Doch, bleibt er störrisch
Von sich selbst benommen,
So war, was zu ihm kam:
Zu früh gekommen!
*
Den
Weg erreichen, den ich zeige,
Heißt das
Ziel erkennen,
Das alle Erdenziele hochhin überragt,
Die wunschbeschwerte Träume
Schon „erhaben” nennen.
Hat einer erst den Weg gefunden,
Findet er auch dieses Weges hohes Ziel.
Schon nach den ersten Schritten auf dem
.Wege
Fühlt er sich gesunden,
Und nicht mehr eingezwungen hörig
Wesenlosem Spiel.
Doch: nicht im Wettlauf wird der Weg
.durchmessen,
Und keiner kann hier Mitbewerber über‐
.rennen!
Hier muß der Wanderer
Erst allen Geltungsdrang vergessen,
Nicht eher hört er sich im Ziel bei Namen
.nennen.
*
Ich kann nur geben,
Was der Vater gibt.
Ich kann nur lieben,
Was der Vater liebt.
Ich kann nur künden,
Was der Vater kündet,
Dem ich, in allen Sünden,
Sohn bin: ‒ Eingebündet
Seinem ewig einen Leben,
Das er aus Ewigem
Auch Irdischem gegeben:
Um hier Versunkenes
Zu finden
Und erneut emporzuheben.
Ich bin nicht selbstgezeugt
Im Geiste,
Aus dem „Urwort”,
Wie der Vater,
Der als seine Selbstgestaltung
Stets im Geist verbleibt.
Ich bin, ‒
Ein Wort der Ewigkeit, ‒
Im „Wort” gezeugt,
Urewig.
Und zu urbestimmter Zeit
Ward, zeitbedingt,
Dem Erdenmenschen
Ich ‒ der Urgezeugte ‒
Einverleibt.
*
Mein ganzes Erdenleben war
Von früher Kindheit an ein stetes Geben.
Wie die Nager auf den Feldern
Immerfort in ihre Löcher bergen,
Was die Gier erreicht,
Wie die Emsen, gribbelnd,
Alles, was sie schleppen können
In die Nester tragen,
Wie die Bienen triebhaft
Honig sammeln,
Füllend ihre Waben,
So war ich, seit ich weiß um erstes
.Denken
Und aus Irdischem Erinnerung verwahre,
Aus innerlichem Drängen immerfort ge‐
.trieben:
Das, was mein Eigen hieß,
Erst als Geschenk für Andere zu lieben.
Noch niemals habe ich Besitz besessen,
Den ich nicht, leichten Herzens, gern ver‐
.gessen,
Wenn ich, voll Selbstbeglückung, ihn ver‐
.schenken konnte,
Wo es Pflicht mir nicht verbot.
Doch nicht nur
Was man mit Händen greift,
Bot solcher Gebedrang
Allezeit Anderen dar.
Auch was mir
geistig zugehört
Und zugehörte, lang vor meinen Erdenjahren,
Ist mir im Irdischen zum ersten darum wert,
Weil es sich weiterschenken läßt,
An Alle, die es nicht durch eigenes Erfahren,
Im geistgezeugten Licht
Als Eigentum gewahren.
Höchsten Wertes
Ward ich solcherart
Mir selbst im Unsichtbaren,
Wie ich im ewiglichen Geiste
Mir geboren bin,
Weil hier ich selber
Mich verschenken kann
An Tausende und immer wieder Tausende,
Ohne doch jemals mich zu verlieren,
Ohne doch jemals mir zu mangeln,
Wenn ich immer wieder Anderen
Mich selber schenken will.
*
Was ich im Ewigen
Jemals erfahren,
War mir vertraut schon
In kindlichen Jahren.
Und schien ich mir später
Im Trüben verloren,
So ward ich doch immer
Mir neu geboren.
Was mir im Äußeren
Mochte begegnen,
Konnte ich stets
Aus dem Innersten segnen.
Doch sah ich auch frühe schon
Mein Erfahren
Nur in der
Stille
Bewahrt vor Gefahren.
So blieb ich in Gott...
Und in Gott verloren,
Fand ich mich selber
In Gott geboren.
*
Im Geiste
Geistig aus dem Geist gezeugt,
Im Irdischen
Allerdenhafter Last gebeugt
Und dennoch erdenhafter Freude
Dankbar zugeneigt, ‒
Ist mir mein Zeitliches
Kein „Hier”,
Mein Ewiges
Kein „Dort”:
Wo immer ich mich finde,
Bin ich in mir selbst,
Und selbst an gleichem Ort.
Ich könnte niemals trennen,
Was in mir Vereinung fand:
Den Menschen dieser Erde
Von dem Geistgezeugten,
Dem der reine Wille
Des nun irdisch Einverleibten
Sich vor aller Erdenzeit
Im Geist verband.
*
Die mir als Irdische im Geiste Brüder sind,
Verehren aller Kulte heilighohe Götter,
Und
keinem frommen Glauben nahen sie als
.Spötter!
Sie wissen, daß sich Gott
Nur in Verhüllung zeigt
Und denen, die ihn hüllenlos
Erkennen wollen, ewig schweigt.
So sehen sie in Brahma, Vischnu, Schiva,
Und dem Gott vom Sinai, ‒
Mag er den einen: Jahwe, anderen: Allah
.heißen, ‒
In Samtscheh Mitschebat:
Dem „Ewigen Allmächtigen” der Stämme
.Tibets,
Und Bô-Chan, oder Fô:
Dem Himmelsbuddha
Der Mongolen und Chinesen,
Nur den gleichen, ewig einen Gott,
Der aller Götter Gottheit ist
In mannigfaltiger Gestaltungsweise.
Nur dem wird er in jeder Hülle sichtbar,
Den er selbst sich sehen lehrte,
Nur dem erkennbar, der es nicht begehrte,
Ihn anders, als in
jener Hülle zu erkennen,
In deren Namen er einst Mutterwort
Ihn hörte nennen.
Wer reinen Herzens in sich selbst
Den Gott der Kindheit ehrt, ‒
Dem Gott sich weihend in sich selbst, ‒
Und allen trennenden Gedanken wehrt,
Den lehrt sein Gott zuletzt sich selbst er‐
.kennen,
Und ihn im ewig einen Gottes-Namen
.nennen!
Doch, der nur wird das lichte Offenbaren
Des Einen, Ewigen in sich erfahren,
Der sich in
Ehrfurcht allen Göttern beugt,
In denen sich der Eine, Ewige bezeugt.
*
Wenn ich von Dingen
Die ich denen zu bekennen schuldig bin,
Die ich belehre,
Zuweilen auch in altbekannten Worten
.spreche
Die ich hoch verehre:
In Worten, die bei vielen Gläubigen
In alter Geltung stehen,
Und die in fester Prägung
Durch die Christenlande gehen,
So ist mir solcher Wortgebrauch geboten,
Durch ihn die Wahrheitstiefe altgeglaubter
Glaubenswerter Lehren auszuloten,
Die seichter Schätzung flach versandet
.scheinen,
Obwohl sie urtief gründen
In dem ewig Einen,
In dem ich selber gründe
Und aus dem ich lebe,
Wie ich aus ihm allein nur
Lichtgezeugte Lehre gebe.
Wie diese Lehre aber
Jeden religiösen Glauben
In sich selber duldet,
Weil sie ihr eigenhaftes Lehrgut
Keiner denkbedingten Meinung schuldet,
So ließe das, was sagbar werden kann,
Sich wahrlich auch in Worten sagen,
Die nie noch einer Glaubenslehre
Starre Last getragen.
Doch würde das gewiß nicht
Neuem Irrtum wehren
Und müßte nur die endliche Erlangung
Des Erlangbaren erschweren.
Denn: was ich zu erlangen lehre,
Alle, die im Innersten
Schon danach streben,
Ist weder Glaube, noch Verstandesmeinung,
Sondern urgezeugtes Licht
Und aller Todgefahr entrücktes,
Freudeklares ‒ Leben!
*
Der Vater liebt mich,
Wie ich selber mich
Im Vater liebe.
Hier liebt sich Liebe
In sich selber,
Unvergleichbar
Körperhaftem Triebe,
Sind auch urverbunden
Trieb und Liebe.
So liebe ich den Vater,
Wie er selbst
In mir sich liebt,
Dem er seit Ewigkeiten
Leben aus sich selber gibt.
Doch
meine Liebe
Lebt nur durch das Leben,
Aus dem der Vater
Sich den Sohn gegeben.
*
Manches Wort muß ich euch sagen,
Mag es euch auch schwer erfaßbar sein,
Denn in diesen meinen Erdentagen
Ward
nur mir in dieser Welt
allein
Solcher Kunde Kündung aufgetragen,
Und ich würde nicht ihr Künder sein,
Wollte ich erst Erdenhörige befragen,
Was ihr Wähnen willens ist, zu tragen.
Will ich auf Erden meine Pflicht erfüllen,
Dann darf ich erdbedingtes Werden
Nicht vor euch verhüllen.
Nur wenn ich zu mir selbst
Und meiner Art im Geiste
Euch in mir erhebe,
Kann ich der Weg euch sein
Zu
jenem Leben,
Das uns Irdischen nur
Er verwahrt,
Dem ich auf dieser Erde
Geistverschmolzen lebe.
*
Alles „Leben” lebt nur aus der Gnade,
Und nur die Gnade
Führt aus Erdentierheits-Nacht
Zu jenem einen engen, steilen Pfade
Auf dem sie alle
In das Licht geleitet,
Die sie ‒ es in sich zu ertragen ‒
Geistig vorbereitet.
Gnade ist keine Willkürspende,
Wie enger, allzuerdendumpfer Glaube
Hier zu deuten sich vermißt!
Gnade ist: ‒
Gott, ‒
Und Gott ist selbst: „die Gnade”,
So, wie Gott selbst: „
die Liebe” ist.
Nicht etwa nur als irdische
Vergleiche
Wollen solche Worte
Hier verstanden sein,
Denn
keine Seele dieser Sinnenreiche
Geht ohne Gott: ‒ „
Die Gnade” ‒
Hier in Gott: ‒ „
Die Liebe” ‒ ein!
*
Ich finde in mir vielerlei Gestaltung,
Jedoch in jeder bleibe jederzeit ich Dem
.geeint,
Den man allein in würdestrenger Waltung
Und in unnahbar großer Herrschergeste
Zu erkennen meint.
Mir ist die fromme Inbrunst eingeboren,
Wie der lose, heiterfrohe Spott:
Ich liebte jederzeit
Auch noch in seinem Teufel Gott,
War ich auch wahrlich
Niemals Teuflischem verschworen.
Ich wäre nicht, der ich seit Ewigkeiten bin,
Könnte verengen ich mir Blick und Sinn,
Für das, was Gott dem Erdenmenschen zu‐
.gedacht,
Damit er irdisch lachen lerne,
Wie sein Schöpfer, schöpferisch erschüttert,
Noch im tiefsten Ernst der Ewigkeiten,
Über alles ewig Lächerliche
Aus urgründig tiefer Weisheit ‒ lacht!
*
Die armen bang Betörten, die sich „ihren” Gott
Nur als den ewig ernsten Rächer ihrer Sünden
Und den behaglichen Bestrafer ihrer Misse‐
.taten
Vorzustellen pflegen,
Werden sicherlich, ‒ ich rede ohne Spott, ‒
So manche wohlbegründete Bedenken hegen,
Hören sie von einem Gott, der
lachen kann: ‒
Der selber sich das Lachen lehrte,
Und seit Ewigkeiten durch sein Lachen
Allem ewig Lächerlichen wehrte,
Das jederzeit der
Menschen Götter zu ertöten
.pflegt,
Weil allzuwürdereicher Hag
Die erdgeschaffenen umhegt.
Ich kann den unwirsch aufgeregten Dienern
Eines ihnen gleichen Gottes nur verkünden:
Daß der Urewige ‒ weiß Gott! ‒
Zu
lachen weiß,
Doch wahrlich
nicht vermag,
Zum „Zorn” sich zu entzünden,
An seiner armen Erdenmenschen
Armen Alltags-Sünden!
*
Es sprach einst einer, den die Welt
Der Gläubigen, die seinen Namen ehren,
Gut zu kennen glaubt,
Daß er gewiß nicht
In die Erdennacht gekommen sei,
Die Selbstgerechten von sich selber zu er‐
.lösen,
Sondern Befreiung bringen wolle
Für die „Sünder”.
Sein Wort hat heute lang schon
Alle Welt vernommen,
Doch alle Welt blieb fern dem,
Was der mir vereinte Künder
Durch seine Kündung alle fassen lehren
.wollte,
Damit es allen bangen Sündenängsten
In den Seelen wirksam wehren sollte.
Sünde sah er
dort bereits
geschehen,
Wo er die Abkehr sah
Von ewig geistbeschwingtem Leben,
Verkehrung
geistgezeugten Willens
In den
tierbedingten Willen:
Den Willen zeitgesetzter
Unabwendbarer Vergänglichkeit.
Was er die Gläubigen und ihre Priester
„Sünde” nennen hörte,
Sah er in alldurchdringend klarem Lichte
Als das erdgewirkte
Werk der Sünde:
Als erstes Glied der argen Kette
Sündbedingter
Folgen,
Das die Torheit Sündiger
Auf Erden „Sünde”
nennt,
Weil sie es nicht
Als ungewollte
Wirkung
Selbstgesetzter Ursache
Im Geistigen erkennt.
Jedem, den in solche Kette
Er geschmiedet fand,
Verkündete er die Erlösung,
Die durch
Wiederumkehr
Erdverkehrter Willensrichtung
Irrig Wollenden erlangbar ist.
Die vor sich selber Heiligen
Und eitelkeitsbetörter Meinung nach:
„Gerechten”
Fand er freilich
Solchem Umkehrwillen fern.
So kam es, daß er nur dem
Sündbeladenen
Jeweils verkünden konnte,
Daß durch erfolgte Umkehr
Seine Sünden ihm vergeben seien,
Und daß nur
Sünder,
Die zur Umkehr willig waren,
Durch der Sünder „Heiland”
Die Erlösung fanden.
*
Keinem wird so viel vergeben,
Als dem, der um der
Liebe willen
In die Sünde kam, ‒
Als dem, der um der Liebe willen
Litt, und leidend an der Liebe,
Schuld der Sünde auf sich nahm.
Und selbst der Liebe
leibliches
Erleben zählt hier geistig mit! ‒
Noch jedem wurde in der Ewigkeit
Vergeben, der hier im Erdenleben
Schuld auf seine Seele lud,
Weil er an seiner körperhaft
Bedingten Liebe litt.
Nur die aus seelischer
Verhärtung
Und im
Haß gesetzte Sünde
Läßt sich aus der Liebe
nicht vergeben.
Hier führt nur Ausgleich
Durch die härteste
Gerechtigkeit
Den Sündbeladenen in Qual und Ringen
Durch Aeonen ‒ wenn es sein kann ‒
Noch in lichtes Leben.
*
So, wie ein Unerschrockener,
Der seines Lebens Unterhalt
Sich dadurch zu erwerben weiß,
Daß er die wildesten der wilden Tiere
Unter seinen Willen zwingt,
So muß sich jeder Mensch der Erde
Mühen ohne Ungeduld,
Das „Tier” in sich zu bändigen,
Zu zähmen und zu lehren,
Soll es nicht seine wilden Kräfte
Gegen seinen Eigner kehren.
Und so, wie keiner, der ein wildes Tier
Sich willenshörig machen will,
Des Tieres Willen besser, als durch
Güte
.zwingt,
So ist auch keinem noch auf Erden
Bändigung der eigenen Tiernatur gelungen,
War er nicht zur Erkenntnis durchgedrungen,
Daß aller Zwang sein Tierhaftes nicht zwingt,
Wenn nicht der
Liebe zu der eigenen Tiernatur
Des Tieres Bändigung gelingt.
*
Der, dem durch Willensumkehr
Ehedem bewirkte „Sünde”
Fernerhin vergeben wird,
Ist damit aller Schuld
Die seine „Sünde” auf ihn lud
Für alle Ewigkeit enthoben,
Er bleibt erlöst
Aus aller Schuldverstrickung,
Die den Unerlösten
Zeitlich und im Ewigen
An seiner Selbstvollendung hindert.
Doch solche zeitliche
Und ewige Erlösung
Ist gebunden an die Sühne,
Die sich der Erlöste
Selbst aus freien Stücken auferlegt.
Dem Unerlösten
Bleibt sie Qual und Zwang. ‒
Befreiung schafft die Sühne dem,
Dem wahre Willens-Umkehr
Hier im Erdendasein
In sich selbst gelang.
*
Willst du im
zeitbedingten Leben
Dich gestalten und erhalten,
So wirst du wachsam
ringen müssen
Mit vergänglichen Gewalten.
Das
Ewige jedoch
Wird dir
gegeben,
Weißt du dich nur
In dir noch zu erheben,
Um das, was man dir gibt
Auch zu empfangen. ‒
Nicht anders wirst du je
Zu Ewigem gelangen!
Nur, was als „Gabe”
Dich erreicht,
Wird dir im Ewigen
Zu eigen, ‒
Was aber Ungeduld
Ertrotzen möchte,
Wird sich
niemals zeigen!
*
Alles Göttliche ist kinderfaßlich einfach,
Obwohl es in sich selbst unendlichfältig,
Und klarer Form entwöhnten Augen
Kaum in seiner Einfachheit erkennbar ist.
Je weiter fort von Göttlichem
Die Denker samt den Dichtern sich begeben,
Desto verzwickter und verkröpfungsreicher
Deuten sie das Leben.
Solange wir nicht, wie die Kinder,
Auch die komplizierten Dinge
In uns selber wieder
einfach sehen,
Wird alles Denken,
Alles Deuten,
Falsche Wege gehen!
*